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Die Urgroßväter der Radiofreunde

Bereits vor knapp 100 Jahren haben sich Wilsdruffer intensiv mit dem Radio befasst. Die Geschichte des Funkvereins ist in Zeitungen dokumentiert.

Von Maik Brückner
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Der Chef des Technikvereins, Jürgen Juhrig, konnte mit Hilfe eines Heimatforschers ein neues Kapitel der Wilsdruffer Radiogeschichte schreiben.
Der Chef des Technikvereins, Jürgen Juhrig, konnte mit Hilfe eines Heimatforschers ein neues Kapitel der Wilsdruffer Radiogeschichte schreiben. © Daniel Schäfer

Für Jürgen Juhrig war diese Entdeckung eine kleine Sensation. Bis dahin dachte der Kesselsdorfer, der den Technikverein Wilsdruff führt, dass die Radiogeschichte in Wilsdruff gut erforscht sei. Doch dann legte ihm Ralf Engelmann historische Zeitungen vor. Juhrig war mehr als überrascht.

Denn Jahre bevor er mit anderen Radioenthusiasten den Technikverein gründete, um unter anderen die Geschichte der Wilsdruffer Sendeanlage zu erforschen, gab es in Wilsdruff Radiofans, die sich in einem Verein organisiert hatten. Nach dem Studium der Dokumente war Juhrig gerührt. "Das war erstaunlich", sagt er. Denn damit hat er nicht gerechnet. Zwar wusste er, wie das Radio vor gut 100 Jahren Einzug in die Gesellschaft hielt. Dass dazu auch Vereine gegründet wurden, das wusste er bis dato nicht.

Der Wilsdruffer Ralf Engelmann (1946-2017) stieß bei seiner Recherche in früheren Ausgaben des Wilsdruffer Tageblatts auf die Pioniere des Rundfunkempfangs. Den Chef des Technikvereins, Jürgen Juhrig, haben diese Funde mehr als überrascht.
Der Wilsdruffer Ralf Engelmann (1946-2017) stieß bei seiner Recherche in früheren Ausgaben des Wilsdruffer Tageblatts auf die Pioniere des Rundfunkempfangs. Den Chef des Technikvereins, Jürgen Juhrig, haben diese Funde mehr als überrascht. ©  privat

"Nach kurzem Überfliegen der ersten Artikel war mir klar, dass es sich bei dem Verein um Pioniere des Rundfunkempfangs handelte". Er ist Ralf Engelmann, mit dem er mehrere Jahre in der Stadtverwaltung zusammenarbeitete und der bereits 2017 verstarb dankbar. Engelmann blieb auch nach seiner Tätigkeit im städtischen Heimatmuseum aktiv und recherchierte. "Er gehört zu jenen Zeitgenossen, die aus Überzeugung und Heimatliebe hinaus bemüht waren, die Heimatgeschichte mit ihrer Tradition aufzuarbeiten", sagt Juhrig. Und das tat er sehr akribisch.

Artikelsammlung liefert ein erstaunliches Bild

Das Besondere an den Funden, die Ralf Engelmann bei seiner Recherche in den alten Wilsdruffer Tageblättern gemacht hat, ist der Umfang. Er konnte sehr viele Veröffentlichungen finden. Dokumentiert sind die Gründung, der Werdegang und das Ende des Funkvereins. Mehr noch: "Die Artikelsammlung offenbart ein erstaunliches Bild über das Alltagsleben der Stadt, das Wirken der ersten Radiobastler und die ersten staatlichen Richtlinien und Verordnungen zum Rundfunkwesen in den 1920er-Jahren."

Dass Juhrig diese Entdeckung erst jetzt öffentlich macht, hängt mit seiner Arbeit an der Homepage des Vereins zusammen. Für diese hat er das von Ralf Engelmann zusammengetragene Material noch einmal durchgesehen.

Geschichte des Funkvereins beginnt 1925

Die Geschichte des Wilsdruffer Funkvereins beginnt im Januar 1925. Im Gasthaus Adler beschlossen Radiofreunde aus der Stadt eine Ortsgruppe des Dresdner Funkvereins zu gründen. Deren Ziel war es, die Mitglieder im Bau von Radioempfängern zu schulen und dazu fachkundige Ingenieure nach Wilsdruff zu bringen. Die Männer der ersten Stunde waren offensichtlich im reiferen Alter. Denn nach der ersten Sitzung wurden vor allem jüngere Männer gebeten, sich dem Verein anzuschließen. Je mehr sich beteiligen, desto preiswerter werde die Ausbildung, hieß es nach dem Treffen.

Mit Hilfe von Wolfgang Lill, der als ehrenamtlicher Redakteur für das Internetportal radiomuseum.org arbeitet, hat Jürgen Juhrig die Geschichte der Wilsdruffer Funkvereins auf der Homepage von radiomuseum.org veröffentlicht.
Mit Hilfe von Wolfgang Lill, der als ehrenamtlicher Redakteur für das Internetportal radiomuseum.org arbeitet, hat Jürgen Juhrig die Geschichte der Wilsdruffer Funkvereins auf der Homepage von radiomuseum.org veröffentlicht. © Screenshot/SZ/Maik Brückner

In den Folgejahren beschäftigte sich der Funkverein mit technischen Details des Radioempfangs wie mit dem Bau von Empfangsgeräten und Antennen sowie mit der Suche nach Störsendern. Es gab auch ein Vereinsleben. So besuchte der Verein ein Jahr nach der Gründung den Rundfunksender im Dresdner Rathaus.

"Die Beteiligung war eine recht zahlreiche", notierte das Tageblatt. "Für die Funkbastler war es äußerst interessant zu sehen, wie viel Gemeinsames die große Sendeanlage mit ihrem kleinen selbstgebauten Empfangsgerät hat."

Technikverein will Jubiläum feiern

Im April 1932 löste sich der Funkverein auf einer Sitzung im Bahnhofsrestaurant, der späteren Sachsenperle, auf. Der Grund war simpel: In Deutschland war die industrielle Herstellung von Radioapparaten angelaufen. Jeder konnte sich ein Gerät zulegen. Das Selbstbasteln hatte ein Ende.

Jürgen Juhrig möchte, dass diese Geschichte der ersten Radiofreude der heutigen Generation bekannt gemacht wird. Deshalb möchte er einen kleinen Beitrag auf der Homepage des Vereins veröffentlichen. Mithilfe von Wolfgang Lill aus Pirna, der ehrenamtlich für das Portal Radiomuseum.org arbeitet, hat er bereits die Dokumentation ins Netz gestellt. In vier Jahren, wenn sich die Gründung des Funkvereins zum 100. Mal jährt, möchte der Verein das Jubiläum feiern.

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