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Aus Zittaus "Seeger Schänke" wird "La Famiglia"

Mariam Sdouga und Giuseppe Gargione öffnen am Sonnabend die Gaststätte, die bis 2021 der verstorbene Kultwirt André Matthausch betrieb. Vieles ist neu, aber auch an ihn erinnern sie.

Von Thomas Christmann
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Mariam Sdouga und Giuseppe Gargione sind die Betreiber der Gaststätte "La Famiglia", die von 1998 bis 2021 als "Seeger Schänke" bekannt war.
Mariam Sdouga und Giuseppe Gargione sind die Betreiber der Gaststätte "La Famiglia", die von 1998 bis 2021 als "Seeger Schänke" bekannt war. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Noch fehlt das Schild am Eingang. Aber wenn Mariam Sdouga und Giuseppe Gargione am Sonnabend die Gaststätte "Seeger Schänke" des am 10. Juli 2021 verstorbenen Kult-Wirts André Matthausch an der Inneren Weberstraße 38 in Zittau als "La Famiglia" wieder öffnen, will das Betreiber-Ehepaar den neuen Namen außen wie innen sichtbar machen. Das Geschäft sei ihr Wohnzimmer, indem sich die Gäste wie zu Hause fühlen sollen, sagt der 51-jährige Italiener, der dann in der Küche die Speisen zubereitet, während seine 16 Jahre jüngere Frau aus Tunesien die Bedienung übernimmt. Die beiden Kinder tauchen zumindest im Firmennamen "La Famiglia MS" auf. Das M steht für die 2018 geborene Maja, das S für den 2019 geborenen Skander. "Wir sind eine Familie, alles, was ich tue, tue ich für sie", sagt der Vater, der mit Frau, Tochter und Sohn in Großschönau wohnt.

Blick in den unteren Gastraum, der neue Tische und Stühle bekommen hat. Auch die Wände sind gestrichen.
Blick in den unteren Gastraum, der neue Tische und Stühle bekommen hat. Auch die Wände sind gestrichen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Der obere Gastraum mit dem Gewölbe ist unverändert geblieben. Er bietet Platz für rund 20 Gäste.
Der obere Gastraum mit dem Gewölbe ist unverändert geblieben. Er bietet Platz für rund 20 Gäste. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Nicht nur die Uhren sind an der Stelle hängen geblieben. Ein Foto erinnert an den ehemaligen und 2021 verstorbenen Betreiber André Matthausch.
Nicht nur die Uhren sind an der Stelle hängen geblieben. Ein Foto erinnert an den ehemaligen und 2021 verstorbenen Betreiber André Matthausch. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Giuseppe Gargione stammt aus Neapel und hat Hotelfachmann gelernt. Der Grund: Neben dem "guten Verdienst" lockte die Möglichkeit, die Arbeit mit dem Reisen zu verbinden. Und weil schon Vater, Onkel und Bruder in Bayern lebten, kam er nach dem Militärdienst 1992 nach Fürstenfeldbruck. Dort arbeitete Giuseppe Gargione zwei Jahre in einem italienischen Restaurant, weitere fünf in einem in Österreich - gefragt waren stets seine heimatlichen Kochkünste. Die zeigte der Neapolitaner ab 1999 in Markt Indersdorf, wo er mit seiner damaligen Partnerin die erste eigene Gaststätte betrieb. Und 2008 folgte sein nächster "Italiener" in Dachau, dieses Mal als alleiniger Inhaber. Dort lernte Giuseppe Gargione im Februar 2016 Mariam Sdouga kennen. Diese kommt aus Tunis, arbeitete zu der Zeit in der Reise- und Veranstaltungsbranche, war zum Urlaub in Bayern und Gast in seinem Restaurant. "Wir haben uns von Anfang gut verstanden", sagt der 51-Jährige, der seinen italienischen Charme spielen ließ. Nach den Worten "Wenn Du nicht weggehst, heirate ich Dich" folgte im Januar 2017 die Hochzeit.

In seinem Dachauer Restaurant machte er auch Bekanntschaft mit einem der Geschäftsführer der "Zittauer Hütte" in Jonsdorf, der damals Stammgast bei ihm war. Daraus entstand eine Freundschaft und dieser konnte ihn schließlich ab 2019 als Mitarbeiter für das Gebirgs-Hotel mit Gaststätte gewinnen. In Jonsdorf wiederum lernte er bei einer Hochzeitsfeier zweier Homosexueller zum ersten Mal André Matthausch kennen. Der führte als Freund des Paares bei der Veranstaltung seine Travestie-Show auf. Kurz nach dessen Tod feierte das Paar einen Geburtstag in der "Zittauer Hütte" und fragte den Italiener, ob er die "Seeger Schänke" übernehmen möchte. "Damals wollte ich noch nicht weg", sagt Giuseppe Gargione. Doch unter anderem gesundheitliche Probleme und der Wunsch nach mehr Zeit für die Familie ließen ihn im Frühjahr 2022 umdenken.

So nahm er Kontakt zum Makler auf und schaute sich die "Seeger Schänke" an. Der erste Eindruck: "Viel Arbeit, aber es kann funktionieren." Bis zur Entscheidung zur Übernahme vergingen noch einige Monate, weitere Wochen zum Herrichten der Gasträume und Küche, der Ausarbeitung eines Konzepts. "André Matthauschs Nachfolger zu werden ist schwierig, deshalb wollen wir ihn nicht kopieren, sondern eine eigene Identität hineinbringen", erklärt der 51-Jährige. Die Idee des Paares: Die Gäste machen eine kulinarische Reise entlang des westlichen Mittelmeers. Das heißt: Es gibt italienische Speisen, aber auch französische, spanische und nordafrikanische. Die Karte soll wöchentlich wechseln. Darin finden sich nur einige Standard-Pizzen und Nudelgerichte. "Weil die Gäste diese erwarten", sagt Giuseppe Gargione. Ansonsten will er sich von anderen abheben und setzt auf eigene Kreationen. Auch beim Mittagsangebot. Dabei haben die Gäste die Wahl zwischen sechs Menüs mit Vor-, Haupt- und Nachspeise - Letzteres ist entweder Tiramisu oder Kaffee - zum Preis von 8,50 bis 9,50 Euro. "Ich hoffe, dass die Leute rechnen können", so der Koch.

Dass wieder Leben in die Räume einzieht, freut den namentlich ungenannt bleiben wollenden Eigentümer des Hauses - nicht nur wegen der Einnahmen, sondern auch für die Stadt. Mit Blick auf zwei weitere ungenutzte Lokale auf der Straße, der Corona-Zeit und dem Fachkräfte-Mangel in der Branche hat er mit einem längeren Leerstand rechnen müssen. Und nahm das in Kauf. Ihm war wichtig, dass das Erbe als Restaurant fortgeführt wird - und im Sinne von Andrés Matthausch kein Schnellimbiss folgt. Das Inventar erwarb der Eigentümer aus der Nachlass-Insolvenz. "In der Hoffnung, dass ein künftiger Gastronom damit einen leichteren Start in die Selbstständigkeit hat", erklärt er.

Seit der Schließung der "Seeger Schänke" kamen über den Makler immer wieder mal Anfragen. "Zumeist mit nicht schlüssigen Konzepten und keinerlei Eigenkapital", berichtet der Eigentümer. Auch bei den neuen Betreibern musste er Kompromisse eingehen, zumindest bis die ersten Umsätze eingehen. Aber dieser hält sie für sympathisch, ehrlich, engagiert - und hofft, dass sie den Geschmack der Zittauer treffen. Das Paar wird das Inventar nun nach und nach erwerben.

Kultwirt André Matthausch war am 10. Juli im Alter von 48 Jahren verstorben.
Kultwirt André Matthausch war am 10. Juli im Alter von 48 Jahren verstorben. © Rafael Sampedro (Archiv)

Mariam Sdouga und Giuseppe Gargione erinnern trotz der Veränderungen an einer Stelle an die Geschichte des Restaurants und den Kultwirt: Immerhin waren André Matthauschs Gäste seit 1998 nicht nur wegen des Essens eingekehrt, sondern auch wegen des besonderen Menschen dahinter. An einer Stelle hängen noch seine Kuckucksuhren, darunter ein Bild von ihm. Das Paar will auch das von André Matthausch veranstaltete Sommerfest auf der Inneren Weberstraße wieder mit beleben. Und Live-Musik anbieten, vom deutschen Schlagerabend bis zur arabischen Nacht. Perspektivisch soll auch Personal eingestellt werden. "Wenn es richtig läuft", so Giuseppe Gargione.

Für die Eröffnung am Sonnabend um 11 Uhr bereiten die Gastronomen für die Gäste ein kostenfreies Buffet mit einer Auswahl der Gerichte von der Speisekarte vor und werden ein Glas Prosecco spendieren. "Solange der Vorrat reicht", sagt der 51-Jährige, der aufgrund des großen Interesses um Reservierungen bittet. Giuseppe Gargione hat Zittau inzwischen nicht nur kennen, sondern auch schätzen gelernt, will mit seiner Familie in der Region sesshaft werden. Die Menschen seien freundlich, hilfsbereit und familiär, berichtet er. "Hier ist die Welt noch in Ordnung."

Die Öffnungszeiten: Täglich von 11 bis 14 und 17.30 bis 22 Uhr. Reservierungen unter 03583 5626221.