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"Automobil in Dresden" polarisiert: Braucht Dresden wirklich eine Initiative für Autofahrer?

Die Resonanz auf die Gründung von "Automobil in Dresden" sei gewaltig, sagen die Initiatoren. Kritiker meinen, die Verkehrswende werde konterkariert und die Initiative polarisiere nur noch weiter.

Von Andreas Weller
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Die Initiative "Automobil in Dresden" sagt, die Verkehrswende wolle nur eine Minderheit.
Die Initiative "Automobil in Dresden" sagt, die Verkehrswende wolle nur eine Minderheit. © René Meinig

Dresden. Weil es aus ihrer Sicht keine ausreichende Vertretung für die Dresdner Autofahrer gibt, haben sich Christian Bösl, Gunter Thiele und Tino Jasef zusammengetan und die Initiative "Automobil in Dresden" gegründet. Sie wollen die Interessen der Autofahrer stärken, die Radfahrer- und DVB-Lobby eindämmen, damit Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer gefunden werden, so der Ansatz. Ob Dresden eine Auto-Initiative braucht, daran scheiden sich jedoch die Geister. Wie die Fraktionen im Dresdner Stadtrat und der Verkehrsbürgermeister auf die neue Initiative reagieren.

Verkehrsbürgermeister: Bürgerbeteiligung kommt zu anderen Ergebnissen

Die Initiative richtet sich gegen "unverschämte Schikanen gegen Autofahrer", wie Christian Bösl es ausdrückt. Pförtnerampeln, der Bevorzugung von Radfahrern, Bahnen und auch Bussen müsse Einhalt geboten werden. In Dresden gebe es keine echte Vertretung für Autofahrende.

Dresdens Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) ist offen für "Automobil in Dresden". "Wenn die Initiatoren das Gespräch mit mir suchen, stehe ich für einen Austausch gerne zur Verfügung", sagt er auf Anfrage von Sächsische.de. Er sei gespannt auf die Argumente.

Kühn stellt aber auch klar: "Die Bürgerbeteiligung zu unseren Mobilitätskonzepten ist zu anderen Ergebnissen gekommen. Die Dresdnerinnen und Dresdner wollen einen besseren öffentlichen Nahverkehr, Fuß- und Radverkehr soll stärker berücksichtigt werden, und vor allem wünschen sich viele Stadträume mit einer besseren Aufenthaltsqualität, mehr Stadtgrün."

Als Bürgermeister sei er zudem an Stadtratsbeschlüsse gebunden. "Der Rat hat beschlossen, dass Dresden bis 2035 klimaneutral sein soll, dafür muss der Anteil am motorisierten Individualverkehr reduziert werden." Gleichzeitig sollen Angebote geschaffen werden, damit mehr Dresdner Busse, Bahnen oder das Rad nutzen oder zu Fuß gehen. "Es gibt beschlossene Konzept, Regeln und Vorschriften, an die wir uns zu halten haben", so Kühn.

FDP findet "endlich Unterstützung"

Als Unterstützung wertet FDP-Fraktionschef Holger Zastrow die neue Initiative. "Ich sehe mich und meine Fraktion häufig als Einzelkämpfer", sagt er. "Deshalb freue ich mich, dass es mit der Initiative endlich Unterstützung gibt." Dies sei vor allem aus dem außerparlamentarischen Raum wichtig. "Die Tendenz in Dresden erfordert dringend, dass alle, die sich Mobilität nicht vorschreiben lassen wollen, sich bemerkbar machen." Es gehe um den Ausgleich von Interessen, die "bürgerliche Mitte" sei da bisher nicht gut aufgestellt.

"In Dresden werden immer die dümmsten Lösungen gefunden, das ärgert viele Menschen hier", so Zastrow. "Autofahrer werden als Melkkuh der Stadt genutzt und die Qualität des Angebots wird immer schlechter."

Es sei grundsätzlich gut, dass sich nun auch der Auto- und Wirtschaftsverkehr zu Wort meldet, meint CDU-Stadtrat Veit Böhm. Auch er ärgere sich über Verkehrslösungen wie am Schillerplatz, den Vorschlag zur Bodenbacher Straße und den Flügelweg. "Künstlich produzierter Stau fördert das Stadtklima sicher nicht. Aber dann muss die Initiative auch konkrete Vorschläge machen, die die Belange aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigen."

"Fürs Auto ist in Dresden immer gesorgt"

Grünen-Stadträtin Susanne Krause meint, die Initiative sei der "bewusste Gegenpart zu lauter werdenden Forderungen nach der Verkehrswende". Aber man müsse sich in Dresden keine Sorgen um Autofahrer machen. "Mit dem Auto kommt man in Dresden überall hin, das ist bei anderen Verkehrsmitteln nicht überall gegeben. Aber es gibt keinen Anspruch, mit dem Auto innerhalb kürzester Zeit von A nach B zu kommen."

Die Dresdner würden daran, wie gut sie von A nach B kommen, bewusst entscheiden, womit sie den Weg zurücklegen. "Fürs Auto ist in Dresden immer gesorgt, jetzt müssen auch die anderen zum Zug kommen", hätten alle die gleiche Unterstützung, würde sich die Verkehrswende quasi von alleine ergeben.

"Es gibt bereits eine Autofahrer-Lobby", sagt Dissidenten-Stadtrat Johannes Lichdi. "Im Stadtrat überbieten sich CDU, FDP, AfD und Linke regelrecht darin, dem Auto den Vorrang zu bewahren." Die Forderungen der Initiative würden die Klimaziele und die Verkehrswende erneut konterkarieren. "Das wurde im Stadtrat durch den Verzicht auf die Parkgebührenerhöhung bereits betrieben", so Lichdi. "Und die Grünen haben sich den Verkehrswende-Schneid abkaufen lassen, können sich nicht gegen die Autolobby durchsetzen." In der Initiative sieht Lichdi den Versuch, eine neue Wählervereinigung für die Stadtratswahl 2024 zu etablieren.

"Polarisierung zwischen selbsternannten Vertretern"

Die Frage, welches Verkehrsmittel die Dresdner nutzen, werde pragmatisch gelöst, sagt Linke-Stadtrat Tilo Wirtz. "Viele sind bereits mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln unterwegs." Das Beispiel Albertstraße, mit dem aufgemalten Radweg, zeige, wie es pragmatisch funktioniere. "Es wurde etwas für Radfahrer getan, ohne den Autofahrer einzuschränken", so Wirtz. "Ich bedauere die Polarisierung zwischen selbsternannten Vertretern einzelner Verkehrsteilnehmer." Egal ob die neue Initiative oder der ADFC, es führe zu Konflikten, wenn Interessen gegeneinander ausgespielt werden. "Aber die überspitzte Polemik der Grünen führt dazu, dass es Widerstand gibt." Es gehe immer um den Ausgleich der Interessen. "Sonst trifft es immer die Falschen: Die Reichen kaufen sich raus und die Armen schränken sich ein", sagt Wirtz.

Für die SPD-Fraktion ist klar: "Verkehrspolitik bedeutet mehr, als die Bedürfnisse verschiedener Gruppen gegeneinander auszuspielen", so Fraktionschefin Dana Frohwieser. "Menschen nutzen das Auto, und doch muss der Verkehr immer mehr im Umweltverbund stattfinden. Um den Umstieg attraktiv zu machen, gehört dazu, Fußwege, Bus- und Bahnlinien wie Radwege endlich konsequent zu verbessern und auszubauen."

"Verkehrswende will eine kleine Minderheit"

Christian Bösl von der neuen Initiative berichtet von rund 50 Dresdnerinnen und Dresdnern, die sich bei der Initiative bisher gemeldet haben. "Leute wollen Mitglied werden, unterstützen unsere Anliegen oder nennen konkrete Probleme wie das Anwohnerparken in Johannstadt, die Fahrradstraße in Striesen."

Die Kritik aus Teilen der Politik prallt am ehemaligen Stadtrat ab. "Die Verkehrswende will eine kleine Minderheit, das zeigen die Wahlergebnisse. Aber wir wollen auch eine Verkehrswende, aber ohne die Leute gegeneinander auszuspielen." Die Verkehrspolitik in Dresden sei zu sehr aufs Rad bezogen. Nachdem jahrelang nur aufs Auto gesetzt worden sei, dürfe jetzt nicht der Fehler in die andere Richtung erfolgen.