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Lichdi und Schmelich sprengen Dresdner Stadtrat

Zwei Stadträte haben sich mit ihrer Fraktion überworfen. Was sie den Grünen vorwerfen und welche Konsequenzen das für den Rat insgesamt hat.

Von Andreas Weller
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Michael Schmelich und Johannes Lichdi wirbeln den Dresdner Stadtrat durcheinander.
Michael Schmelich und Johannes Lichdi wirbeln den Dresdner Stadtrat durcheinander. © Sven Ellger/Montage SZ-Bildstelle

Dresden. Es gärt schon lange bei Dresdens Grünen. Die Stadtratsfraktion gilt als untereinander zerstritten, die größte Fraktion hat es auch bisher nie vermocht, ihrer Rolle gerecht zu werden.

Nun ist die Situation eskaliert. Michael Schmelich und Johannes Lichdi haben ihren Austritt aus der Fraktion erklärt. Was das bedeutet.

Immer wieder haben Dresdens Grüne betont, wie gut und wichtig es sei, als stärkste Kraft nach der vergangenen Wahl im Stadtrat die größte Fraktion zu stellen. Diese schrumpft nun und wird damit von einer anderen überholt.

Die Grünen verlieren ihre Vormachtstellung. Lichdi bemängelt die Wertschätzung, spricht von "übler Nachrede". Schmelich sagt, die Fraktion käme dem Wählerauftrag nur in "unzureichender Weise" nach - er und Lichdi würden "ausgegrenzt".

Was ist vorgefallen?

Bereits seit Jahren gibt es offenen Streit innerhalb der Grünen-Fraktion. Im Kreuzfeuer der Kritik stehen Lichdi und Schmelich. Vor allem Lichdi wird Disziplinlosigkeit und unflätiger Umgang mit den anderen vorgeworfen. Auch Schmelich sorgte immer wieder für Unmut, weil er Probleme öffentlich angesprochen hat, außerdem wird ihm ebenfalls rüpelhafter Umgang angelastet.

Es gab sogar bereits Bestrebungen, Lichdi per Beschluss zu disziplinieren. Dazu kommt, dass vor allem Lichdi bei wichtigen Ämtern außen vorgelassen wird. Er wollte beispielsweise weiterhin das Thema Verkehr verantworten, die Fraktion bestimmte dafür aber Susanne Krause. Zudem wählten seine Fraktionskollegen ihn nicht erneut in den Aufsichtsrat der SachsenEnergie, sondern Tanja Schewe. Für Lichdi waren dies politische Tiefschläge.

Wie werden die Austritte begründet?

"Seit vielen Jahren versuchen maßgebliche Kräfte in Partei und Fraktion, meine politischen Handlungsmöglichkeiten abzuschnüren, ja letztlich auszuschalten", begründet Lichdi seinen Austritt. "Dies ist ihr demokratisches Recht, mein Recht ist es aber auch, daraus nun die Konsequenzen zu ziehen."

Angefangen hat es damit, dass Lichdi bei den Wahlen 2014 und 2019 jeweils nur auf hinteren Listenplätzen kandidieren durfte. Er wertete das als Versuch, ihn "auszuschalten". "2019 wollte man mir sogar den Wahlkampf in der Neustadt verbieten."

Lichdi sagt, maßgebliche Kräfte in Partei und Fraktion hätten versucht, seinen Ruf in der Neustadt und als damaliger verkehrspolitischer Sprecher durch "üble Nachrede zu unterminieren". Er sei 2019 dann "abgesägt" worden, "bevor überhaupt irgendeine inhaltliche politische Debatte innerhalb der Fraktion geführt werden konnte". Diskussionsvorlagen von ihm würden nicht mal in der Fraktion behandelt.

"Der Fraktion gelingt es nicht, ihre von den Wählerinnen und Wählern zugewiesene Führungsrolle als stärkste Fraktion im Stadtrat auszufüllen", kritisiert Lichdi. "Eigentlich müsste sie die politische Agenda der Stadtpolitik maßgeblich prägen, davon ist sie weit entfernt." Das politische Führungsproblem werde nicht erkannt, ein eigener Handlungsauftrag weder formuliert noch eine strategische Linie durchgehalten.

Ebenso erwähnt Lichdi, dass er nicht mehr in den Aufsichtsrat der SachsenEnergie gewählt wurde. "Diese Entscheidung zeigt mir, dass die Fraktion weder meine Leistung in den letzten Jahren erkennt, geschweige denn würdigt." Bei der Wahl sei es nicht um Kompetenz oder Politik gegangen, "sondern um eine identitätspolitisch grundierte Fortsetzung der gezielten politischen Ausschaltung meiner Person", so Lichdi. "Dass die Fraktion sich in der wichtigsten politische Frage der Klimapolitik von derart sachfremden Erwägungen leiten lässt, zeigt mir, dass ich in dieser Fraktion keine Chance habe, meine grünen politischen Ziele zu verwirklichen."

Er trete aber bewusst nicht aus der Partei Bündnis 90 / Die Grünen aus. "Auch wenn ich in den letzten Jahren in Dresden und Sachsen eine bedenkliche Entwicklung erkenne, bleiben die Grünen meine politische Heimat."

Schmelich geht nicht so sehr ins Detail. "Die Gründe sind vielfältig und vor allem von der Erkenntnis geprägt, dass seit geraumer Zeit angemahnte Veränderungen in der politischen Priorisierung und strategischen Ausrichtung der Fraktion wirkungslos verhallt sind und stattdessen Verhaltens- und Identitätsfragen mehr und mehr ins Zentrum der Fraktionsarbeit rücken."

Auch zwei Jahre nach der Wahl komme die Fraktion "in unzureichender Weise weder ihrem Wählerauftrag noch ihrer Rolle als stärkste Fraktion nach", so Schmelich. "Wirkungsvolle Zirkel innerhalb der Fraktion treiben darüber hinaus die Ausgrenzung von Johannes Lichdi und mir voran. Politische Erfahrung wird nicht als Bereicherung in das Wirken der Fraktion einbezogen, sondern marginalisiert oder ignoriert."

Da mehrfach Beschlüsse der Faktion unterlaufen worden seien, sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit für Schmelich nicht mehr möglich. "Ich bin nicht länger gewillt, dem tatenlos zuzusehen und damit verbundene persönliche Folgen zu tragen."

Auch für Schmelich bleiben die Grünen die Partei, "in und mit der ich seit 40 Jahren für gesellschaftliche Veränderung streite". Deshalb bleibe das Kommunalwahlprogramm der Dresdner Grünen für ihn "handlungsleitend".