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Hier könnte das erste Windrad im sächsischen Wald stehen

Ein junger Waldbesitzer bei Glashütte möchte Windräder im Wald errichten. Damit will er den Waldumbau finanzieren. Doch das ist ein zäher Weg.

Von Luisa Zenker
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Vom Förster zum Windmüller: Waldeigentümer Johannes von Hertell möchte Windräder in seinen Wäldern bauen. Geschäftsführer Hans Kraske (l.) vom sächsischen Waldbesitzerverband unterstützt ihn dabei.
Vom Förster zum Windmüller: Waldeigentümer Johannes von Hertell möchte Windräder in seinen Wäldern bauen. Geschäftsführer Hans Kraske (l.) vom sächsischen Waldbesitzerverband unterstützt ihn dabei. © SZ/Veit Hengst

Der sächsische Waldbesitzer Johannes von Hertell sprüht ein rotes Kreuz auf den Stamm einer Fichte. Von dem Baum blättert die Rinde ab. "Der Baum muss gefällt werden." Daneben liegt eine Kiefer direkt auf dem Forstweg. Die Ursache: Borkenkäfer, Sturm, Trockenheit.

30 Prozent seiner Waldflächen bei Glashütte sind geschädigt. "Und das wird mit dem Klimawandel noch schlimmer." Er rechnet mit 10.000 Euro pro Hektar, um den Wald wieder für die Zukunft aufzuforsten. Statt Fichtenmonokultur, will er Kiefer, Lärche, Eiche, Vogelkirsche auf seine Flächen bringen. Doch die dafür nötigen Holzeinnahmen fehlen wegen der starken Waldschäden.

Deshalb setzt der Eigentümer des Forst- und Landwirtschaftsbetriebes Johannes von Hertell nun auf Windräder im Wald. Ein Vorhaben, das erst seit Dezember 2022 offiziell mit der sogenannten Flexibilisierungsklausel in Sachsen zulässig ist. Damit soll nach Bundesvorgabe erreicht werden, dass bis Ende 2027 zwei Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen ausgewiesen werden. Das wäre zehnmal so viel wie bisher. "Wir sind weit genug von der Siedlung entfernt und hier bläst genug Wind, wie man ja an den Sturmschäden erkennen kann", erklärt Johannes von Hertell. Mit dem Ertrag durch den Strom könnte sich der 34-Jährige vom Rittergut Hirschbach den Waldumbau leisten.

Mindestens fünf Jahre von der Idee bis zur Umsetzung

Der Geschäftsführer des sächsischen Waldbesitzerverbandes, Hans Kraske, packt derweil eine Karte von Sachsen aus. „Bewertung des Waldes für Windkraftanlagen“ steht in schwarzen Lettern am Rand des vorläufigen Papiers. Mehr rote als grüne Flächen sind darauf zu sehen. Zehn Prozent des Waldes sind aus forstlicher Sicht für Windkraftanlagen geeignet. Die meisten Flächen befinden laut Karte in Görlitz und im Vogtlandkreis. Doch nach offiziellen Angaben aus dem Ministerium heißt es, dass die Kriterien für eine Bewertung der Waldflächen als Windkraftstandorte noch nicht feststehen. „Wir befinden uns momentan auf einer gelben Fläche, hier wird dann im Einzelfall geprüft“, erklärt von Hertell, der in grüner Jacke über den Forstweg nahe Reinhardtsgrimma stapft.

Wie viele Windräder er errichten möchte und was das einbringen wird, weiß er noch nicht. Er weiß nur, dass es dauern wird. Mindestens fünf Jahre bis sich ein etwa 160 Meter hohes Windrad über den Baumwipfeln dreht. Jetzt erst einmal wartet er auf den regionalen Planungsverband Oberes Elbtal/Osterzgebirge, das die Karten für seine Region erstellen und Vorrang- sowie Eignungsgebiete ausweisen muss. Und danach geht es für Johannes von Hertell erst richtig los. Dann erst weiß er, in welche Kategorie sein Wald fällt . Zudem benötigt er die Zustimmung der Gemeinde. Und hier beginnt der Knackpunkt.

Außerhalb des Waldes dürfen die Windräder schon stehen.
Außerhalb des Waldes dürfen die Windräder schon stehen. © Foto: SZ/Veit Hengst

Waldbesitzer sind gegenüber Wind im Wald zwiegespalten

Zuletzt hat er vor der eigenen Haustür erlebt, wie das Repowering der Windkraftanlagen in Hausdorf-Dittersdorf zu Protesten geführt hat. „Es stimmt nicht, dass Vögel dadurch massiv verenden. Natürlich werden wir den Vogelzug genau prüfen. Und wir errichten die Windräder ja nicht auf Moorflächen oder FFH-Gebieten.“ Er versucht, Wald-Windräder und Klimaschutz in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Denn nur wer langfristig das Klima durch eine emissionsarme Stromerzeugung schütze, könne auch Vogel und Fledermaus erhalten. „Die Leute wollen im Wald spazieren gehen, aber irgendwer muss diesen Wald auch bezahlen.“

5.000 Quadratmeter Platz braucht ein einzelnes Windrad im Wald; dazugehört das Fundament aus Beton und Stahl sowie Zufahrtswege für Feuerwehr und Elektriker. Der damit entstandene Schaden soll anderswo ausgeglichen werden. Etwa durch neu gepflanzte Bäume oder einer ökologischen Aufwertung. „Zum Beispiel könnten wir einen Bachlauf renaturieren“, nennt von Hertell als Möglichkeit. Die Forstwege will er für die Stromleitungen nutzen. „Als Waldbesitzer ist man Naturschützer, Förster, Jäger, Klimaschützer. Und könnte jetzt auch noch Stromproduzent werden.“

Kriterien für geeignete Flächen im Wald noch ungeklärt

Von Hertell ist zwar keine Ausnahme unter den Waldbesitzern, doch der Verband selbst bleibt zwiegespalten. „Die Hälfte lehnt Wind im Wald ab, die andere befürwortet es“, so der Geschäftsführer Hans Kraske. Doch damit der Freistaat sein Ziel einhält, braucht er die Waldbesitzer. Denn ein Großteil der für Wind geeigneten Forstflächen gehören den privaten Eigentümern. Nur über etwa 15 Prozent der geeigneten Forstflächen kann der Freistaat selbst entscheiden. Doch hier kommen noch die Ansprüche an Immissionsschutz, Naturschutz, Siedlungsabstände und Luftverkehr hinzu. Wie viel Platz am Ende für Windräder im Wald übrig bleibt, kann das Ministerium für Regionalentwicklung noch nicht sagen.

Immerhin haben sich die Bedingungen für die Windräder verbessert. Zuletzt hat das Bundeskabinett die neuen EU-Regeln für den Bau von Windrädern und Stromleitungen auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung will das Tempo der Genehmigungen für Windräder an Land und See deutlich erhöhen. Ein Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung kann damit entfallen. Konkret bedeutet das: Gibt es in einem für Windkraft oder Stromleitungen ausgewiesenen Gebiet schon eine strategische Umweltprüfung (SUP), kann im Genehmigungsverfahren die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und die artenschutzrechtliche Prüfung bei der Genehmigung der einzelnen Anlagen entfallen. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte außerdem, vier bis fünf Windräder pro Tag zu bauen. Johannes von Hertell wartet nun, er weiß, dass er die breite Akzeptanz in der Gemeinde braucht. „Wir müssen alle etwas davon haben.“