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Was Sachsen von ihrer Tochterfirma in China erwarten

Tingting Hu hat in Dresden studiert und leitet nun die chinesische Tochterfirma von Xenon Automatisierungstechnik. Erstmals seit Corona besucht sie wieder Sachsen.

Von Georg Moeritz
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Tingting Hu (rechts) leitet das China-Geschäft von Xenon Automatisierungstechnik. Links der Ingenieur Kay Truxa, einer der Geschäftsführer in Dresden.
Tingting Hu (rechts) leitet das China-Geschäft von Xenon Automatisierungstechnik. Links der Ingenieur Kay Truxa, einer der Geschäftsführer in Dresden. © Foto: SZ/Veit Hengst

Dresden. Die internationale Karriere von Tingting Hu begann mit einem Bericht in der Sächsischen Zeitung. Damals studierte die junge Chinesin in Dresden "International Business" und suchte einen Praktikumsplatz. In der Zeitung las sie im Jahr 2010, dass die Dresdner Maschinenbaufirma Xenon in China ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer Partnerfirma eröffnet hatte.

Tingting Hu bekam nicht nur den Praktikumsplatz bei der Xenon Automatisierungstechnik GmbH, sondern bald eine feste Stelle im Marketing in Dresden. 2013 kam die Chance auf eine Stelle als Geschäftsführerin in China: Seitdem lebt sie in Suzhou im Großraum Schanghai, mit ihrem deutschen Ehemann, der auch bei Xenon arbeitet. Frau Hu leitet die chinesische Tochterfirma von Xenon, mit 95 Beschäftigten. Bald sollen es 150 sein.

Zum ersten Mal seit den Corona-Reisebeschränkungen hat Tingting Hu in den vergangenen Wochen wieder Dresden besucht, Freunde getroffen - aber auch Geschäftspartner. Dazu gehört die Medizintechnikfirma Alpha Plan in Radeberg. Für sie hat Xenon in China manche Komponenten hergestellt und Maschinen in Betrieb genommen. Xenon hat sowohl deutsche als auch chinesische Kunden in China.

In Dresden mehr als 300 Beschäftigte, in Mexiko 33

"Der Markt in China ist groß", sagt Tingting Hu. Xenon sei dort zwar klein, habe aber stabile Kundenbeziehungen und könne globale Verbindungen bieten - dazu gehört auch noch eine Tochterfirma in Mexiko mit 33 Beschäftigten. In der Dresdner Zentrale beschäftigt Xenon 311 Menschen im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee.

Xenon baut Montageanlagen und Prüfanlagen zur Automatisierung der Fertigung von mechatronischen Komponenten. In den neuen Werkhallen zeigen Tingting Hu und die Geschäftsführer Tobias Reissmann und Kay Truxa Anlagen, die Kunststoffteile mit Dichtungen für die Autoindustrie über Wendelförderer transportieren und ausrichten.

Der Besucher staunt, dass die Produkte auf kleinen Bürsten bewegt werden statt auf einem Band - das soll verhindern, dass die teils etwas feuchten Dichtungen Flüssigkeit verlieren. Die nächste Anlage stellt Steuerungselemente für Massagesitze her. In Dresden werden die Maschinen ausprobiert, bevor sie bei den Kunden endgültig aufgebaut werden.

Standort China soll rasch auf 150 Beschäftigte wachsen

Zwei Drittel des Geschäfts macht Xenon mit der Autobranche. Die ist im Wandel, viele Zulieferer müssen sich umstellen. Reissmann betont, schon seit vier Jahren sei das Unternehmen "unabhängig von der Antriebsart", liefert also nur Anlagen zur Produktion von Komponenten, die auch in Elektrofahrzeugen Verwendung finden. Zu den Kunden zählen Autozulieferer wie Bosch, Continental und ZF.

In der Elektroniksparte liefert Xenon zum Beispiel an Infineon, Miele und Vorwerk. Für das Chemnitzer Unternehmen 3D-Micromac baute Xenon Maschinen in China, die für Aufträge aus der Solarindustrie gebraucht wurden.

Der Arbeitsplatz von Tingting Hu: In einem Gewerbepark in Suzhou hat Xenon dieses Gebäude gemietet. Die Belegschaft dort soll schnell wachsen.
Der Arbeitsplatz von Tingting Hu: In einem Gewerbepark in Suzhou hat Xenon dieses Gebäude gemietet. Die Belegschaft dort soll schnell wachsen. © Foto: SZ/Veit Hengst

Der Arbeitsplatz von Tingting Hu ist ein kleiner Gewerbepark in Suzhou, in dem Xenon zwei Neubauten gemietet hat. Der eine enthält die Büros für Ingenieur-Arbeiten und Vertrieb, im anderen findet der Anlagenbau statt. Hu freut sich auch über die moderne Cafeteria im Betrieb. Xenon biete ihr "Familienatmosphäre", sagt sie. Sie wolle nicht in Kategorien wie deutsch und chinesisch denken, sondern sehe sich als Brücke oder Dolmetscherin.

Geschäftsführer Reissmann weiß, dass chinesische Angestellte ihren Firmen in der Regel nicht so treu sind wie deutsche. Doch er kann ihnen als Anreiz Wachstum versprechen, das sei vielen wichtig: In den nächsten zwei Jahren soll der chinesische Standort auf 150 Personen wachsen. Hu betont, dass die chinesischen Angestellten bei Xenon Weiterentwicklungsmöglichkeiten finden und die Chance auf Einsätze in Europa und Amerika. "Interkultureller Austausch ist attraktiv", sagt die Chinesin.

Geschäftsführer Reissmann: Für Indien noch zu früh

Reissmann hat gezählt, dass in seiner Dresdner Firma Menschen aus 14 Nationen arbeiten, darunter derzeit ein Chinese. Er hofft, nach dem Ende der Reisebeschränkungen den Austausch nun wieder verstärken zu können. Natürlich kennt er die Warnungen der Regierungen in den USA und Deutschland, sich zu eng an China zu binden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dafür plädiert, Abhängigkeiten zu reduzieren und sich möglichst breiter in Asien aufzustellen. Dabei spielt auch die Sorge eine Rolle, China könne Taiwan angreifen. Unterdessen erwägt der taiwanesische Mikrochipfabrikant TSMC, seine nächste Fabrik in Sachsen zu bauen.

Geschäftsführer Tobias Reissmann sieht einen Erfolgsfaktor darin, im Ausland mit lokalen Experten zu arbeiten - und nicht mit deutschen Chefs.
Geschäftsführer Tobias Reissmann sieht einen Erfolgsfaktor darin, im Ausland mit lokalen Experten zu arbeiten - und nicht mit deutschen Chefs. © Foto: SZ/Veit Hengst

In Indien hat sich Reissmann auch schon umgesehen, mit einer Unternehmerdelegation. Doch er erlebte dort viel Rückständigkeit, viel offensichtliche Armut gleich neben dem Luxushotel. "Indien kommt, aber es ist noch zu früh", sagt der Dresdner Geschäftsführer. Er sei froh, dass sein Vater Eberhard Reissmann 2009 den mutigen Schritt nach China gegangen sei. Der Beginn war ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Firma eines deutschen Partners, von dem sich Xenon aber später getrennt hat.

Hoffnung auf die Wasserstoff-Branche

Zu den größten Erfolgsfaktoren gehöre es, im Ausland mit lokalen Experten zu arbeiten, nicht mit deutschen Chefs - das gelte auch für den Betrieb in Mexiko, der gute Aufträge für die Autoindustrie in Amerika habe. Die Lieferanten der Autokonzerne müssten sich auch "global aufstellen" und wollten lokal einkaufen - ein Vorteil für den Vorlieferanten Xenon in China. Der hat sich dort einen ähnlich klingenden Namen gegeben, dessen Silben laut Tingting Hu für Kampf und Strategie stehen.

Xenon bekam im vorigen Jahr in Dresden Aufträge im Wert von rund 60 Millionen Euro, in China von 16 Millionen. Hu nennt die Strategie: "global dastehen, international". Das half auch, als jüngst Lieferketten unterbrochen waren. Xenon konnte Anlagen auf drei Kontinenten montieren und manchmal fehlende Teile aus dem Lager eines Kunden bekommen. Geschäftsführer Kay Truxa betont den Vorteil für die Kunden, dass Xenon weltweit liefern könne. Die Tochterfirmen in China und Mexiko seien keine verlängerten Werkbänke, sondern hätten eigenständige Entwicklungsabteilungen.

In Dresden hat Xenon in den vergangenen Jahren rund 20 Millionen Euro in Neubauten investiert. Reissmann sagt, das Unternehmen wolle "aktiv an der Dekarbonisierung mitwirken". Der Dresdner Wasserstoff-Spezialist Sunfire sei ein wichtiger Kunde. Xenon habe ihn mit dem Autozulieferer Vitesco zusammengebracht, sodass nun in Limbach-Oberfrohna in Sachsen die Montage von Zellen für die Elektrolyse automatisiert werde. Um die 40 Stellenangebote stehen auf der Internetseite von Xenon Automatisierungstechnik - vom Technischen Zeichner bis zum Ingenieur für Steuerungsentwicklung, vom Anlagenmonteur bis zum Softwareentwickler.