Dresden
Merken

Radweg auf Blauem Wunder, Tempo 30 am Terrassenufer: Bürgermeister verteidigt Verkehrsversuche in Dresden

In Dresden laufen mehrere Verkehrsversuche. Obwohl sie immer wieder für Zoff sorgen, sind sie laut Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn notwendig, um die Klimaziele zu erreichen.

Von Andreas Weller
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Verkehrsversuche wie der geplante Radweg auf dem Blauen Wunder in Dresden sieht Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn als Chance.
Verkehrsversuche wie der geplante Radweg auf dem Blauen Wunder in Dresden sieht Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn als Chance. © René Meinig

Dresden. Werden die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) durch die Verkehrspolitik in Dresden ausgebremst? Dieser Frage widmete sich eine Podiumsdiskussion des DGB und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung am Dienstagabend. Neben der Zukunft des Deutschlandtickets ging es darum, wie der Verkehrsraum in Dresden genutzt werden soll, wie die Klimaziele zu erreichen sind und was Ansiedlungen wie die des Chip-Riesen TSMC für den Verkehr in Dresden bedeuten.

Dabei wurden auch die Verkehrsversuche in Dresden kritisiert. Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) kündigte an, dass er erneut einen Anlauf nehmen wird, die Parkgebühren und das Anwohnerparken in Dresden zu erhöhen.

"Das passt nicht zusammen"

Kühn erklärte, dass es viele Interessen gibt. Die Bürgerbeteiligung zum Verkehrsplan der Stadt habe aber ergeben, dass sich eine "große Mehrheit" der Dresdner mehr Freiräume, Aufenthaltsqualität und Grünflächen wünsche - gleichzeitig soll auch das Radwegnetz ausgebaut, Fußwege verbessert werden.

"Wir haben das vom Stadtrat beschlossene Ziel, dass Dresden bis 2035 klimaneutral sein soll. Das funktioniert nur, wenn wir 65 Prozent des Kohlendioxidausstoßes verringern." Und das könne nur erreicht werden, wenn 75 Prozent der Wege in Dresden zu Fuß, mit dem Rad oder per Bus und Bahn zurückgelegt werden. Dazu müsste die Hälfte der verbleibenden Autos - vor allem im Carsharingbereich - als E-Autos unterwegs sein. Da sei man dann bei der Mobiwelt der DVB, die das alles anbieten, so Kühn.

Das sei einerseits "Daseinsvorsorge" und gleichzeitig eine freiwillige Aufgabe. "Das passt nicht zusammen."

Parkgebührenerhöhung nicht vom Tisch

Für DVB-Vorstand Lars Seiffert ist klar: "Wir wollen unser Angebot mindestens halten und bestenfalls ausbauen." Doch immer wieder werde über die Finanzierung diskutiert und auch politisch gefordert, das Angebot auszudünnen. Das sei aber nicht zielführend, da Dresden seine Klimaziele niemals ohne die DVB erreichen könne.

Deshalb stellte Kühn auch klar, dass die Finanzierung der DVB nicht mehr alleine über die Sachsen-Energie funktioniere. Die Stadt zahlt bereits rund 16 Millionen als Zuschuss. "Das werden perspektivisch eher 20 Millionen Euro werden. Aber auch Bund und Land müssen ihren Beitrag leisten", forderte er. "Es ist politisch nicht vermittelbar, das Deutschlandticket abzuschaffen." Parallel müssten sich auch die "Nutznießer" an der Finanzierung beteiligen. Also beispielsweise Firmen, die sich in Dresden ansiedeln wie TSMC. Mit denen soll über Werksbusse verhandelt werden. Dann braucht es auch nicht so viele Parkplätze.

Die geplante Erhöhung der Parkgebühren, inklusive des Anwohnerparkens, um die DVB zu unterstützen, ist für Kühn nicht vom Tisch. "Aktuell gibt es dafür keine Mehrheit im Stadtrat. Aber nach der Wahl 2024 wird es wieder Thema."

DVB sind "Teil der Problemlösung"

Einig waren sich die Podiumsgäste darin, dass das Ticket für 49 Euro und mit bundesweiter Gültigkeit erhalten bleiben müsse. "Es ist der Veränderer für einen nachhaltigen Verkehr", so Alexander Möller, Geschäftsführer im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Aber auch die unterschiedlichen Angebote der DVB seien laut Kühn "Teil der Problemlösung".

Konzepte gebe er reichlich für Radwege, den DVB-Ausbau und den Verkehr in Dresden insgesamt, alle vom Stadtrat beschlossen. Wenn die umgesetzt würden, könnten die Ziele erreicht werden. Doch es gebe immer wieder Diskussionen, wenn einzelne Maßnahmen umgesetzt werden sollen.

"Es sind alle Konzepte da", so auch SPD-Stadtrat Stefan Engel. "Die Maßnahmen werden entweder umgesetzt und niemand regt sich darüber auf, sie werden nicht umgesetzt oder es gibt einen Aufstand, der in der Presse ausgetragen wird."

"Der Verkehrsraum ist endlich"

Dabei würden einige Maßnahmen aus den Konzepten als Verkehrsversuche durchgeführt, so Kühn. Um über eine begrenzte Zeit zu erproben, welche Vor- und Nachteile diese bringen. "Häufig ist das der einzige Weg, etwas umzusetzen", sagte Kühn, ohne den Kampf darüber mit den unterschiedlichen politischen Lagern auszufechten. Die Versuche können von der Verwaltung einfach angeordnet werden - wie etwa Tempo 30 am Terrassenufer oder der zunächst verschobene Versuch mit einem Radweg auf dem Blauen Wunder. Dieser wurde zunächst von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) gestoppt, soll nun aber doch durchgeführt werden.

Vor allem die Lobby der Autofahrer kämpft immer wieder gegen solche Maßnahmen. Die IG Automobil in Dresden fordert, den Versuch abzusagen. Es sei einfach nicht genug Platz, um alle Interessen zu befriedigen und im Verkehrsraum neben Autospuren und Straßenbahngleisen auch breite Rad- und Gehwege, öffentliche Toiletten, Grünflächen und Sitzgelegenheiten zu schaffen. "Dann bräuchten wir 30 Meter breite Straßen", so Kühn. "Entlang der Bautzner Straße müsste beispielsweise eine Häuserreihe abgerissen werden. Der Verkehrsraum ist endlich."

"Wir haben es in der Hand"

Deshalb gebe es die Versuche, um auszuloten, was wo funktioniert. Möller ist das zu wenig. "Weshalb diese Versuche? Die Leute brauchen Verlässlichkeit und Zeit, sich an Dinge zu gewöhnen." Deshalb solle die Stadt das einfach dauerhaft so ändern. "Es braucht klare Standpunkte: Wenn ihr uns wählt, bekommt ihr das." Die Verwaltung müsse es dann aber auch so umsetzen. "Unsere Gesellschaft ist so: Einige wünschen sich mehr Freiräume, andere wollen mit dem Auto in den Saturn fahren - das muss zivilisiert ausdiskutiert werden."

Kühn sagte, er könne es eben nicht so einfach dauerhaft anordnen. "Ich wünsche mir mehr Freiheit von der Gesetzgebung für die Kommunen, um Tempo 30 anzuordnen. Müssen an der Stelle vorher Menschen über den Haufen gefahren werden?"

Für den Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO), Burkhard Ehlen, ist klar: "Der Ansatz, Verkehr ausschließlich nach der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs zu betreiben, ist veraltet." Aber es sei mühsam, das zu verändern. "Ich denke, es braucht nicht überall separate Radwege, aber mehr Tempo-30-Zonen. Wir haben es in der Hand, etwas zu verändern, vielleicht auch über Verkehrsversuche."