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Warum in Bautzen die Suche nach einer Vier-Raum-Wohnung so schwierig ist

Familien suchen in Bautzen oft erfolglos nach einer Wohnung. Das liegt einerseits am Wohnungsmarkt, aber auch an den Ansprüchen der Suchenden.

Von Tim Ruben Weimer
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Obwohl große Wohnungen gesucht werden: Diese Vier-Raum-Wohnung auf der Reichenstraße in Bautzen bekommt Makler Jens Zuschke nicht vermietet - kein Balkon, kein Stellplatz fürs Auto und mehr als 1.200 Euro Warmmiete für 143 Quadratmeter.
Obwohl große Wohnungen gesucht werden: Diese Vier-Raum-Wohnung auf der Reichenstraße in Bautzen bekommt Makler Jens Zuschke nicht vermietet - kein Balkon, kein Stellplatz fürs Auto und mehr als 1.200 Euro Warmmiete für 143 Quadratmeter. © Steffen Unger

Bautzen. Mehr als zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis die 26-jährige Monique Ganze aus Bautzen das gefunden hat, wonach sie suchte: eine hübsche Vierraumwohnung am Bautzener Stadtrand, komplett saniert, mit Balkon, um die 80 Quadratmeter Wohnfläche für 700 Euro warm. Schon in wenigen Wochen ist es soweit, dann zieht Ganze mit ihrem Lebenspartner in die neue Wohnung, sie bringt zwei Kinder mit in den Haushalt, er zwei weitere, die aber nur zu Besuch bei ihnen sein werden. "Wir haben unsere Traumwohnung gefunden und wollen dort lange wohnen bleiben", sagt Ganze. "Wir können den Umzug kaum noch erwarten."

Fast keine bezahlbaren Vier-Raum-Wohnungen frei

Doch bis sie an die Wohnung der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft kam, hatte sie einige Hürden zu nehmen. "Ich hätte nie gedacht, dass es in Bautzen so schwer ist, eine Vierraumwohnung zu finden", sagt Monique Ganze. "Ich dachte, es gibt doch so viele Wohnungen, das wird innerhalb eines oder eines halben Jahres schon werden." Aber nichts da: Für junge Familien ist es wie schon in den Vorjahren nach wie vor schwer, in der Stadt eine große Wohnung zu finden.

Das bestätigt auch der Bautzener Immobilienmakler Jens Zuschke: "Die Stadt Bautzen hat aus meiner Sicht verschlafen, in Wohnraum zu investieren." Ihn erreiche beinahe jeden Tag die Anfrage einer Familie, die in Bautzen eine Wohnung sucht. Er verweise sie aufs Internet, notiere sich keine Namen, denn er wisse: Frei werden wird in nächster Zeit nichts.

Die Vierraumwohnungen, die in Bautzen derzeit leer stehen, seien mit Flächen von 120 bis 150 Quadratmeter für die meisten Familien nicht bezahlbar. Gesucht würden Wohnungen zwischen 75 und 90 Quadratmetern mit einer realistischen Kaltmiete von 600 bis 1.000 Euro, im Altbau könne es auch schon ab 450 Euro losgehen. Doch die gibt es derzeit so in Bautzen nicht.

Balkon, Parkplatz und großes Bad sind wichtig

Eine Suche nach Vierraumwohnungen bei Immobilienscout 24 zeigt 18 Ergebnisse. Doch Kirsten Schönherr, Geschäftsführerin der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft (BWB), sortiert akribisch aus: "75 Quadratmeter im Dachgeschoss, das wird den meisten zu klein sein. 120 Quadratmeter für 700 Euro, eine gute Wohnung, hat aber keinen Balkon. 175 Quadratmeter, das ist wieder zu groß." Sie kommt auf den ersten Blick auf sechs Wohnungen außerhalb des Plattenbaus, die zur Verfügung stehen.

"Es ist nicht so, dass in Bautzen gar nichts frei wäre", erklärt Schönherr. Allerdings seien Familien eben oft auf der Suche nach einer besonders schönen Wohnung, möglichst mit Balkon und Stellplatz fürs Auto. Und obwohl die BWB auf der Hegelstraße und auf der Flinzstraße Drei- und Vierraumwohnungen gebaut hat, auf der Paul-Neck-Straße in dem Haus, in dem es im August 2023 gebrannt hatte, bis 2026 sechs weitere fertig werden und auf der Kurt-Pchalek-Straße bis 2027 bestehende Wohnungen in Vier- und Fünfraumwohnungen umgewandelt werden, resümiert Schönherr: "Das reicht einfach nicht. Es würden viel mehr Familien nach Bautzen ziehen, wenn es hier mehr große Wohnungen gäbe." Locker 50 Vierraumwohnungen bis 1.000 Euro Kaltmiete könnte sie auf einen Schlag vermietet bekommen, mutmaßt sie, vielleicht auch 100.

Kleine Wohnungen werden zusammengelegt

Das Problem seien die Baupreise. "Ein privater Bauinvestor nimmt für eine neu gebaute Wohnung 13 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter", der Bedarf liege aber eher zwischen sechs und zehn Euro plus rund drei Euro für die Nebenkosten.

Die Bautzener Wohnungsgenossenschaften (WG) helfen sich in Einzelfällen mit der Zusammenlegung von kleineren Wohnungen. "Zu unserer Gründung vor fast 60 Jahren wurde noch klein und sparsam gebaut, daher sind unsere Wohnungen meist zwischen 65 und 68 Quadratmeter groß", berichtet Katrin Bartsch von der WG Aufbau. Die Grundrisse seien nun nicht mehr zeitgemäß, wenn beispielsweise der Zutritt ins Kinderzimmer nur durch ein anderes Zimmer hindurch möglich ist. "Es gibt natürlich Wohnungssuchende, die in solchen Wohnungen groß geworden sind. Aber wenn jüngere Leute in Eigenheimen aufgewachsen sind, reicht das für sie nicht."

Maximal 100 Vierraumwohnungen führt die WG Aufbau in Bautzen in den beiden Wohngebieten im Allende-Viertel und an der Johannes-R.-Becher-Straße. Momentan sind alle belegt.

Freie Wohnungen gehen oft unter der Hand weg

"Es ist fünf vor zwölf, wir brauchen in Bautzen Wohnraum", sagt Immobilienmakler Jens Zuschke. "Warum sollte sich jemand für das geplante Bautzener Bauforschungszentrum oder den neuen Bundeswehrstandort bewerben, wenn es hier keinen Wohnraum gibt?" Die Stadt dürfe sich nicht nur auf private Kapitalanleger und Investoren verlassen. Vielleicht könnte ja auf der ehemaligen Perfecta-Brache am Bahnhof oder auf der ehemaligen Globus-Fläche in Stiebitz attraktiver Wohnraum entstehen?

Die Stadt teilt dazu mit, sie arbeite derzeit an einem neuen Flächenentwicklungsplan. "Die Stadtverwaltung ist sich bewusst, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt als durchaus schwierig darstellt", so ein Sprecher. "Perspektivisch haben wir natürlich ein großes Interesse an der Schaffung von Wohnangeboten für junge Familien." Er verweist darauf, dass Bautzen bei einem Städtevergleich auf Platz 23 der familienfreundlichsten Mittelstädte im Bundesgebiet gelandet ist.

Doch wenn in Bautzen tatsächlich mal eine Vier-Raum-Wohnung frei wird, stehen die Chancen schlecht, dass sie es in die Vermarktung schafft. Das hat auch Monique Ganze erlebt und eine einmalige Chance genutzt: Sie erfuhr von einer Freundin ihrer Schwester von der frei werdenden Wohnung bei der BWB und hat sofort zugeschlagen. "Das war ein echter Glücksfall", sagt sie. Eine Miete von über 1.000 Euro, wie im Internet oft angeboten werde, könne sich kaum jemand leisten, der Kinder hat, so Ganze. Und doch will sie mit ihrer Geschichte anderen Wohnungssuchenden Mut machen: "Wenn man irgendwann wie bei mir denkt, man findet gar nichts mehr, wird es plötzlich doch noch was."