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Die Mehrzahl der Banken hat Strafzinsen abgeschafft

Mit der Zinsanhebung der Europäischen Notenbank gibt es für Finanzhäuser keinen Grund mehr, Privatkunden für ihre Guthaben zur Kasse zu bitten. Branchenexperten gehen von weiteren Zinssteigerungen aus.

Von Rolf Obertreis
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Frankfurter Bankentürme. Die Geldhäuser schaffen Strafzinsen wieder ab.
Frankfurter Bankentürme. Die Geldhäuser schaffen Strafzinsen wieder ab. ©  dpa/Frank Rumpenhorst

Die seit Jahren andauernden Zeiten von Verwahrentgelten und Negativzinsen bei Banken und Sparkassen in Deutschland neigen sich dem Ende zu. Nach der Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) Mitte Juli und damit auch dem Ende des negativen Einlagezinses für Kreditinstitute hält kaum mehr eine Bank und Sparkasse die Hand für Guthaben von Kundinnen und Kunden von Giro- und Sparkonten auf. Nach Recherchen des Verbraucherportals Verivox haben vier von fünf Banken die Negativzinsen abgeschafft. Absolut kassierten derzeit noch 79 von 1.300 Instituten Verwahrentgelte. Das Finanzportal Biallo nennt sogar nur noch 35 Institute, die Gebühren für Guthaben und Spargelder kassieren.

„Das Ende der Negativzinsen ist besiegelt“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer von Verivox. Spätestens nach dem nächsten Quartalswechsel werde es allenfalls noch eine Handvoll Institute geben, die bei Privatkunden Negativzinsen in Rechnung stellen.

Nach Angaben von Verivox hatten vor der Zinserhöhung durch die EZB noch 424 Institute Verwahrentgelte erhoben. Allerdings hatten schon davor 51 Banken und Sparkassen die Gebühr abgeschafft oder die Freigrenzen so deutlich erhöht, wie etwa die ING auf 500.000 Euro, dass nur noch wenige Kunden betroffen waren.

24 Volks- und Raiffeisenbanken kassieren Negativzinsen

Nach Angaben von Verivox verzichtet die Commerzbank rückwirkend zum 1. Juli auf Negativzinsen für Privatkundinnen und -kunden. Andere haben sie zum 1. August gestrichen. Bei der Deutschen Bank zusammen mit der Postbank gelte das seit 15. August. Bei vielen Genossenschaftsbanken und Sparkassen sei das Verwahrentgelt ohnehin an den EZB-Zins gekoppelt gewesen und damit automatisch weggefallen.

Mittlerweile hätten sie 80 Prozent aller Banken und Sparkassen abgeschafft. „Das ist nur folgerichtig, schließlich hatten die Geldhäuser Verwahrentgelte stets mit der Minuszinspolitik der Notenbank begründet. Da sie selbst nun keine Strafzinsen mehr zahlen müssen, entfällt für die Banken die Grundlage, die eigenen Sparer noch länger mit Negativzinsen zu belasten“, sagt Maier.

Nach Angaben des Finanzportals Biallo haben mittlerweile von rund 180 Sparkassen, die Verwahrentgelte berechnet haben, alle diesen Preis gestrichen. Dagegen gebe es noch 24 Volks- und Raiffeisenbanken, die Negativzinsen kassierten, zu Sätzen zwischen 0,10 und 0,50 Prozent, meist mit Freigrenzen von 50.000 Euro und mehr.

In Einzelfällen gilt das Verwahrentgelt aber ab dem ersten Euro auf dem Tagesgeldkonto oder bei Freigrenzen von nur 10.000 Euro, heißt es bei Biallo. Auch zwei Nachhaltigkeitsbanken bitten ihre Kundinnen und Kunden weiter zur Kasse.

Ethikbank kassiert noch

Bei der Ethikbank gilt die Gebühr von 0,5 Prozent aber erst ab einer sehr hohen Freigrenze von einer Million Euro. Dagegen berechnet die GLS Bank, Deutschlands führende Umwelt- und Nachhaltigkeitsbank, ab Guthaben und Einlagen von 50.000 Euro auf dem Giro- und Tagesgeldkonto weiter 0,5 Prozent, senkt den Satz aber zum 1. Oktober auf 0,25 Prozent. Erst Ende des Jahres soll das Verwahrentgelt bei der GLS komplett wegfallen. Dabei dürfte es für Verwahrentgelte nach der nächsten geldpolitischen Sitzung des EZB-Rates am 8. September noch weniger Gründe geben.

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EZB-Direktorin Isabel Schnabel wollte sich am vergangenen Donnerstag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters zwar nicht festlegen. Aber die Inflation könnte zumindest kurzfristig weiter steigen. Es sei angesichts der großen Unsicherheit derzeit allerdings schwierig, den Höhepunkt vorherzusagen.

Selbst wenn es zu einer Rezession kommen sollte, werde der Inflationsdruck automatisch nachlassen, so Schnabel. „Im Juli haben wir im Licht unseres Inflationsausblicks eine Anhebung um 50 Basispunkte entschieden. Im Moment denke ich nicht, dass sich der Ausblick grundlegend geändert hat.“ Die EZB werde die „Normalisierung“ der Geldpolitik aber fortsetzen.

Für Experten ist damit klar, dass der EZB-Rat die Zinsen nach 0,5 Prozent im Juli um mindestens weitere 0,25 Prozent anheben werde. Möglicherweise aber auch um 0,5 Prozent. Dann stünde der Leitzins, den Banken und Sparkassen für Geld von der EZB zahlen müssen, bei 0,75 oder 1,0 Prozent. Der Zins, den sie für Einlagen bekämen, läge dann bei 0,25 oder 0,5 Prozent.