SZ + Sport
Merken

Wintersport auf Chemnitzer Matten: Zu Besuch bei Mr. Snow

Mr. Snow aus Chemnitz liefert Schneematten nach ganz Europa. Im Profisport kommt er an seine Grenzen. Doch Beispiele aus der Praxis zeigen, dass der textile Schnee gefragt ist.

Von Lucy Krille
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Mr. Snow statt Frau Holle: In Chemnitz wird der Schnee nicht aus Wasser hergestellt, sondern aus tausenden Fäden.
Mr. Snow statt Frau Holle: In Chemnitz wird der Schnee nicht aus Wasser hergestellt, sondern aus tausenden Fäden. © Jürgen Lösel

Chemnitz. Der Schnee von Morgen entspinnt sich aus 12.000 verschiedenen Arten von Nylon. Dünne und dicke, grüne und weiße Fäden weben sich um die aufgereihten Spulen. Sie sind mit einer stählernen Maschine verbunden: der Schneemaschine von Mr. Snow. Das Unternehmen produziert nach einem patentgeschützten Rezept in einer Fabrikhalle im Chemnitzer Norden seit 2016 Textilmatten. Zehn Meter lang und zwei Meter breit hängen sie auf der Rückseite der Maschine. Ausgerollt werden sie mittlerweile überall in Europa. Langlaufloipen, Alpinhänge, Liftbereiche, Rodelbahnen. Das alles geht auch ohne Schnee, fanden die Gründer des Unternehmens.

Geschäftsführer Jens Reindl hatte die Idee, nachdem er bei einer Führung in der Vogtlandarena in Klingenthal war. Im Skispringen finden Wettbewerbe außerhalb der Schneesaison schon länger auf Matten statt. „Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen“, sagt der Mitbegründer von Mr. Snow, der vorher als Wirtschaftsingenieur Innovationen in der Textilbranche begleitete. Als leidenschaftlicher Snowboarder überlegte er sich, den Schnee wieder vor die Haustür zu holen.

Auf natürliche Art ist das schwieriger geworden. Eine vom sächsischen Umweltamt beauftragte Studie in 28 Skigebieten zeigt, dass die Schneesicherheit abgenommen hat. Schneereiche Winter werden auch in Zukunft seltener. Selbst Schneekanonen kommen bei den warmen Temperaturen an Grenzen. Schneematten können dagegen 200 statt 50 Skitage im Jahr garantieren, meint Reindl.

Sächsische Skigebiete zeigen Interesse an Mr. Snow

Zum Lernen sei der falsche Schnee zudem optimal, sagt Reindl. Vom Gefühl her ist er etwas langsamer, weil der Gleitfilm fehlt. Reindl beschreibt seine Matten als „frisch und knackig“, auf denen man sehr gut die richtige Technik lernt und auch Skischwünge und Tricks auf dem Board könne man auf der Matte üben.

Auch Skilanglauf ist eine Option. Wie in Dänemark, wo Skifahren dank der Matten fester Bestandteil des Schulsports geworden ist. Gerade in Ländern, die keine typischen Schneenationen sind, seien die Menschen offener für neuen Schnee. So hat Mr. Snow beispielsweise auch Kunden in Kroatien.

Die Schneematten gibt es in grüner Farbe, wie man sie vom Skispringen kennt. Aber auch in weißer Ausführung liefert Mr. Snow.
Die Schneematten gibt es in grüner Farbe, wie man sie vom Skispringen kennt. Aber auch in weißer Ausführung liefert Mr. Snow. © Jürgen Lösel

Mit Alpin-Skigebieten in Tschechien und Rumänien gab es bereits Gespräche, größere Hänge komplett auszulegen, und auch Altenberg und Eibenstock sollen Interesse gezeigt haben. Doch die Vorbehalte sind noch groß, "von den Wintersportlern bis hin zum Pistenbullifahrer", meint Reindl.

Wer jahrelang durch Pulverschnee auf 2.000 Meter Höhe in den Alpen gewedelt ist, steigt nicht so schnell auf die Matten im Mittelgebirge um, auch wenn sie Schneesicherheit garantieren. Im Alpinski kann Mr. Snow dennoch helfen, etwa wenn der Schnee in der Talabfahrt oder am flachen Hang in der Skischule fehlt. „Wir werden nie alle Berge auslegen“, macht Reindl klar. Vielmehr sieht er seine Matten in Zukunft auf den Hängen um die Ecke, wo man ohne großen Aufwand Skisport betreiben kann.

Skikurs zu Hause statt teure Schule in Österreich

So wie in Sebnitz, wo Kinder seit zwei Jahren auf den Matten von Mr. Snow das Skifahren lernen. Das sei eine gute Alternative zu teuren Skischulen in Österreich oder Frankreich, sagt Sören Knöfel vom Skiclub Sebnitz, der knapp 100 Mitglieder zählt. Der Verein lehnt Kunstschnee aus Nachhaltigkeitsgründen ab.

"Die Matten wollten wir eigentlich das ganze Jahr nutzen, aber im Sommer schnallt sich keiner die Skier an", sagt Knöfel. "Aber dann, wenn die Temperaturen fallen und die Leute heiß aufs Skifahren werden, dann kommen die Matten ins Spiel." Das Fahrgefühl sei zwar nicht mit dem auf echtem Schnee vergleichbar, aber dennoch: "guter Kantengriff, geringer Gleitwiderstand", so das Fazit des Experten.

Für Sören Knöfel vom Skiclub Sebnitz ist die Chemnitzer Konstruktion ein deutlicher Fortschritt zu den Kunststoffmatten, die es vorher gab. Der Ski gleitet über einen Teppich, der Büroklammern ähnelt.
Für Sören Knöfel vom Skiclub Sebnitz ist die Chemnitzer Konstruktion ein deutlicher Fortschritt zu den Kunststoffmatten, die es vorher gab. Der Ski gleitet über einen Teppich, der Büroklammern ähnelt. © Jürgen Lösel

Der Skiclub überlegt sogar, weitere Matten für den steileren Hang zu kaufen. Bisher liegt nur unter dem Lift und an einem flachen Übungshang textiler Schnee. Matten auf dem großen Hang sind aber ein Millionenprojekt, das der Verein alleine nicht stemmen kann.

Profis trainieren weiter auf weißem Pulverschnee

Im Leistungssport haben sich die Matten nur beim Skispringen durchgesetzt. "Etwa 80 Prozent aller Sprünge finden auf Matten statt", sagt Ralph Eder vom Deutschen Skiverband. Sowohl im Nachwuchs- als auch im Profibereich werden Wettbewerbe im Sommer auf Matten ausgetragen, im vergangenen Jahr erstmals auch im Winter.

Doch das Ziel sei es, weiter auf Schnee zu landen. "Mattenspringen kommt an seine Grenzen, wenn in trockenen Winter niedrige Temperaturen herrschen, da Matten zur besseren Gleitfähigkeit bewässert werden müssen", erklärt Eder. Die Profis haben höhere Anforderungen.

Dieser Schnee kommt nicht vom Himmel, sondern aus einer unscheinbaren Halle in Chemnitz. Im Profisport ist das bisher keine Option - mit einer Ausnahme.
Dieser Schnee kommt nicht vom Himmel, sondern aus einer unscheinbaren Halle in Chemnitz. Im Profisport ist das bisher keine Option - mit einer Ausnahme. © Jürgen Lösel

Für Langlauf- und Alpinprofis spielt textiler Schnee keine Rolle. Im Langlauf haben sich Skiroller als Alternative durchgesetzt. Und wenn Schnee gebraucht wird, gibt es immer noch Depots, die meist eine Mischung aus Kunst- und Naturschnee enthalten, sagt Eder. In Chemnitz hofft man auf ein Umdenken. Aufwendige Weltcups wie der bis 2021 in Dresden stattfindende Skilanglauf würden sicher auf Matten funktionieren, meint Reindl.