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Mieter in Dresden verunsichert: Was passiert mit den Wohnungen, die Vonovia verkaufen will?

Vonovia, der größte Vermieter der Stadt, will rund 6.000 Wohnungen verkaufen. Bis zu 3.000 davon will die Stadt erwerben. Um den Stand der Verhandlungen wird ein großes Geheimnis gemacht. Mieter sind verunsichert.

Von Fionn Klose
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Dresdens größter Vermieter will rund 6.000 Wohnungen verkaufen.
Dresdens größter Vermieter will rund 6.000 Wohnungen verkaufen. © Symbolfoto: Marcel Kusch/dpa

Dresden. Es ist ein verregneter Tag in Dresden. Im Hauseingang eines Mehrfamilienhauses in der Dresdner Friedrichstadt steht Patrick Ament. Seit 2004 wohnt er hier. Die Wohnungen gehören dem Immobilienkonzern Vonovia. "Kommen Sie herein, ins Trockene", sagt er. Ein paar Minuten später steht er in der Küche seiner Wohnung und setzt Kaffee auf.

Die Maschine beginnt leise zu surren. "Ich denke, dass viele Mieterinnen und Mieter von Vonovia noch gar nicht auf dem Schirm haben, dass diese Gefahr überhaupt besteht, dass die Wohnungen jetzt verkauft werden könnten und dass sich dann irgendwas am Mietverhältnis ändert", sagt Ament.

"Es wird ja auch von Vonovia-Seite aus gar nichts kommuniziert." Es habe noch kein Schreiben gegeben, dass sich bald irgendetwas verändern konnte.

Patrick Ament, selbst Vonovia-Mieter, engagiert sich im Aktionsbündnis "Mietenwahnsinn stoppen", das sich für den Ankauf von mehr als 3.000 Wohnungen des Konzerns in Dresden einsetzt.
Patrick Ament, selbst Vonovia-Mieter, engagiert sich im Aktionsbündnis "Mietenwahnsinn stoppen", das sich für den Ankauf von mehr als 3.000 Wohnungen des Konzerns in Dresden einsetzt. © Sven Ellger

Und dabei wird sich einiges ändern. Denn Vonovia will rund 6.000 Wohnungen in Dresden verkaufen. Aktuell leben rund 90.000 Dresdnerinnen und Dresdner in Vonovia-Wohnungen, das Unternehmen aus Bochum ist mit einem Marktanteil von 18 Prozent der derzeit größte Vermieter in Dresden. Demgegenüber steht die städtische Wohnen in Dresden (WiD), die, mit finanzieller Unterstützung der Stadt, bis zu 3.000 Wohnungen aufkaufen will. Damit steigt ihr Bestand stark an. Denn die WiD "besitzt aktuell 879 Wohnungen an 53 Standorten in Dresden", so ein Stadtsprecher. "Zum Jahresende 2023 werden es 899 Wohnungen sein." Das seien 0,3 Prozent aller Wohnungen in der Landeshauptstadt.

Der Kauf der Vonovia-Wohnungen ist für die Stadt wichtig, denn es fehlt an günstigem Mietraum. An vielen Stellen wurden aufgrund der Krisen und Kostenexplosionen Neubauten eingestellt, auch im Bereich von Sozialwohnungen. Die Stadt braucht also mehr Sozialwohnungen für Bedürftige, der Ankauf ist eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Nach wissenschaftlichen Erhebungen hat Dresden einen zusätzlichen Bedarf von 10.000 bis 23.000 Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen", so die Stadt. Zwar gibt es 10.000 Sozialwohnungen im Bestand der Vonovia, auf die die Stadt Zugriff hat. Aber nur ein Bruchteil davon sei laut Stadt frei, die meisten seien schon belegt.

Mangel an Sozialwohnungen ist groß

Dresden hat das Ziel, für alle Einwohnerinnen und Einwohner ein bedarfsgerechtes Wohnungsangebot zu stellen. Vor allem für einkommensschwache Haushalte, Menschen mit Behinderung oder Familien mit Kindern wolle man besondere Verantwortung übernehmen, wie die Stadt in ihrem Wohnkonzept festhält. Um das Angebot an bezahlbaren Wohnungen zu erweitern und zu sichern, solle der Bestand der WID in den kommenden Jahren auf etwa 2.500 Wohnungen anwachsen.

Nicht genug, um den Bedarf zu decken. Daher hatte die SPD versucht durchzusetzen, dass die Grenze nicht bei 3.000 gezogen wird, sondern die Stadt möglichst alle Wohnungen erwirbt, die Vonovia zum Verkauf stellt. Doch das wurde im Stadtrat abgelehnt.

Im Flur von Patrick Aments Wohnung steht ein hölzerner Stuhl. Auf ihm liegen stapelweise Flyer und Informationsmaterial des Aktionsbündnisses "Mietenwahnsinn stoppen". Darin wird für eine Petition geworben, die Mitte Juni startete. Sie fordert, dass die Stadt alle 6.000 Wohnungen der Vonovia kauft. Seit dem Start der Kampagne zog Ament durch Dresden und verteilte mehrere tausend Flyer. Über 2.300 haben die Petition bereits unterschrieben.

"Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum"

"Ich sehe schon einen Vorteil für die Stadt", sagt er. "Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum und den können wir eigentlich wirklich nur bekommen, wenn die Stadt selber wieder ein bisschen mehr mitreden kann in den Mietpreisen." Momentan sei die Situation so, dass alle 15 Monate die Miete um 15 Prozent erhöht werde. "Das kann man sich im Kalender einschreiben." Diese Mietpreisstaffelung sei laut Ament "die Lizenz zum Geld drucken". "Der Mietpreis kann nur nach oben gehen, niemals runter."

Das Mieterbündnis kritisiert in seinem Flyer auch, dass unklar sei, welche Wohnungen nun wirklich vom Kauf betroffen sind. Ament nimmt sich einen Flyer vom Stapel und klappt ihn auf. Auf einer Seite ist ein QR-Code zu sehen. Scannt man ihn ein, wird man auf eine interaktive Karte geleitet. Dort sind viele Vonovia-Wohnungen im Stadtgebiet von Dresden verzeichnet. "Da sind alle Vonovia-Häuser mit 'Vom Verkauf bedroht' markiert, denn theoretisch kann es ja jedem blühen", sagt Ament. Intern habe man aber schon darüber spekuliert, dass Vonovia eher die Objekte abstoßen werde, die schlecht zu bewirtschaften sind. "Da müsste die Stadt schon unglaublich viel reinstecken."

Hinter verschlossenen Türen

Auch die Dissidenten-Fraktion im Stadtrat kritisiert die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. "Entgegen bestehender Beschlüsse und eines konkreten Zeitplans gibt es keinerlei Informationen zum Stand der Vonovia-Verhandlungen", sagt Dissident Michael Schmelich. "Daran hat sich im Prinzip bis heute nichts geändert." Ein Kaufabschluss im September sei faktisch nicht möglich. Denn der Stadtrat müsse ja erst über eine entsprechende Vorlage beraten.

Auf Anfrage von Sächsische.de teilt Vonovia mit, man äußere sich wie angekündigt erst, wenn es Ergebnisse gibt. Dann wolle man zuerst die Mieterinnen und Mieter informieren. Auf die Frage, was mit den restlichen Wohnungen passieren soll, äußert sich das Unternehmen nicht. Laut Mieterbündnis sollen sie auf dem freien Wohnungsmarkt zum Verkauf angeboten werden. "Aber auch nach einem Verkauf sind die Mieterinnen und Mieter im deutschen Mietrecht gut geschützt", so Vonovia. Die Mietverträge sollen mit allen Regelungen ohne Einschränkungen bestehen bleiben.

Auch die Stadt hält sich zu den noch laufenden Verhandlungen bedeckt. "Die Parteien haben über derartige Details Stillschwiegen vereinbart", so ein Stadtsprecher. Der Auswahl- und Ankaufsprozess sei noch nicht beendet, erst nach Abschluss teile man die konkrete Zahl der erworbenen Wohnungen mit.

Patrick Ament sitzt in seiner Wohnung. Der Kaffee ist ausgetrunken. Er will weitermachen. Mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, noch mehr Flyer verteilen. Das große Ziel sind 5.000 Unterschriften für die Petition. Er weiß, wenn die Stadt doch alle Wohnungen kaufen sollte, würde das viel Geld kosten, was die Stadt nicht hat. "Und wenn die WID von heute auf morgen einen Bestand von 6.000 Wohnungen hat, würde das einen großen Umbau bedeuten", sagt er. "Aber ich glaube, es könnte sich lohnen."