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Mehr Unfälle zwischen Radfahrern und Lkw in Dresden?

Sechs Fahrradfahrer sind in Dresden seit 2013 bei Unfällen mit Lkw gestorben. Polizei und Fahrradclub urteilen über die Situation auf den Straßen der Stadt.

Von Christoph Springer
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Solche weißen Fahrräder erinnern an Radfahrer, die bei Unfällen ums Leben gekommen sind - dieses hier an eine Frau, die im August 2018 auf der St. Petersburger Straße verunglückt ist.
Solche weißen Fahrräder erinnern an Radfahrer, die bei Unfällen ums Leben gekommen sind - dieses hier an eine Frau, die im August 2018 auf der St. Petersburger Straße verunglückt ist. © Archiv/Sven Ellger

Dresden. Die Sorge ist groß. Das Gefühl, Fahrradfahren sei gefährlich, wird durch jeden neuen schweren Unfall verstärkt. Zuletzt am 30. April dieses Jahres, als an der Ecke Weintraubenstraße/Bautzner Straße eine 61-jährige Radfahrerin von einem abbiegenden Laster erfasst wurde und ums Leben kam. Die Frau fuhr nicht im toten Winkel des Lasters, sie war stadtauswärts unterwegs und wurde von dem Lkw erfasst, als der Fahrer von der Weintraubenstraße nach rechts auf die "Bautzner" abbog. Ein weißes Geisterfahrrad, ein sogenanntes Ghostbike, erinnert seit drei Wochen an die verstorbene Dresdnerin.

Tendenz: Unfallzahlen unverändert

Sechs tödliche Unfälle, bei denen Radfahrer von Lastern erfasst wurden, gab es laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) seit 2013 in Dresden. Die Liste mit diesen Todesfällen umfasst unter anderem auch einen Unfall im Februar 2016, bei dem eine Radfahrerin an der Ecke Rothenburger Straße/Bautzner Straße von einem Betonlaster erfasst wurde und starb. Und den Unfall an der Mündung der Rudolf-Leonhard-Straße in die Stauffenbergallee, bei dem im Mai 2019 ein Radfahrer starb.

Die Zahl der Unfälle zwischen Radfahrern und Lastern sei "tendenziell gleichbleibend", die mit Personenschäden "leicht rückläufig", fasst die Polizei ihre Unfallstatistik für die Jahre 2018 bis 2020 zusammen. Das kann als Beleg dafür gelten, dass wachsende Sorge wegen solcher Unfälle unbegründet ist. ADFC-Sprecher Edwin Seifert sagt mit Blick auf die tödlichen Unfälle zwischen 2013 und heute, "bei einer so dünnen Datenlage" könne man "definitiv nicht" von einem Anstieg reden.

Warnung: Unfallgefahr steigt

Dass die Unfallgefahr insgesamt letztlich aber doch steigt, bestätigt die Polizei in ihrem Rückblick auf das vergangene Jahr, den die Beamten Anfang Mai veröffentlicht haben. "In Dresden sank die Anzahl der Verkehrsunfälle insgesamt", heißt es dort. Sie ging im Vergleich zum Vorjahr um 10,6 Prozent zurück. Die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung sei aber zugleich um elf Prozent gestiegen. Auch die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden lag 2020 unter der von 2021. Es waren 1,7 Prozent weniger. Bei Unfällen mit Radfahrerbeteiligung ist sie aber zugleich um 13,4 Prozent gestiegen.

Vor ihrer Aktion "Respekt durch Rücksicht", bei der die Polizei im Mai 2021 das Miteinander von Radfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern besonders in den Blick nahm, erklärte Gerald Baier, der Chef der Verkehrspolizei, wenigstens zum Teil könne dieser Anstieg auch durch die gestiegene Zahl von Radfahrern in Dresden erklärt werden.

ADFC-Sprecher Edwin Seifert sagt: "Wir gehen davon aus, dass die Zahl der tödlichen Rad-Lkw-Unfälle weniger ansteigt als die gefahrenen Rad-Kilometer." Schließlich werde Radverkehr, der deutlich zunimmt, damit auch präsenter. Lkw-Fahrer würden deshalb tendenziell mehr Radfahrer auf den Straßen erwarten "und daher umsichtiger fahren". Und weiter: "Es werden mehr tödliche Unfälle, aber das individuelle Risiko beim Radfahrer sinkt, wenn mehr Leute mehr Rad fahren."

Entwicklung: Mehr Radverkehr

Zwar kann Seifert die Entwicklung des Radverkehrs insgesamt derzeit nicht mit aktuellen Zahlen belegen. Doch die neun Dauerzählstellen der Stadt, die Radfahrer dann erfassen, wenn sie darüber fahren, haben bei einer ADFC-Auswertung im Herbst 2020 "ein Schlaglicht auf den gewachsenen Radverkehr in Dresden geworfen", so Seifert. "Über 1,5 Millionen Radfahrende und damit durchschnittlich 17 Prozent mehr als in den beiden Vorjahren wurden diesen Herbst verzeichnet", fasste der ADFC damals das Ergebnis zusammen.

Besonders deutlich sei die Zahl der Radfahrer auf den Radwegen an der Elbe gestiegen. Um 31 Prozent auf der Altstadtseite und sogar um 106 Prozent auf der Neustadtseite nahe dem Körnerplatz. Beides Strecken, die für Radfahrer vor allem deshalb besonders sicher sind, weil sie dort keinen Autos begegnen, schon gar nicht Lastern.

Sichere Strecken sind aus Sicht des ADFC entscheidend, wenn es darum geht, die Unfallgefahr zu verringern. Radfahren an sich sei nicht gefährlich, sagt Edwin Seifert. "Es sind die Kraftfahrzeuge und die vielfach für den Kfz-Verkehr optimierte Infrastruktur die Radfahrer*innen gefährden." Deshalb fordere der Fahrradclub unter anderem innerorts Tempo 30, die Beseitigung großzügiger Abbiegespuren mit autofreundlichen Kurvenradien und dass Radwege "nicht abrupt im Nichts enden".

Tranzparenzhinweis: Wir haben im letzten Absatz den letzten Satz geändert. Der ADFC hatte falsch formuliert und fordert nicht "großzügige Abbiegespuren mit autofreundlichen Kurvenradien", sondern das Gegenteil - deren Beseitigung.