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Mord in Dresden: Initiative für Gedenkort

An die Messerattacke eines Islamisten gegen ein Männerpaar soll künftig dauerhaft erinnert werden. Diese Idee findet mehrere Unterstützer.

Von Mirko Jakubowsky & Karin Schlottmann & Alexander Schneider & Christoph Springer
 25 Min.
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Blumen und Kerzen erinnern an Bluttat im Zentrum der Stadt.
Blumen und Kerzen erinnern an Bluttat im Zentrum der Stadt. © Archiv/Sebastian Kahnert/dpa

Dauerhafte Erinnerung am Tatort

Update Dienstag, 17. November 15.20 Uhr: Am Tatort der Messerattacke vom 4. Oktober, nach der ein Mann aus Krefeld gestorben ist, soll ein Gedenkort eingerichtet werden. Diese Idee hatte der Christopher Street Day-Verein der Stadt. In wenigen Tagen gibt es einen Gesprächstermin dafür. Nicht nur der Verein, auch mehrere weitere Unterstützer, darunter die Dresdner FDP, finden die Idee gut. Die Partei hat dazu einen Antrag vorbereitet, der im Stadtrat behandelt werden soll. "Der von uns erarbeitete Stadtratsantrag beauftragt den Oberbürgermeister, in Abstimmung mit den Hinterbliebenen von Thomas L. ein Konzept für einen solchen Erinnerungsort zu entwickeln, der uns nicht nur an den Anschlag erinnert, sondern auch mahnt, dass die Werte, für die wir einstehen, verteidigt werden müssen", sagt der kulturpolitische Sprecher der Fraktion Holger Hase.

Wie der Gedenkort gestaltet sein könnte und wer die Initiative außerdem unterstützt, lesen Sie hier (SZ+).

Update Mittwoch, 11. November 10.30 Uhr: Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat einen neuen Haftbefehl gegen Abdullah A.H.H. erwirkt. Der Syrer wurde dafür am 10. November einem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt. Gegen ihn besteht der dringende Tatverdacht des Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Die neue Entscheidung ersetzt den Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 21. Oktober.

Diese Entscheidung war nötig, weil die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Mann übernommen hat. Abdullah A.H.H. habe aus einer "radikal-islamistischen Gesinnung heraus" gehandelt, heißt es in einer Erklärung aus Karlsruhe zu dem neuen Haftbefehl. Die zwei Tatopfer seien für ihn Repräsentanten einer ungläubigen freiheitlichen Gesellschaft gewesen, die er ablehnt.

Update Donnerstag, 29. Oktober, 18 Uhr: Am Donnerstag wurde ebenfalls bekannt, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland bereits im August 2019 eine Warnung von einem ausländischen Nachrichtendienst erhalten haben. Der Bundesnachrichtendienst habe die Information nicht nach Sachsen weitergeleitet, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag.

Die Bundesregierung habe den Fehler eingeräumt. Allerdings waren Landeskriminalamt und Verfassungsschutz die Gefährlichkeit des mutmaßlichen Täters 2019 schon länger bekannt.

Sie hatten den vorbestraften Syrer als islamistischen Gefährder eingestuft und ihn überwacht. Weder Gefährderansprache noch Meldeauflagen und Kontaktverbote haben die tödliche Messerattacke in der Dresdner Innenstadt aber letztlich verhindert.

Update Donnerstag, 29. Oktober, 10 Uhr: Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) hat sich nach der Messerattacke in Dresden mit einem kritischen Statement gegenüber den sächsischen Behörden an die Öffentlichkeit gewandt.

Es sei "vollkommen unverständlich, warum die islamistischen Einstellungen des Täters und die mutmaßlich homosexuellenfeindliche Motivation der Tat über Wochen verschwiegen und erst nach Zeitungsrecherchen bekannt wurden", heißt es in der Mitteilung.

Die Aussage des Dresdner Oberstaatsanwaltes Jürgen Schmidt, man äußere sich "zur sexuellen Orientierung von Tatopfern nicht", ließe den Verdacht aufkommen, man sei "in puncto Homophobie mit Blindheit geschlagen".

Der Verband warnt davor, Extremismus bewusst nicht zu thematisieren. "Den islamistischen Terror wie auch den rechtsradikalen Terror werden wir nicht überwinden, indem wir ihn beschweigen und bagatellisieren. Wir müssen dem religiösen Extremismus ebenso wie dem Rechtsextremismus entschieden entgegentreten", so die Verfasser.

Das LKA Sachsen und das Landesamt für Verfassungsschutz stehen seit Bekanntwerden von Details hart in der Kritik. Ihnen wird zum einen vorgeworfen, den Täter nicht ausreichend observiert zu haben, aber auch zu lange Hintergrundinformationen verschwiegen zu haben.

Bis heute gibt es keine offizielle Bestätigung dafür, dass es sich bei den Opfern höchstwahrscheinlich um ein homosexuelles Paar gehandelt hat. Nur Medienrecherchen hatten entsprechende Hinweise ergeben.

Deshalb fordert auch der LSVD Sachsen am Donnerstag, "ein mögliches homosexuellenfeindlich motiviertes Attentat des Islamisten" in die Ermittlungen einzubeziehen. Die Behörden müssten für solche Taten sensibilisiert werden.

"Ebenso braucht es zielgenaue Konzepte zur Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie zur ausreichenden Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen", sagt Vorstand Tom Haus.

Update Montag, 26. Oktober, 12 Uhr: Mehrere Organisationen und Einzelpersonen haben am Wochenende ihr Mitgefühl mit den Opfern der Dresdner Messerattacke ausgedrückt, indem sie Kränze und Blumen am Tatort abgestellt haben.

Dazu gehörten unter anderem Vertreter der CDU und der FDP, die am Sonntag nach einer Kundgebung auf dem Altmarkt zum Ort des Angriffs an der Ecke Schloßstraße/Rosmaringasse gingen. "Gewalt und Hass dürfen in unser Gesellschaft niemals obsiegen. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen", erklärte dazu der FDP-Kreisvorsitzende Holger Hase im Internet.

Nicht alle sind offenbar einverstanden mit dieser Art des Gedenkens oder denen, die dort Kränze und Blumen niedergelegt haben. Am Dienstag berichtet die Polizei auf Nachfrage der SZ, in der Nacht zum Sonntag hätten Unbekannte einen Kranz beschädigt. Die AfD behauptet, das sei ihr Kranz gewesen.

Der Integrations- und Ausländerbeirat der Stadt kündigt an, am Donnerstag einen Kranz am Tatort niederlegen zu wollen. „Wir wollen ein Zeichen tiefster Betroffenheit senden“, sagt Viktor Vince, der Beiratsvorsitzende. Mit dieser Tat habe der Terror die Landeshauptstadt erreicht, solche Angriffe attackierten "unsere gesamte Gesellschaft und die grundlegenden Werte unseres Zusammenlebens". Vince weiter: "Unsere Gesellschaft darf keine Beißhemmung gegen die Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben.“

Update Sonnabend, 24. Oktober, 7.15 Uhr: Der mutmaßliche Messerangreifer aus Dresden soll Ende 2017 vergeblich versucht haben, zu einer Schwester in die Türkei auszureisen. Wie aus internen Dokumenten hervorgeht, wollten die deutschen Behörden dem jungen Mann aus Syrien, der kurz zuvor als islamistischer Gefährder eingestuft worden war und damals in Untersuchungshaft saß, bei seiner Ausreise auch gerne behilflich sein. Als Gefährder bezeichnet die Polizei Menschen, denen sie schwere politisch motivierte Straftaten zutraut, etwa einen Terroranschlag.