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Dresden: Am Waldschlößchen blitzt’s jetzt öfter

Die Blitzsaison auf der Brücke beginnt. Nachts gilt wieder Tempo 30. Wie das die Kleine Hufeisennase schützt und was bisher das höchste Bußgeld war.

Von Peter Hilbert
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Nach Einbruch der Dunkelheit müssen Kraftfahrer auf der Waldschlößchenbrücke in Dresden jetzt bremsen.
Nach Einbruch der Dunkelheit müssen Kraftfahrer auf der Waldschlößchenbrücke in Dresden jetzt bremsen. © (c) Christian Juppe

Dresden. Kraftfahrer müssen auf der Waldschlößchenbrücke jetzt vor allem nachts noch besser aufpassen. Denn ab 1. April darf im jetzt beginnenden Sommerhalbjahr nur noch 30 Stundenkilometer gefahren werden. Damit sollen vor allem Gefahren für die seltene Fledermausart Kleine Hufeisennase, genannt Hufi, abgewehrt werden.

Das Limit: Ab 19 Uhr Tempo 30

Das Tempolimit wird von zwei Hightech-Blitzern überwacht. Im April gilt die Beschränkung von 19 bis 7 Uhr, zwischen Mai und Juni von 20 bis 6 Uhr, im August und September von 19 bis 6 Uhr und im Oktober in der Zeit von 18 bis 7 Uhr.

Der Ursprung: Gericht legt Beschränkung fest

Bereits vor dem Bau wurde das Tempolimit festgelegt. Die Geschwindigkeitsbegrenzung resultierte aus Auflagen des Oberverwaltungsgerichts Bautzen (OVG) von 2007. Naturschutzverbände hatten gegen den Baustart mobilgemacht. Zwar hob das Gericht mit dem Urteil vom 14. November 2007 den Baustopp auf und machte somit den Weg für den Brückenbau frei. In der Brücke sahen die Richter auch keine Gefahr für die Kleine Hufeisennase. Doch um sie zu schützen verpflichtete das Gericht die Stadt zu Nachbesserungen und legte ein Tempolimit fest.

Fachleute gehen davon aus, dass diese Fledermäuse das Dresdner Elbtal als Transferroute nutzen. Sie fliegen zwar im Normalfall unter einer Brücke hindurch. Dafür wurden beiderseits der Elbe autobahnbreite, 350 Meter lange Strauchreihen angelegt. Sie sind sehr gut gewachsen und wurden mittlerweile schon wieder beschnitten. Falls die Hufeisennasen jedoch in den Verkehr auf der Brücke geraten sollten, könnten sie beim vorgeschriebenen Tempo 30 wegen ihrer extrem kurzen Reaktionszeit ausweichen.

Der Verkehr: Beim Lockdown viel weniger Autos

Nach der Eröffnung wurde die Waldschlößchenbrücke immer mehr genutzt. Rollten nach der Eröffnung im September 2013 noch rund 24.000 Autos täglich darüber, so waren es bis zu 37.500, nachdem im November 2019 die Sanierung der Carolabrücke begonnen hatte. Als die benachbarte Albertbrücke saniert wurde, wurden in Spitzenzeiten sogar über 39.000 Autos am Tag gezählt.

Ganz deutlich zeigte sich auch der Lockdown während der Corona-Krise auf der Waldschlößchenbrücke. Zum Auftakt fuhren vom 23. März bis 3. Mai 2020 knapp 27.000 Autos täglich über die Brücke, also fast 10.000 weniger als zu normalen Zeiten. Im Sommer vergangenen Jahres waren es dann wieder rund 35.000. Im jüngsten Lockdown pegelt sich der Verkehr wieder auf täglich etwa 28.000 Autos ein.

Die Einnahmen: Bisher 4,2 Millionen eingeblitzt

Seit der Brückeneröffnung im August 2013 bis Ende Februar dieses Jahres wurden 131.069 Fahrzeuge geblitzt, teilt das Ordnungsamt mit. Davon fuhr der größte Teil in Richtung Altstadt. Schließlich kommen die Autos bergab aus dem Tunnel der Waldschlößchenbrücke. Nach der Eröffnung gab es sogar noch die Jagd nach dem besten Blitzerfoto.

Nachdem die erste Welle vorbei war, stieg die Zahl der Verstöße 2015 und 2016 wieder an und erreichte 2017 mit rund 23.000 ihren Höhepunkt. Im vergangenen Jahr wurden 12.022 Autos geblitzt, dieses Jahr bis Ende Februar 400.

Der Schnellste fuhr im Oktober 2018 nach Abzug der Toleranz 117 Stundenkilometer, 87 km/h schneller als erlaubt. Der Mazda fuhr nachts aus dem Neustädter Tunnel in Richtung Johannstadt, als der Blitz aufleuchtete. Die Quittung: 680 Euro Geldbuße, drei Monate Fahrverbot und drei Punkte in Flensburg.

Das Aufstellen der rund 160.000 Euro teuren Hightech-Blitzer zahlt sich für die Stadt aus. Seit der Brückeneröffnung wurden schon knapp 4,2 Millionen Euro Verwarn- und Bußgelder eingenommen.

Der Hauptakteur: Fledermäuse im Schloss Albrechtsberg

Kleine Hufeisennasen gibt es auch im Umfeld der Brücke. Das hatte der Dresdner Fledermausexperte Thomas Frank der SZ erklärt. Sie leben beispielsweise einen knappen Kilometer entfernt im Schloss Albrechtsberg. Am Weißen Hirsch halten sie in unterirdischen Stollen und früheren Eiskellern ihren Winterschlaf. Wochenstuben sind in Pillnitzer Gebäuden in Waldnähe. Dort ziehen die Weibchen ihre Jungen mit Muttermilch auf, bis sie nach etwa zwei Monaten selbst fliegen können.

Diese Feldermausautobahn aus Weidensträuchern soll die Fledermäuse sicher unter der Waldschlößchenbrücke hindurch leiten. Eine Hälfte davon wurde 2019 bereits beschnitten. Die andere Hälfte kommt nächstes Jahr an die Reihe.
Diese Feldermausautobahn aus Weidensträuchern soll die Fledermäuse sicher unter der Waldschlößchenbrücke hindurch leiten. Eine Hälfte davon wurde 2019 bereits beschnitten. Die andere Hälfte kommt nächstes Jahr an die Reihe. © Christian Juppe

Ein Hauptvorkommen der Kleinen Hufeisennase ist im bewaldeten Gebiet südlich von Pirna bis zur tschechischen Grenze. Große Vorkommen gibt es auch im Meißner Triebischtal. Sie leben zudem in Niederwartha. Die Tiere kennen sich und wechseln auch zwischen diesen Gebieten.

Die Gefahr: Luftwirbel kann Hufi erfassen

Kleine Hufeisennasen fliegen sehr flach, etwa in Kniehöhe. So können sie auf Freiflächen nicht von jagenden Eulen erfasst werden. Je höher die Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf der Brücke, umso höher auch das Risiko von Zusammenstößen, hatte Experte Frank erklärt. Fledermäuse würden von Luftwirbeln erfasst, die sie ans Auto schleudern. Bei niedrigerem Tempo sind auch die Wirbel nicht so stark.

Die Entscheidung: Kann das Tempolimit noch kippen?

Das Tempolimit wird derzeit mit geprüft, da das Bundesverwaltungsgericht im Juli 2016 die Baugenehmigung für die Brücke gekippt hat. Nachgeholt werden musste die Umweltverträglichkeitsprüfung nach den strengen EU-Richtlinien für Flora-Fauna-Habitate. Dabei wird mit geprüft, ob das nächtliche Tempo-30-Limit im Sommerhalbjahr beibehalten wird oder nicht.

"Die Unterlagen mit einem Umfang von zirka 1.300 Seiten sind erstellt und wurden im Straßen- und Tiefbauamt geprüft", erklärt Amtsleiterin Simone Prüfer. Die umweltfachlichen Prüfungen sind abgeschlossen. Derzeit arbeitet das beauftrage Institut die Prüfbemerkungen der Stadt in die Unterlage ein. Ist das abgeschlossen, werden sie noch im ersten Halbjahr dieses Jahres bei der Landesdirektion eingereicht. Die Stadt kann nicht sagen, wie lange dort das Verfahren dauert. Von der Prüfung hängt auch ab, ob das verordnete Tempo-30-Limit wegen der Kleinen Hufeisennasen weiter nötig ist.

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