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Wut an der A4: Das trieb die Bauern im Landkreis Bautzen auf die Straße

Mit starken Traktoren und Fahrzeugkolonnen zeigen Landwirte, Spediteure und Handwerker am Montag ihre Kritik an den Sparplänen der Regierung. Und sie machen weiter.

Von Ulli Schönbach & Miriam Schönbach & Siri Rokosch & Torsten Hilscher
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An vielen Stellen im Landkreis Bautzen protestieren am Montag Bauern, unterstützt von Spediteuren und Bauunternehmern, so wie hier an der A4-Auffahrt in Burkau.
An vielen Stellen im Landkreis Bautzen protestieren am Montag Bauern, unterstützt von Spediteuren und Bauunternehmern, so wie hier an der A4-Auffahrt in Burkau. © Steffen Unger

Burkau, Bautzen, Fischbach. Zarte Schneeflocken rieseln vom Himmel. Das Thermometer zeigt minus neun Grad Celsius. Christian Ahrens stapft gegen 7.30 Uhr zwischen den Traktoren, Zugmaschinen und Lkw an den A4-Auffahrten in Burkau entlang. Die Hände gräbt der Landwirt aus dem Großharthauer Ortsteil Schmiedefeld in die Taschen, den Kopf schützt eine Mütze gegen die Kälte. Unzählige seiner Kollegen sowie Bauunternehmer und Spediteure sind am Morgen des 8. Januar 2024 ab 5 Uhr zur Demonstration gegen die Sparpläne des Bundesregierung an die Autobahn A4 gekommen. Die Polizei sichert den Verkehr – wie an allen Protest-Treffpunkten.

Christan Ahrens schaut in die fast friedvolle Runde seiner Kollegen und Mitdemonstranten. Einige stehen an einer Feuerschale, andere holen sich in einem Zelt eine heiße Bockwurst mit Brötchen. Kaffee dampft in Bechern. Ihre mitgebachten Banner und Plakaten aber sind eine Kampfansage. „Der Kipppunkt ist erreicht. Gemeinsam gegen die Ampel“ steht auf einem Transparent. „Diese Politik ruiniert nicht nur die Landwirtschaft“ mahnt ein anderes. „Der Markt versagt – Konzerne profitieren – Bauern verlieren“ drückt die Wut der Demonstranten aus.

Bauern fordern Rücknahme der Streichpläne

Wut fühlt auch Christan Ahrens. Der 49-Jährige bewirtschaftet im Großharthauer Ortsteil Schmiedefeld einen konventionellen Ferkelerzeuger- und Schweinemastbetrieb mit einer Fläche von 200 Hektar. Zusätzlich hat er 50 Hektar Bio-Fläche. „Ich bin heute seit 3 Uhr auf den Beinen. Wer Tiere hat, muss sich kümmern. Kurz vor vier haben wir 20 Schweine zur Schlachtung verladen, danach bin ich los“, sagt er. Schon am 21. Dezember 2023 hat er den Protest des Vereins „Land Schafft Verbindung Sachsen“ gegen die Politik der Bundesregierung mit organisiert. Sie hatte angekündigt, den Bauern die von ihnen gezahlte Agrardieselsteuer nicht länger anteilsweise zurückzuerstatten.

Der Protest ist gut organisiert. Weil am Montag deutliche Minusgrade herrschen, gibt es für die Teilnehmer verschiedene Möglichkeiten, sich aufzuwärmen.
Der Protest ist gut organisiert. Weil am Montag deutliche Minusgrade herrschen, gibt es für die Teilnehmer verschiedene Möglichkeiten, sich aufzuwärmen. © Steffen Unger

Nach ersten Protestaktionen Ende 2023 hatte die Ampelregierung versprochen, es solle keine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung geben, und die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel werde nicht in einem Schritt vollzogen. Den Bauern geht das nicht weit genug. An ihrem zweiten Protesttag sind auch Banner vom Deutschen Bauernverband zu sehen. „Wir sind hier, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen“, sagt Ahrens. Man verlange die vollständige Rücknahme der Streichpläne, da die deutsche Landwirtschaft sonst im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig sei.

Der Landwirt hat die Zahlen parat: Jeder sechste bis siebente Arbeitsplatz in Deutschland hänge an der Landwirtschaft, zum Beispiel im Transport- und Baugewerbe. Deshalb freue man sich über die Solidarität von Handwerkern und Fuhrbetrieben an diesem Tag. Einer dieser Unterstützer ist Tony Neumeister. Der Bauunternehmer aus Burkau ist mit seinem Team vor Ort. „Wenn es den Bauern schlecht geht, geht es auch uns schlecht. Etwa die Hälfte unseres Jahresumsatzes machen wir mit forstwirtschaftlichem und landwirtschaftlichem Bau“, sagt der 33-Jährige.

Weitere Proteste in Dresden und Berlin angekündigt

Einer seiner Auftraggeber ist Johann Steglich, Geschäftsführer der Burkauer Agrar GmbH. 2023 hat er die Vorplätze für die Siloanlage bauen lassen. Aktuell will und kann der Agrarökonom nicht an Investitionen denken. „Ich habe eher das Gefühl, dass alles darangesetzt wird, dass wir abgeschafft werden“, sagt er.

700 dieser Rinder stehen im Stall der Agrargenossenschaft, 22 Mitarbeiter kümmern sich um den Betrieb. „Wir sind 365 Tage im Jahr auf den Beinen, egal ob bei minus zehn Grad oder großer Hitze“, sagt er. Mit seinem Trecker war er schon in Berlin und dorthin will er am 15. Januar 2024 wieder fahren, um die Verantwortlichen für Agrarpolitik zu treffen. Viele der Demonstranten werden darüber hinaus schon am 10. Januar nach Dresden rollen.

Doch auch am Protestmontag wälzt sich bereits ein kilometerlanger Demo-Zug über die B6 bei Arnsdorf in Richtung Dresden. Mit Tempo 30 sind unzählige Landmaschinen, private Autos und Firmenwagen aus den Kreisen Görlitz und Bautzen unterwegs. Darüber hinaus haben Landwirte mehrere Verkehrskreisel im Kreis Bautzen „besetzt“, wie den B6-Kreisel in Fischbach. Dort rotieren seit 6 Uhr 20 Landmaschinen.

„Wir demonstrieren unter anderem gegen die geplante Streichung der Subventionierung von Agrardiesel. Das würde große Betriebe mit schnell mal 10.000 Euro pro Jahr belasten“, sagt Ordner Fred Würzner. Auch einigen Bundes- und Kreisstraßen sind von den Protesten betroffen.

Große Zugmaschinen standen an den Autobahn-Auffahrten im Kreis Bautzen - wie hier in Burkau. Der Verkehr wurde zwar behindert oder kurz unterbrochen, zu dauerhaften Blockaden kam es laut Polizei jedoch nicht.
Große Zugmaschinen standen an den Autobahn-Auffahrten im Kreis Bautzen - wie hier in Burkau. Der Verkehr wurde zwar behindert oder kurz unterbrochen, zu dauerhaften Blockaden kam es laut Polizei jedoch nicht. © Steffen Unger

An den A4-Auffahrten in Ottendorf-Okrilla Richtung Dresden und Bautzen stehen etwa 50 Bauern aus dem Rödertal. Sie forderten von der Bundesregierung "endlich wahrgenommen" zu werden. "Seit vier Jahren versuchen wir, mit der Politik ins Gespräch zu kommen, aber das bringt nichts. Sie ignoriert unsere Forderungen", sagt Marco Birnstengel vom Verein "Land schafft Verbindung Sachsen".

Organisatoren setzen Deeskalationsbeauftragten ein

Nach Schätzungen der Organisatoren sind an diesem 8. Januar 2024 gut 1.000 Fahrzeuge auf den Straßen im Kreis Bautzen im Protest. Die Polizei spricht von "in der Spitze etwa 2.000 Traktoren, Lkw und Pkw zeitgleich in den Kreisen Bautzen und Görlitz". Die meisten Autofahrer nehmen die Behinderungen gelassen. Christian Ahrens spricht von Entschleunigung statt Blockade. In dem über alle sozialen Netzwerk verbreiteten „Bauernkodex“ heißt es unter anderem: „Medizinische Versorgung und Gefahrensituationen haben Vorrang“ und auch „Demo-Symbolik wie Galgen, schwarze Fahnen oder andere Symbole extremistischer Gruppen lehnen wir entschieden ab.“

Der Verkehr wird zwar behindert oder kurz unterbrochen. Zu dauerhaften Blockaden kommt es laut Polizei jedoch nicht. Die Abfahrt von der Autobahn ist immer möglich. Für knifflige Situationen haben die Organisatoren einen Deeskalationsbeauftragten abgestellt, auch das Kreisordnungsamt ist vor Ort. Eigentlich wollen die Landwirte und ihre Unterstützer bis 17 Uhr an den Autobahnauffahrten ausharren. Gegen Mittag wird dann die Information verbreitet, dass die Proteste ab 15 Uhr eingestellt werden, um den Feierabendverkehr zu entlasten.

Polizei bewertet Proteste als friedlich

Zwischendurch gibt es nur einzelne Zwischenfälle. So sperrten beispielsweise kurz vor 7 Uhr zwei Demonstranten in Bautzen die B156 im Bereich des Spreehotels mit ihren Traktoren ab. Aufgrund der starken Behinderung des Berufsverkehrs nahm die Polizei Kontakt zu den Männern im Alter von 23 und 51 Jahren auf. "Diese zeigten sich uneinsichtig. Zudem hatte der Jüngere nicht die erforderliche Fahrerlaubnisklasse, um einen Traktor zu führen", berichtet Polizeisprecherin Anja Leuschner. Die Beamten beendeten die Blockade der beiden Deutschen und erstatteten Anzeige wegen Nötigung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Insgesamt bewertet die Polizeidirektion Görlitz die Proteste als friedlich. "Die Versammlungsteilnehmer zeigten sich überwiegend kooperativ. Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs waren unvermeidbar, konnten durch Maßnahmen der Polizei aber abgemildert werden", informiert Polizeisprecherin Anja Leuschner am Montagnachmittag.