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Ihr letzter Tanz: Dresdens Traumpaar will in Dresden nochmal Weltmeister werden

Bei der 10-Tänze-WM verabschieden sich Julia Luckow und Erik Heyden von der großen Bühne. Vor eigenem Publikum wollen sie in der Dresdner Ballsportarena noch mal Weltmeister werden - und haben dafür auch nachts trainiert.

Von Michaela Widder
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Wenn die Ballsportarena zum Tanzsaal wird, bitten die Dresdner Julia Luckow und Erik Heyden zum letzten Tanz - der Höhepunkt der WM.
Wenn die Ballsportarena zum Tanzsaal wird, bitten die Dresdner Julia Luckow und Erik Heyden zum letzten Tanz - der Höhepunkt der WM. © Foto: SZ/Veit Hengst

Dresden. Für den Abschied gibt es sogar den passenden Song. „Der letzte Tanz“ von Pop-Musiker Bosse ist eine Hommage ans Leben, jeden einzelnen Moment so zu erleben, als wäre es das letzte Mal. Man weiß ja nie, wann es vielleicht das letzte Treffen, der letzte Kuss oder die letzte Party ist. Für Julia Luckow und Erik Heyden trifft das Lied nicht nur im übertragenen Sinne zu. Für die beiden Dresdner ist es am Samstag tatsächlich der allerletzte Tanz, zumindest vor den Preisrichtern. Dass sie jedoch zu den Indie- und Rocklängen von Bosse übers Parkett schweben, ist unwahrscheinlich.

Sie werden den Moment ganz sicher auskosten, er wird zu den großen in ihrem Leben gehören. Vor eigenem Publikum verabschieden sie sich bei der 10-Tänze-Weltmeisterschaft in Dresden. Dieser Kombinationswettkampf über alle zehn Turniertänze im Standard und Latein wird in Fachkreisen auch Königsdisziplin genannt. „Der Aufwand ist doppelt so hoch, und man braucht zusammen mehrere Outfits“, erklärt Erik Heyden, der mit seiner Partnerin Julia schon 2019 in Ungarn dieses WM-Format gewann. Seit 22 Jahren sind sie ein Paar – auf der Tanzfläche und auch privat.

Ursprünglich wollten sich die beiden Tänzer vom TSC Excelsior Dresden bereits 2020 bei den Deutschen Latein-Meisterschaften in Dresden verabschieden, „aber dann kam Corona und machte uns einen Strich durch die Rechnung“, erzählt Julia Luckow. Daraufhin machte sie den Vorschlag, dass sich der Verein für die nächste WM bewerben könnte. „Ich komme immer wieder auf lustige Ideen und setzte dann meine Leute im Verein unter Stress.“

Ein Leben zwischen OP-Tisch und Tanzsaal

Im ersten Anlauf erhielt allerdings Spanien den Zuschlag, im zweiten nun Dresden. Insgesamt 26 Paare, darunter aus den USA, Kanada und Japan, werden auf einem extra verlegten Parkett in der Ballsportarena antreten um den Königstitel.

Der große Traum, in Dresden als Weltmeister abzutreten, lebt. „Wir sind guter Dinge, wollen uns aber auch nicht unter Druck setzen und den Auftritt genießen“, sagt die 40-Jährige. Bis zu achtmal in der Woche hat das Paar für den großen Auftritt trainiert. „Die Woche hat zwar nur sieben Tage“, so Julia Luckow, „aber mein Papa sagt, man kann am Sonntag ja auch zweimal aufs Parkett.“

Wie sich Dresdens erfolgreichstes Tanzpaar organisiert, ist außergewöhnlich. Er, Projektleiter und viel unterwegs – sie, Orthopädin und Unfallchirurgin an der Uniklinik, oft sogar am OP-Tisch. „Das geht nur mit Leidenschaft und großer Disziplin“, meint sie – und mit einem eigenen Schlüssel fürs Vereinsheim. Weil Julia Luckow selbst noch Tanzunterricht gibt, beginnt das eigene Training oft erst abends halb zehn. Uhr. „Wenn nachts um drei Uhr dort das Licht brennt, dann sind wir das“, sagt Erik Heyden und lacht.

Auch eine gute Fitness ist enorm wichtig. Am WM-Tag legen sie insgesamt 40 Tänze aufs Parkett. „Man sagt, das ist von der Belastung ähnlich hoch wie 40-mal ein 400-Meter-Lauf“, erklärt der 39-Jährige. Für die Nebenbei-Leistungssportler ist das Tanzen seit mehr als zwei Jahrzehnten mehr als ein Hobby. „Wir sind viel unterwegs, für ein Weltranglistenturnier waren wir kürzlich erst in London“, meint er.

Preisgelder sind rar: 130 Euro für den WM-Titel

Den Sport finanzieren die Deutschen Meister größtenteils aus der eigenen Tasche. Für den Bundeskader und damit eine Förderung sind sie zu alt. In der Studienzeit haben sie sich mit Showauftritten und als Tanzlehrer Geld dazuverdient, um sich die Reisen zu den weltweiten Turnieren zu finanzieren. Allein ihr Kleid koste 2.600 Euro. „Jetzt haben wir zum Glück gute Jobs. Man sagt ja, Tanzen ist nach Reiten und Tennis der teuerste Sport“, meint die Ärztin. Und Preisgelder sind im Amateursport selten. „Bei der WM 2019 gab es für den Titel einmal 130 Euro, geteilt durch uns zwei“, erinnert sich Erik Heyden. Auch in Dresden geht es nicht ums Geld.

Beim Dresden Dance Cup, so heißt die Veranstaltung offiziell, werden nicht nur die Weltmeisterschaften ausgetragen, sondern auch mehrere Turniere in den Jugendklassen. Auch ein Einladungsturnier mit der Standard-Elite findet am Abend statt. Höhepunkt dürfte kurz vor Mitternacht das große Finale sein – mit dem Auftritt von Julia Luckow und Erik Heyden.

„Trotzdem bedeutet das nicht, dass wir komplett aufhören. Ich engagiere mich als Lehrwartin beim Deutschen Verband und Erik ist Landessportwart in Sachsen. Wahrscheinlich nehmen wir den Tanzsport mit ins Grab“, sagt Julia Luckow. Mit Steve Hädicke und Antonia Adam starten zum ersten Mal talentierte Nachfolger aus dem eigenen Verein bei der WM. Es ist Zeit für den allerletzten Tanz.