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Fachkräftemangel: MP Kretschmer will junge Ägypter als Lehrlinge anwerben

Beim Neujahrsempfang von IHK und Handwerkskammer in Schönbach bei Löbau beklagt Michael Kretschmer dramatische Zahlen - und präsentiert einen Lösungsvorschlag.

Von Markus van Appeldorn
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Ministerpräsident Michael Kretschmer mit IHK-Präsident Andreas Sperl.
Ministerpräsident Michael Kretschmer mit IHK-Präsident Andreas Sperl. © IHK Dresden / Bianka Jäschke

Wenn die auch für die Oberlausitz zuständige Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden gemeinsam mit der Handwerkskammer zum Neujahrsempfang lädt, dann gerät das zu einer Art Wirtschaftsgipfel der Region. So war es am Montagabend in der Kulturfabrik in Schönbach. Im Beisein von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) trafen sich dort rund 200 Unternehmer - außerdem auch Spitzen aus Politik und Wissenschaft der Hochschule Zittau/Görlitz. Feierlich ging's zu - obwohl es wenig zu feiern gab. Die Präsidenten der Kammern beklagten massive wirtschaftliche Probleme etlicher Betriebe und zunehmenden Fachkräftemangel. Ministerpräsident Kretschmer überraschte mit einem Plan, der bei der Lösung helfen kann.

Andreas Sperl, Präsident der IHK kam gleich zum Punkt: "Wir haben eine Konjunkturumfrage unter 500 Unternehmen durchgeführt - und das Ergebnis ist nicht ermutigend", sagte er. Demnach würde jedes fünfte Unternehmen wirtschaftliche Probleme beklagen. "Und wir sehen keine positiven Impulse. Der sächsischen Wirtschaft geht es nicht gut - sie muss kämpfen. Ohne Wirtschaft haben wir gar nichts", so Sperl weiter. Sie leide unter einem Fachkräftemangel. Und viele dieser Fachkräfte müssten zwangsläufig aus dem Ausland kommen. "Wir brauchen ein weltoffenes Sachsen - und eine weltoffene, tolerante Oberlausitz", mahnte er. Zusätzlich müsse die Politik ihre Entscheidungen konsequent auf die Interessen der Wirtschaft ausrichten.

Riesiges junges Arbeitskräfte-Potenzial in Ägypten

Bei Ministerpräsident Michael Kretschmer fand er damit offene Ohren. "Wir brauchen Vorfahrt für die Wirtschaft", forderte er und kritisierte, dass die (Bundes-)Politik die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen immer mehr erschwere. "Was passiert denn, wenn ich Produktionsfaktoren wie Energie oder Personal immer mehr verteuere? Es werden weniger", erklärte er und: "Wir verteuern alles und zahlen dann staatliche Subventionen - das kann nicht die Idee sein." Gleichzeitig forderte er: Die Deutschen müssen auch wieder mehr und länger arbeiten, um den Wohlstand zu halten. Dazu nannte er Zahlen: "Wir haben heute fünf Millionen mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftige als 1990 - und trotzdem ist die gesamt geleistete Arbeitszeit exakt die gleiche wie 1990", sagte er - weil eben so viele Menschen nur teilzeitbeschäftigt sein wollen. "Wir müssen mal aufhören mit so Sachen wie der 4-Tage-Woche", sagte Kretschmer - denn weniger geleistete Stunden bedeuten auch empfindlich weniger Beiträge für Renten- und Sozialversicherung.

Auch dazu, welch dramatischer Fachkräftemangel sich erst noch anbahnt, nannte Kretschmer Zahlen: "1990 hatten wir in der Region 21.000 Berufsschüler - jetzt sind es 9.000." Er führte das zurück auf jahrelang rückläufige Geburtenzahlen. "Kinder, die hier erst gar nicht geboren werden, können hier dann auch später keine Kinder bekommen", sagte er und: "Wir müssen ausländische Jugendliche zur Ausbildung hierher bekommen." Und eine Lösung, das Problem schon kurzfristig zu lindern, sieht Kretschmer am Südufer des Mittelmeers - in Ägypten.

Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden.
Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden. © Markus van Appeldorn
Staatssekretär Conrad Clemens (CDU) (l.) mit Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch.
Staatssekretär Conrad Clemens (CDU) (l.) mit Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch. © Markus van Appeldorn
Professorin Sophia Keil, Prorektorin der Hochschule Zittau/Görlitz und Rektor Professor Alexander Kratzsch.
Professorin Sophia Keil, Prorektorin der Hochschule Zittau/Görlitz und Rektor Professor Alexander Kratzsch. © Markus van Appeldorn
Franziska Schubert, Grünen-Abgeordnete im Landtag und Linke-Abgeordneter Rico Gebhardt.
Franziska Schubert, Grünen-Abgeordnete im Landtag und Linke-Abgeordneter Rico Gebhardt. © Markus van Appeldorn
Bettina Richter-Kästner von der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien und Stefan Jakschik, Inhaber und Vorstand der Löbauer ULT AG.
Bettina Richter-Kästner von der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien und Stefan Jakschik, Inhaber und Vorstand der Löbauer ULT AG. © Markus van Appeldorn

Jüngst nämlich, so erzählte Kretschmer, sei er am 23. Dezember anlässlich der Christvesper vor der Dresdner Frauenkirche dem ägyptischen Botschafter begegnet - und der habe sich überaus interessiert an Sachsen gezeigt. "Er hat mir gesagt: Wir haben in Ägypten so viele junge Menschen, die wissen, dass sie in die Welt hinaus müssen" - weil's in ihrem Heimatland eben nicht genug Arbeit für sie gibt. "Und der Botschafter hat mir vorgeschlagen, dass wir sofort ein Abkommen treffen könnten", so Kretschmer. Und der Botschafter habe ihm auch zugesagt, dass dieses Abkommen auch vorsehen würde, jemanden zurückzunehmen, sollte er tatsächlich straffällig werden.

Eine Idee, die auch bei Handwerkspräsident Jörg Dittrich auf Wohlwollen stieß. "Fachkräfte sind nötig, damit diese Region eine Zukunft hat", sagte er und appellierte auch an alle Menschen der Region, für ein sympathisches Auftreten der Region zu sorgen: "Wenn wir es nicht schaffen, ein bisschen Fröhlichkeit in die Gesellschaft zu tragen, wenn die von außen sagen, das sind doch alles Leute mit schlechter Laune da", dann werde das nicht gelingen.