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Warum der Fernwärme in Zittau die Zukunft gehört

Die Stadtwerke Zittau wollen ihr Netz jährlich bis zu einem Kilometer ausbauen. Und die Wärme dafür verstärkt klimafreundlich produzieren. Was hinter dem Vorhaben steckt.

Von Thomas Christmann
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Die Stadtwerke Zittau setzen verstärkt auf die Fernwärme.
Die Stadtwerke Zittau setzen verstärkt auf die Fernwärme. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

In den nächsten Wochen startet die neue Kampagne. Dann werben die Stadtwerke Zittau unter dem Motto "Wärmstens empfohlen" auf Plakaten und Firmenfahrzeugen für ihre Fernwärme. Zudem werden Haus-Eigentümer angeschrieben, die an einer Trasse liegen und noch nicht angeschlossen sind - um sie gezielt über Vorteile zu informieren. So soll der Anschluss laut Eigenwerbung komfortabel, umweltfreundlich, sicher und preisgünstig sein. "Es gibt ein großes Potenzial", sagt Rocco Deckert, technischer Geschäftsführer, mit Blick auf eine Erweiterung des Netzes.

Ab April startet das Unternehmen damit an den Stellen, für die die Eigentümer bereits die Zusagen erteilt haben. Dazu gehört die Wohnungsgenossenschaft als größter Vermieter der Stadt, bei der bisher 20 Prozent der rund 3.000 Wohnungen mit Fernwärme versorgt sind. Den nächsten Bedarf hat sie in Nord angemeldet: Dort kommt dieses Jahr das erste Objekt an der Gutenbergstraße dran. Zwei Gebäude an der Clara-Zetkin-Straße werden zumindest für den Zugang vorbereitet. Weitere Häuser anschließen lassen will auch die Wohnbaugesellschaft als zweitgrößter Vermieter - sofern möglich. Bei ihr hängt bereits ein Großteil der etwa 1.650 Wohnungen am Netz.

In der Innenstadt werden dieses Jahr die Gebäude an der Albertstraße 16 und 18 - die ein Privater derzeit wieder aufbauen lässt - angeschlossen. Ebenso Häuser an der Böhmischen Straße, deren Fahrbahn und Gehwege dieses Jahr zu Ende saniert werden. Darunter verlegen die Stadtwerke auch eine der beiden künftigen Fernwärme-Hauptleitungen ins Zentrum. "Um die Versorgungssicherheit zu erhöhen", begründet Rocco Deckert.

Die Verträge schließen Eigentümer und Versorger zunächst für zehn Jahre ab, mit Option auf Verlängerung. Die Laufzeit soll beiden Seiten Sicherheit geben. Allerdings kann niemand die Entwicklung der Kosten über einen so langen Zeitraum vorsehen. Deshalb enthalten die Verträge sogenannte Preisgleitklauseln, durch die der Tarif jährlich an die allgemeine Preisentwicklung angepasst wird. Das führt auch zu einem Verzögerungseffekt: Was das Unternehmen auf den Weltmärkten für Energie zahlen musste, macht sich erst ein Jahr später beim Kunden bemerkbar. Beim Preis der Fernwärme liegt Zittau nach Aussage des Geschäftsführers bundesweit im unteren Mittelfeld.

Rund 3.000 Haushalte hängen bislang an der 22 Kilometer langen Trasse, die jedes Jahr bis zu einem Kilometer wachsen soll. Dafür investieren die Stadtwerke bis zu drei Millionen Euro. Der entscheidende Vorteil für sie: die austauschbare Energiequelle. Aktuell stammen 60 Prozent der Wärme aus zugekauftem Erdgas, 40 Prozent aus selbst produziertem Biogas. Damit hat das Unternehmen das vom Bund vorgegebene Ziel schon fast erreicht: Danach ist Wärme bis 2030 zur Hälfte klimaneutral zu erzeugen. Bis 2045 sind 100 Prozent zu erreichen. Wie, das soll die kommunale Wärmeplanung zeigen. Die müssen alle Städte und Gemeinden Deutschland bis spätestens Mitte 2028 vorlegen.

Dabei spielt auch Gas, das in den meisten Gebäuden in Zittau bereits anliegt, eine Rolle. In diesem Bereich kann der Kunde im Gegensatz zur Fernwärme seinen Anbieter wählen. Doch der Schein trügt: Laut dem Stadtwerke-Chef existieren nur eine Handvoll Gas-Importeure, die den Markt bestimmen. "Und in Krisen kann die Lieferung völlig eingestellt werden", sagt er mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Kriegs. Deshalb will auch er weg vom konventionellen Gas, die Fernwärme auf Basis eigener Energie ausbauen und weiterentwickeln. Dabei soll vom Bau des Netzes bis zur Erzeugung der Energie möglichst viel aus der Region kommen.

Als Quellen für die Fernwärme wollen die Stadtwerke künftig verstärkt auf erneuerbare Energieträger setzen. Dazu laufen bereits Forschungen mit der Hochschule. Im Projekt "Aqva Heat" testen Wissenschaftler, wie mit Mandau-Wasser Wärme erzeugt werden kann. Allein darüber könnte das Unternehmen zehn Prozent des Bedarfs in Zittau decken. Zudem unterstützen die Stadtwerke das Fraunhofer-IWU beim Aufbau einer Elektrolyse-Anlage, die Wasser in Wasserstoff umwandeln soll. Dabei entsteht zusätzlich Abwärme, die ins Fernwärme-Netz eingespeist wird.

Um den Wasserstoff zu verteilen, könnte das Unternehmen die Gas-Leitungen weiter nutzen. Doch den Aus- und Umbau haben zunächst die deutschlandweit großen Netz-Betreiber in der Hand. Der Landkreis Görlitz ist dort bis 2032 nicht berücksichtigt. Rocco Deckert spricht deshalb auch von einer langfristigen Perspektive. Als weitere Energiequelle wollen die Stadtwerke industrielle Abwärme nutzen. "Wir schauen dabei unter anderem in Richtung Weinau", sagt der Geschäftsführer. Das Gewerbegebiet wird bei der Wärmeplanung mit geprüft und gegebenenfalls berücksichtigt.

So hat sich Zittaus Fernwärmenetz über die Jahrzehnte entwickelt.
So hat sich Zittaus Fernwärmenetz über die Jahrzehnte entwickelt. © Gernot Grunwald

Fernwärme existiert in Zittau schon seit DDR-Zeiten. Das erste damit versorgte Wohngebiet war Nord, das Anfang der 1970er-Jahre entstand. Mitte desselben Jahrzehnts folgte Süd inklusive des Armeegebietes. Um 1990 kam noch Ost dazu. Nach der Wende erhielt der später geschlossene Schlachthof an der Chopinstraße einen Anschluss sowie das Krankenhaus, die Weinau-Schule und umliegende Häuser. Zudem ging der Ausbau in Richtung Innenstadt weiter mit sämtlichen öffentlichen Gebäuden. Die Wohnhäuser in Ost sind mittlerweile größtenteils abgerissen. Die Stadt plant dort einmal ein nachhaltiges Gewerbegebiet zu errichten - mit grüner Fernwärme.