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Kann sich Neschwitz das Barockschloss noch leisten?

Die Neschwitzer Barockanlage mit Schloss und Park feiert 2023 ihr 300-jähriges Bestehen. Was der Gemeinde ihr Kleinod bedeutet und wie sie um dessen Erhalt ringt.

Von Uwe Menschner
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Der Neschwitzer Bürgermeister Gerd Schuster empfindet das Barockschloss mehr als Lust denn als Last und plädiert dafür, es im Gemeindebesitz zu behalten.
Der Neschwitzer Bürgermeister Gerd Schuster empfindet das Barockschloss mehr als Lust denn als Last und plädiert dafür, es im Gemeindebesitz zu behalten. © Uwe Menschner

Neschwitz. Wer träumt nicht davon, ein Schloss zu haben? Für die Gemeinde Neschwitz ist dieser Traum Realität: Sie besitzt eine weithin bekannte Schloss- und Parkanlage, die viele Besucher in die Gemeinde nördlich von Bautzen lockt. 2023 feiert die Neschwitzer Barockanlage, zu der neben Schloss und Park auch noch mehrere Pavillons gehören, ihr 300-jähriges Jubiläum. Eine liebevoll und aufwändig gestaltete Ausstellung im Heimatmuseum kündet davon. Doch was bedeutet es für eine kleine Landgemeinde wie Neschwitz, ein Schloss zu besitzen?

„Es ist Lust und Last zugleich“, bekennt Bürgermeister Gerd Schuster (CDU), während er die Tür aufschließt. Unvermittelt gelangt der Besucher in eine Umgebung, die ihn in längst vergangene Zeiten entführt: Im Barock wurde beim Bau geklotzt, nicht gekleckert. Der Große Gartensaal, der als Herzstück des Schlosses zwei Etagen umfasst, ist Pracht pur: Vom Kronleuchter mit seinen unzähligen Kristallfacetten schweift das Auge über die mit reichlich Stuck sowie mit aufwändiger, detailreicher Malerei verzierten Wände zur Fensterfront, die den Blick bis zum Blauen Tor und darüber hinaus freigibt.

Luftfeuchtigkeit setzt Wandmalerei zu

„Das heißt nicht so, weil es blau gestrichen ist“, verrät der Bürgermeister schmunzelnd, „sondern weil hinter ihm die blaue Ferne beginnt.“ Eine von zahlreichen Sichtachsen, die bei der Anlage des barocken („französischen“) Parkteils eine wichtige Rolle spielten. „Die Malerei wurde im pompejanischen Stil gestaltet, was wohl dem damaligen Zeitgeschmack entsprach“, sagt Gerd Schuster.

Nach dem ersten Blick folgt der Zweite, und der zeigt, dass die Pracht nicht makellos ist. Farbschichten sind abgeplatzt, verblichen, zeigen Spuren nachträglicher Versuche zur Retusche. „Wir nutzen den Gartensaal vielfältig, zum Beispiel für Namensweihen, Zeugnisausgaben der 4. Klassen unserer Grundschule, die Kultur- und Heimatfreunde veranstalten hier regelmäßig Konzerte. Und natürlich finden hier Eheschließungen statt“, berichtet der Neschwitzer Bürgermeister.

Erst unlängst liefen im Neschwitzer Schloss Dreharbeiten für das Sat1-Sozialexperiment „Hochzeit auf den ersten Blick“. Alles Anlässe, bei denen viele Menschen zusammenkommen und die Luftfeuchtigkeit in die Höhe treiben. Und genau das setzt den Wandmalereien zu. „Es hat schon Versuche der Ausbesserung gegeben, aber die gingen gründlich schief“, schätzt Gerd Schuster ein. Generell gebe es zwei Meinungen: „Die Einen wollen alles so belassen, wie es ist, die Anderen drängen auf eine Restaurierung.“

Gemeinde ist zum Denkmalschutz verpflichtet

Unterschiedliche Meinungen gibt es auch zur Frage, ob sich Neschwitz als kleine Landgemeinde Schloss und Park überhaupt noch leisten kann. Erst unlängst kamen dazu im Gemeinderat wieder Diskussionen auf, die sich an Pflegearbeiten im Park entzündet hatten. „Tatsächlich verlangt uns die Pflege und Instandsetzung viel ab“, bekennt Schuster und benennt ein Dilemma: „Einerseits gilt dies als freiwillige Leistung, für die wir die Mittel selbst erwirtschaften müssen. Andererseits verpflichtet uns aber das Denkmalschutzgesetz, unser historisch wertvolles Eigentum zu erhalten.“

Er selbst, so Schuster, hält Forderungen, das Schloss und die Parkanlage zu verkaufen, für „zu kurz gedacht. Man muss auch beachten, was Park und Schloss für die Gemeinde Neschwitz bedeuten, wie viel bürgerschaftliches Engagement hier bereits hineingeflossen ist, auch schon zu DDR-Zeiten.“ Der Investitionsbedarf reicht dabei weit über die laufenden Instandsetzungen hinaus: „Es gibt einen großen Sanierungsrückstau am Dach, an Fenstern und Türen und an den Parkettfußböden“, zählt der Bürgermeister auf.

Neschwitzer Schloss wird vielseitig genutzt

Ohne Unterstützung sei die Gemeinde Neschwitz jedoch nicht in der Lage, dies zu leisten. So setzt Gerd Schuster seine Hoffnungen auf den Europäischen Parkverbund Lausitz, in dem Neschwitz Mitglied ist. „Wir können dort gemeinsam mit einem polnischen Partner Fördermittel beantragen, die nächste Periode beginnt 2024.“

Freilich ist das Schloss, das Friedrich Ludwig von Württemberg-Teck und Ursula Katharina Reichsfürstin von Teschen ab 1723 als Sommerresidenz nutzten und das sich daher nicht beheizen lässt, weit mehr als nur der Gartensaal. In den seitlichen Nebenräumen befindet sich unter anderem die Ausstellung über die langjährige Besitzerfamilie von Vietinghoff-Riesch, deren Abkömmling Arnold Freiherr von Vietinghoff-Riesch (1895 bis 1962) die bis heute wirkende Tradition des Vogelschutzes in Neschwitz begründete.

Einen Raum nutzen die Neschwitzer ABC-Grundschule und die Kindertagesstätte für regelmäßig wechselnde Ausstellungen. Im Obergeschoss befindet sich die von den Kultur- und Heimatfreunden betriebene Kleine Galerie. „Das alles würde zur Disposition stehen, wenn wir das Schloss verkaufen“, gibt Bürgermeister Schuster zu bedenken. Und selbst die Frage, ob Schloss und Park dann frei zugänglich bleiben würden, würde sich stellen. Das Neschwitzer Schloss – für den Bürgermeister der Gemeinde ist es Last und Lust zugleich, aber letzten Endes doch etwas mehr Lust als Last. Und so lange das auch die Mehrheit der Bürger so empfindet, wird es das wohl auch bleiben.