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TSMC-Ansiedlung in Dresden: Wirtschaftskammer fürchtet Wettbewerb um junge Menschen

Mehr Jugendliche wollen wieder Koch oder Mechatronikerin in Sachsen werden. Die IHK Dresden schaut dennoch besorgt auf die Großansiedlungsprojekte der Chipindustrie.

Von Luisa Zenker
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Ausbildungen werden für junge Menschen wieder attraktiver.
Ausbildungen werden für junge Menschen wieder attraktiver. © dpa-Zentralbild

Die Berufsausbildung erfreut sich hoher Beliebtheit: Mehr als 4.800 Menschen haben 2023 in Ostsachsen eine Lehre begonnen. Das sind knapp 600 mehr als noch vor zwei Jahren. Besonders nachgefragt seien demnach gewerblich-technische Berufe, wie der Metall- und Elektrotechniker. Hier gab es einen Zuwachs um 15 Prozent, erklärt die Industrie- und Handelskammer Dresden (IHK) am Dienstag bei einem Pressegespräch. Auch in der Gastronomie hat sich die Zahl der Azubis auf mehr als 600 erhöht. "Wir sprechen von einer Verstetigung des Trends", sagt IHK-Präsident Andreas Sperl erfreut.

"Junge Menschen haben offensichtlich wieder mehr Interesse an einer Berufsausbildung." Zahlreiche Kampagnen in den sozialen Medien, Schulpartnerschaften, Messeauftritte, Beratungsgespräche haben ihm zufolge dazu geführt, dass die Lehre als Karriereweg bei der Generation Z erkannt wird. Die Abbrecherquote liege dennoch bei 30 Prozent, ein Großteil davon beginne aber wieder eine neue Ausbildung.

Der Wettbewerb um Fachkräfte

Doch trotz der positiven Nachrichten trübt sich die Zukunftsaussicht. Sorgt sich die Wirtschaftskammer doch um die Großansiedlungsprojekte im Dresdner Norden. Allein in der neu errichteten Fabrik des taiwanesischen Herstellers TSMC sollen bald 2.000 Fachkräfte arbeiten. Auch Infineon baut gegenwärtig neben seine bestehende Fabrik eine neue und benötigt weitere 1.000 Beschäftigte.

Die IHK prognostiziert deshalb eine notwendige Verdopplung der Ausbildungsplätze für Mechatroniker und Mikrotechnologinnen bis 2028. Eine Befragung ergab, dass 169 Mechatronik- und 138 Mikrotechnologie-Azubis pro Jahr gebraucht werden. "Die Prognose freut uns, aber es verstärkt den Wettbewerb um junge Leute", erklärt IHK-Präsident Andreas Sperl.

Sie appelliert deshalb an die Verantwortung der Großunternehmen über die Grenzen hinweg, Fachpersonal zu rekrutieren. "Für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis", so Sperl, der um die vielfältigen Möglichkeiten und teilweise besseren Löhnen in den großen Betrieben weiß.

Neue Ausbildungszentren im Raum Dresden

Angesichts der wachsenden Nachfrage in der sächsischen Halbleiterindustrie soll deshalb im Raum Dresden eine Azubi-Schmiede entstehen. In dem sächsischen Ausbildungszentrum für Mikrotechnologien (SAM) werden bis zu 1.000 Azubis pro Jahr für die großen Chipfabriken von Infineon, Globalfoundries, Bosch, TSMC und X-Fab in Dresden weitergebildet. Neben der überbetrieblichen Ausbildungsstätte erachtet es die IHK als notwendig, eine weitere Berufsschule für mehrere hundert Azubis im Großraum Dresden zu errichten. "Das ist eine Mammutaufgabe, die besser heute als morgen begonnen werden sollte", mahnt Sperl.

Mehr ausländische Azubis notwendig

Neben den Großprojekten beschäftigt die Wirtschaftsvertreter weiterhin der demografische Wandel. "Die Boomer-Generation geht in Rente", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder. Dem sächsischen Arbeitsmarkt könnten nach heutiger Prognose über 300.000 Erwerbspersonen bis 2030 fehlen. Sachsen sei deshalb auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Derzeit verzeichnet die IHK 649 ausländische Azubis, das sind 4,6 Prozent. Ein Drittel davon kommt aus Vietnam. Mit weitem Abstand folgen Syrien (38), Polen (37) und Afghanistan (32). 21 Azubis kommen aus der russischen Föderation, 14 aus der Ukraine. Hier rechnet die IHK mit einer Steigerung im nächsten Jahr. Herausforderungen sieht Rohleder weniger in der Integration in Betrieben als in den Berufsschulen. Hier führen Sprachprobleme besonders in den Prüfungen zu Schwierigkeiten. Man diskutiere deshalb, Unterrichtsmaterialien in Englisch vorzubereiten, halte aber vorerst an der deutschen Prüfsprache fest. Zudem gibt es Ideen für ein berufsvorbereitendes Jahr, das sich an ausländische Azubis richtet.

Projekte für Berufsanfänger und Seiteneinsteiger

Um die deutschen Schüler und Schülerinnen für eine Lehre zu begeistern, hat die IHK das Projekt Azubibotschafter gestartet. Ausgewählte Auszubildende gehen hierbei aktiv in die Schulklassen, reden mit den Dreizehnjährigen über ihre Erfahrungen im Betrieb und bringen praktische Übungen aus ihrer Branche mit. 58 Botschafter und Botschafterinnen habe man bereits in den Schulen eingesetzt, erklärt die Verantwortliche der IHK, Jana Reimer.

Zudem begrüßt die Kammer das von der Bundesregierung geplante Berufsbildungs-Validierungsgesetz. Damit sollen es Menschen mit langjähriger Berufserfahrung, aber ohne formalen Berufsabschluss auf dem Arbeitsmarkt leichter haben. Um das vorhandene Wissen sichtbar zu machen, erhalten die Personen innerhalb eines Prüfverfahrens ein Zertifikat, dass bescheinigt, welche Tätigkeiten sie ausführen können. Solch ein Pilotprojekt läuft in Sachsen bereits seit fünf Jahren. 330 Menschen konnten dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, erklärt Nick Pruditsch von der IHK Dresden.