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Insektenmehl im Brötchen? Bäcker schütteln den Kopf!

Die EU hat im Januar weitere Insekten zur Verarbeitung in Lebensmitteln zugelassen. Das sorgt bei Kunden im Kreis Görlitz für Verunsicherung. Manche Bäcker reagieren mit einer Info-Kampagne.

Von Frank-Uwe Michel
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Der Neueibauer Bäckermeister Andreas Füssel hat das Plakat mit dem Slogan "In unserer Bäckerei werden keine Insekten verbacken!" in allen seinen Filialen aushängen lassen.
Der Neueibauer Bäckermeister Andreas Füssel hat das Plakat mit dem Slogan "In unserer Bäckerei werden keine Insekten verbacken!" in allen seinen Filialen aushängen lassen. © Matthias Weber/photoweber.de

Andreas Füssel lacht etwas gequält am Telefon. "Insektenmehl in Brot und Brötchen? Für uns ist das nicht relevant." Doch weil es nach der jüngsten EU-Entscheidung, weitere Insekten zur Verarbeitung in Lebensmitteln zuzulassen, eben doch hin und wieder Anfragen von Kunden gibt, wird der Neueibauer Bäckermeister deutlich: "Wer bei mir einkauft, kann sicher sein: Insektenmehl verwende ich nicht."

Genau deshalb hat sich Füssel dazu entschlossen, bei der vom Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks initiierten Informationskampagne mitzumachen. Innungsbäcker bekommen auf Wunsch kostenlose Plakatvorlagen oder kleine Bildchen fürs Internet. Auf gelbem Untergrund ist dort eine stattliche Grille zu sehen, die mit kräftigem roten Strich eingekreist und durchgestrichen ist. Motto: "In unserer Bäckerei werden keine Insekten verbacken!" Dazu stellt der Verband klar: "Im Bäckerhandwerk spielen die aktuellen Zulassungen von Insekten als Lebensmittel grundsätzlich keine Rolle."

Begründet wird dies vor allem mit zwei Punkten: Zum einen gebe es flächendeckend noch keine Akzeptanz bei den Verbrauchern, beim Bäcker Lebensmittel mit Insektenproteinen zu erwerben. Zum anderen stellten die Leitsätze für Brot und Kleingebäck klar, was die gängigen Brotsorten enthalten dürfen. "Sollte ein Bäcker hiervon abweichen wollen, müsste er das gesondert kennzeichnen."

Dies scheint jedoch eine Selbstverpflichtung zu sein. Birgit Brendel, Referentin Verbraucherinformation für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Sachsen (VZS), erklärt die rechtliche Situation: "Bei loser Ware - also unverpackten Broten in Bedientheken und in Bäckereien - müssen die Zutaten nicht angegeben werden. Hier erkennen Verbraucher nur anhand des Allergenhinweises, dass Insektenzutaten enthalten sind, sofern nicht freiwillig deutlich darauf hingewiesen wird."

Kunden wollen das Verhalten der Bäcker wissen

Anders verhält es sich bei verpackten Lebensmitteln. "Dort müssen im Zutatenverzeichnis alle Zutaten vollständig aufgeführt werden", erklärt die VZS-Expertin. Das bedeute: Auch insektenhaltige Zutaten müssten dort ausgewiesen werden. Für jedes Insekt sei genau vorgeschrieben, wie es zu kennzeichnen ist. Als Beispiele führt Birgit Brendel entsprechende Passagen aus der EU-Verordnung an: „Gefrorene Larven/Paste aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“ oder „Getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“.

So sieht Mehl aus getrockneten Hausgrillen aus. Die Insekten dürfen laut einem EU-Gesetz gefroren, getrocknet oder als Pulver in Lebensmitteln verwendet werden. Die Aufregung unter manchen Verbrauchern - auch im Landkreis Görlitz - ist groß.
So sieht Mehl aus getrockneten Hausgrillen aus. Die Insekten dürfen laut einem EU-Gesetz gefroren, getrocknet oder als Pulver in Lebensmitteln verwendet werden. Die Aufregung unter manchen Verbrauchern - auch im Landkreis Görlitz - ist groß. © dpa

In der Löbauer Zentrale der Bäckerei Schwerdtner gingen schon am Tag nach Bekanntwerden der jüngsten EU-Regelung im Januar die ersten Mails von Kunden ein. "Die meisten wollten nur nachfragen, wie wir das handhaben. Einer schrieb jedoch: Wenn wir Insektenmehl verwenden, kauft er bei uns nie wieder ein", berichtet Geschäftsführer Michael Heidler. Auch in den Filialen habe es vereinzelte Nachfragen gegeben. Doch er beruhigt: "Wir haben bisher keinen Gedanken an das Beimischen von Insektenmehl verschwendet." Aber würde es einer Großbäckerei nicht gut zu Gesicht stehen, ein Spezialbrot als "Proteinbombe" zu kreieren? "Es stimmt, bei uns liegen die unterschiedlichsten Brote im Regal. Aber ich denke, ein Insektenbrot wäre in unserer Region nur Ladenhüter. Hier gibt es dafür einfach keinen Markt", ist er überzeugt.

Regelrecht entsetzt zeigen sich auch die anderen von der SZ befragten Bäcker. Martin Geißler vom gleichnamigen Ostritzer Handwerksbetrieb will eigentlich gar nicht auf das Thema reagieren. "Bei uns hat sich weder jemand beschwert, noch wurde angefragt." Die Informationskampagne des Verbandes fällt in den Filialen des Unternehmens deshalb aus. "Wir wollen uns nicht rechtfertigen und gegen Dinge plakatieren, die wir sowieso nicht machen."

Ganz ähnlich sieht das Lothar Hübner aus Horka. Er war dort jahrzehntelang Chef der gleichnamigen Bäckerei, hat die Leitung inzwischen an seinen Sohn Armin abgegeben. Über Generationen blieb die Firma in Familienhand. Lothar Hübner kann sich deshalb noch genau an Gespräche seiner Eltern und Großeltern erinnern. "Als es nach 1945 schwierig mit den Rohstoffen war, durften weder Gips noch Sägespäne in den Teig. Außerdem haben meine Vorfahren darauf geachtet, dass wir keine Insekten mit verbacken." Die jetzige Freigabe von Insektenmehl für den Backprozess kann Hübner deshalb nicht verstehen. "In Asien mag man ja Mehlwürmer oder Schlangen essen. Aber hier in Deutschland gibt es diese Tradition einfach nicht."

Gesunde Ernährung auch ohne Insekten möglich

Auch wenn der Horkaer Betrieb momentan nicht Mitglied der Bäckerinnung Oberlausitz-Niederschlesien ist - Lothar Hübners Meinung ähnelt der von Michael Bachmann. Der stellvertretende Obermeister aus Eibau sagt: "Es ist schon verrückt, welche Themen die Politik aufmacht." Er wolle an Insektenmehl in Backwaren gar nicht denken. "Die Bäckereien im Kreis Görlitz arbeiten sehr regionalbewusst und beziehen ihr Mehl oft von kleinen Mühlen aus der Region." In solch schwierigen Zeiten wie aktuell müsse man zusammenhalten und keine zusätzlichen Schauplätze aufmachen, die nur Kraft und Zeit kosten.

Auch getrocknete Mehlwürmer sind in der EU als Lebensmittelzutat zugelassen. Die Bäcker im Landkreis Görlitz verbacken jedoch weder ganze noch zu Mehl verarbeitete Insekten.
Auch getrocknete Mehlwürmer sind in der EU als Lebensmittelzutat zugelassen. Die Bäcker im Landkreis Görlitz verbacken jedoch weder ganze noch zu Mehl verarbeitete Insekten. © dpa

Dass mit dem Thema nicht zu spaßen ist, beweist eine Internet-Posse der bekannten Schokoladen-Marke "Ritter Sport". Das für seine quadratisch, praktisch, guten Tafeln bekannte Unternehmen warb unter dem Hashtag "AnGrillen2023" erst kürzlich für die Sorte "Ganze Grille mit crunchy Heimchen-Beinchen" und postete ein Schokoladen-Cover mit einer großen Grille drauf. Was folgte, war ein Shitstorm mit Aussagen wie "man muss nicht jeden dummen Trend mitmachen" oder "dann kaufe ich die Schokolade nie wieder". Kurz darauf gab Ritter Sport Entwarnung: "Ganze Grille" sei eine digitale Fakesorte und überhaupt nicht echt. In den Supermarktregalen ist das Insekten-Schoko-Produkt also nicht zu finden.

Doch wenn es mit Insektenmehl versetzte Schokoladen oder Backwaren tatsächlich gäbe - Kunden würden von ganz alleine stutzig werden. Denn: Der Preis macht am Ende den Unterschied. Insektenmehl ist in der Beschaffung um das 20-fache teurer als das herkömmlich von den Bäckern verwendete Getreidemehl. Daraus hergestellte Brote oder Brötchen wären also Luxusgüter. Sie hätten schon Zeit gehabt, sich durchzusetzen, denn Mehlwürmer und Heuschrecken sind von der EU seit 2021 für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassen. Ein Jahr später folgten Grillen. Seit ein paar Wochen können auch Buffalowürmer (die Larven des Getreideschimmelkäfers) und teil entfettetes Grillenpulver zu Gaumenfreuden für den ernährungsbewussten Mitteleuropäer verarbeitet werden.

Doch brauchen wir den Proteinschub durch Insekten überhaupt? VZS-Expertin Birgit Brendel: "Nein. Den Bedarf an Energie und Nährstoffen können wir problemlos mit Mischkost und vegetarischer Ernährung decken."