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„Bei uns im ländlichen Raum ist es fünf vor zwölf“

Harthas Bürgermeister Ronald Kunze im Sächsische.de-Interview über Fördermittel-Ärgernisse, die Corona-Pandemie und die Pläne für 2021.

Von Erik-Holm Langhof
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Harthas Bürgermeister Ronald Kunze (parteilos) ärgert sich über die Investitionspolitik von Bund und Land.
Harthas Bürgermeister Ronald Kunze (parteilos) ärgert sich über die Investitionspolitik von Bund und Land. © Lars Halbauer

Hartha. Das Corona-Jahr 2020 war für alle Kommunen in Deutschland schwierig. Auch Hartha hat es in den vergangenen Monaten etwas mehr getroffen, als noch im Frühjahr. Ein Grund hierfür ist die alternde Bevölkerung in der Stadt, die auch zur Verringerung der Einwohnerzahl führt. Zwei Probleme, die Bürgermeister Ronald Kunze (parteilos) in 2021 angehen will, wie er im Interview verrät.

Herr Kunze, 2020 war allgemein durch das Coronavirus ein schwieriges Jahr. Wie geht es Ihnen jetzt? Und waren sie selbst infiziert?

Danke der Nachfrage, mir geht es gut. Glücklicherweise habe ich mich bisher nicht angesteckt. Ein Familienmitglied, das nicht mit mir in einem Haushalt lebt, war betroffen, hat jedoch alles gut überstanden.

Meine Gedanken sind immer bei den Familien und Menschen, die hier leben und betroffen sind. Wir können ihnen nur wünschen, dass sie alles gut überstehen.

Wie schätzen Sie aus Sicht der Verwaltung das vergangene Jahr ein? Gab es trotz der Pandemie einige Höhepunkte?

Das Jahr 2020 hat in Hartha, wie sicherlich in jeder anderen Kommune auch, Pläne verändert. Im Frühjahr haben wir Günter Schlegel für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement im Bereich der Stadtentwicklung ehren dürfen sowie Stefan Fichtner als Traditionsunternehmer, der seit 2018 auch Partner der Feuerwehr ist.

Ebenso konnte der Hort in der Pestalozzi-Grundschule nach Fertigstellung des Neubaus im Frühjahr eröffnet werden und viele Kinder die neuen Räumlichkeiten mit großer Freude zum ersten Mal nutzen.

Im Mai des vergangenen Jahres gab das Sächsische Staatsministerium für regionale Entwicklung die Sieger des Ideenwettbewerbes „Simul+“ bekannt. Die Projektpartner, hier die Pestalozzi-Oberschule, das Martin-Luther-Gymnasium und die Stadtverwaltung Hartha konnten sich gemeinsam mit dem Kurt-Schwabe-Institut aus Meinsberg über eine Fördersumme in Höhe von 300.000 Euro für das Projekt „Schule und Forschung regional vernetzt“ freuen.

Monika Koch, als Harthaer Apothekerin, hat im Sommer das Bundesverdienstkreuz für ihr langjähriges Engagement im Bundes-Apothekerverband in Empfang nehmen dürfen.

"Ländlicher Raum nicht besser in den Fokus genommen"

Und wie sieht es in der zweiten Jahreshälfte aus?

Im Herbst erhielten wir als erste Kommune im Landkreis Mittelsachsen für den Breitbandausbau eine Bundesförderung in Höhe von 4,94 Millionen Euro. Gefreut hat mich auch die Investitionsentscheidung der Firma Kurt Kipping Spedition, die sich für eine Erweiterung des bestehenden Unternehmens im Gewerbegebiet West entschieden hat.

Hervorzuheben ist auch die, meines Wissens nach, größte Investition im Wohnungsbau durch die Wohnungsgenossenschaft Kontakt aus Leipzig hier in Hartha in der Döbelner Straße. Der gesamte Block wird neu gestaltet. Das zeigt auch, dass man hier das Vertrauen in die Stadt und die Infrastruktur setzt, die zwar noch nicht perfekt ist, aber dem Namen „die Stadt der kurzen Wege“ gerecht wird.

Wie sieht es bei den negativen Sachen 2020 aus? Was hat sie besonders geärgert?

Als „besonders geärgert“ würde ich es nicht bezeichnen. „Nicht erfreut“ trifft es eher. An erster Stelle muss ich hier die Feuerwehr in Gersdorf nennen, die nach wie vor kein ordentliches Gerätehaus hat. Dort haben wir absoluten Nachholbedarf. Im Bereich des Straßenbaus sieht es genauso aus.

Ohne Fördermittel, die zurzeit nicht zur Verfügung stehen, ist es unserer Stadt derzeit nicht möglich, die so dringend notwendige Sanierung einiger Straßen in Angriff zu nehmen. Noch immer werden nach der Investitionspolitik des Bundes und Landes Ballungsgebiete teilweise mehr als die ländliche Region gefördert. Das ist auch ein allgemeines Problem im Freistaat.

Was für ein Problem konkret?

Dass der ländliche Raum nicht besser in den Fokus genommen wird. Das enttäuscht mich. Ich sage immer wieder: Es wird höchstwahrscheinlich nie ein großer Betrieb nach Hartha kommen, aber nach Döbeln, Grimma, nach Mittweida. Und von solchen Ansiedlungen partizipieren wir hier dann auch. Wir haben den Leerstand und wir haben die Infrastruktur.

Wir müssen alles unterhalten, aber auf der anderen Seite besiedeln und zersiedeln wir in den Großstädten neue Gebiete. Und das ist etwas, was für mich noch völlig in die falsche Richtung läuft. Ich setze große Hoffnung in unseren Regionalminister Thomas Schmidt (CDU), der dafür auch immer ein offenes Ohr hat. Ich hoffe, dass er mehr Gehör findet. Bei uns im ländlichen Raum ist es fünf vor zwölf.

Einzelhandelskonzept noch laufendes Verfahren

Die Stadt Hartha ist auch 2020 wieder kleiner geworden, zumindest um einen kleinen Teil. Was wollen sie, was will die Verwaltung dafür tun, dass wieder mehr Menschen nach Hartha kommen?

Die Stadtverwaltung, der Stadtrat, engagierte Vereine sowie Bürgerinnen und Bürger versuchen gemeinsam, unsere Stadt attraktiver zu gestalten. Durch angedachte Investitionen in verschiedenen Bereichen kann uns das gelingen. Junge Familien haben in Hartha die Möglichkeit, ihrem Kind über den Kindergarten, die Grundschule bis hin zu der weiterführenden Schule das Lernen zu ermöglichen.

Auch den Sport wollen wir ansprechender gestalten. Gerade junge Menschen ist die Qualität der Trainingsbedingungen sehr wichtig. Dazu zählt zum Beispiel auch der Bau einer Tartanbahn für unseren Leichtathletikverein.

Dort, an solchen Stellschrauben, wollen wir noch drehen und die Innenstadt noch ein wenig mehr in den Fokus rücken. Außerdem brauchen wir eine Strategie für die alten Häuser, die dort stehen. Nicht zuletzt wollen wir jedoch auch nach Möglichkeiten suchen, um neues Bauland zu schaffen.

Im Frühjahr 2020 gab es die Aufstellung eines Einzelhandelskonzepts für die Harthaer Innenstadt. Hartha hatte dort große Sorge bezüglich des Drogeriemarktes geäußert, da das Konzept nur funktionieren würde, wenn Leisnig keine Drogerie bekommen würde. Kommt nun eine Drogerie nach Hartha? Und haben Sie sich mit Leisnig geeinigt?

Da es sich derzeit um ein laufendes Verfahren handelt, kann ich Ihre Frage, ob eine Drogerie in unsere Stadt kommt, weder bejahen, noch verneinen. Eine Baugenehmigung für einen Drogeriemarkt neben Edeka liegt vor. Gemeinsamen mit unseren Stadträten bin ich im Gespräch, um den Einzelhandel für Hartha zukunftsfähiger zu gestalten.

Hartha soll nach dem Willen von Bürgermeister Kunze in den kommenden Jahren noch mehr Leute anziehen. Die Verwaltung und der Stadtrat besprechen die Möglichkeiten.
Hartha soll nach dem Willen von Bürgermeister Kunze in den kommenden Jahren noch mehr Leute anziehen. Die Verwaltung und der Stadtrat besprechen die Möglichkeiten. © Archiv/Dietmar Thomas

Hartha ist seit einigen Wochen einer der Corona-Hotspots in Mittelsachsen. Können Sie sich das erklären? Und wenn ja, wie?

Jede Grippewelle kommt irgendwann auch in die Region. Wir hatten das Glück, über mehrere Monate verschont worden zu sein. Jetzt hingegen ist das Coronavirus richtig angekommen.

Da unter anderem durch die drei Pflegeeinrichtungen mit je 80 Betten in unserer Gemeinde das durchschnittliche Alter unserer Bürgerinnen und Bürger hoch ist und Ältere nun mal auch einen anderen Lebensrhythmus haben, bei dem sie zum Teil Hilfe brauchen, so kann ich mir dies nur dadurch erklären. Und die knapp 200 Beschäftigten in den Pflege- und Altenheimen sind ebenfalls eine Risikogruppe, die es treffen kann.