Dresden
Merken

Warum in Dresden immer weniger Kinder geboren werden

Dresden war einmal Geburtenhauptstadt Deutschlands. Jetzt folgt ein Geburtenrückgang nach dem anderen. Die Gründe, die Prognose und die Folgen für die Kitas.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
In Dresden kommen immer weniger Babys zur Welt. Der Geburtenknick wird noch mehrere Jahre anhalten.
In Dresden kommen immer weniger Babys zur Welt. Der Geburtenknick wird noch mehrere Jahre anhalten. © dpa/Swen Pförtner (Symbolbild)

Dresden. Die Dresdner Vierlinge sind eine kleine Sensation: Als die beiden Mädchen und die beiden Jungen im August im Dresdner Uniklinikum zur Welt gebracht wurden, lag die letzte Vierlingsgeburt schon etwa 40 Jahre zurück. Nur wenige Tage später verkündete das Klinikum, dass das 2.000 Baby des Jahres das Licht der Welt erblickt habe. Fast könnte man auf die Idee kommen, Dresden erlebte einen Babyboom. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Stadt ist weit davon entfernt, sich den Titel "Geburtenhauptstadt Deutschlands" zurückzuholen - die Zahl der Geburten sinkt kontinuierlich. Woran liegt das? Hat Corona etwas damit zu tun? Und werden bald die ersten Kitas dicht gemacht?

Wie stark ist der Geburtenrückgang?

Der Geburtenrückgang kommt keinesfalls plötzlich. Der Titel "Geburtenhauptstadt Deutschlands", den Dresden einmal für sich beanspruchen konnte, ist schon lange weg. Seit 2017 kommen in Dresden Jahr für Jahr weniger Kinder zur Welt. Wurden 2016 noch 6.429 Babys geboren, so waren es im vergangenen Jahr 5.579, also 850 weniger, wie aus den Zahlen des Einwohnermeldeamtes hervorgeht.

Für dieses Jahr deutet sich der nächste Rückgang an - in allen bisherigen drei Quartalen zählte das Einwohnermeldeamt weniger Neugeborene als in den vorherigen Jahren: Bis Ende September erblickten 3.513 neue Dresdnerinnen und Dresdner das Licht der Welt.

Laut Stadt wird sich der Rückgang auch noch weiter fortsetzen. Sie rechnet damit, dass das Tal erst 2027 durchschritten ist. In jenem Jahr werden etwa 5.200 Neugeborene prognostiziert. Danach soll es langsam wieder nach oben gehen. Im Jahr 2035 werden dann etwa 5.500 Geburten erwartet.

Was sind die Ursachen?

Mehrere Ursachen lassen sich aus wissenschaftlicher Sicht benennen. Zum einen sind die 1990er-Jahre in Dresden von besonders wenigen Geburten geprägt gewesen. Somit gibt es jetzt - gut 30 Jahre später - auch weniger junge Frauen, die ein Kind bekommen können, erklärt die Stadt. Insbesondere Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren brächten besonders viele Kinder zur Welt. Gleichzeitig hätten Frauen aus den geburtenstarken 1980er-Jahren ihre Familienplanung beendet und bereits Kinder zur Welt gebracht.

Das Statistische Landesamt sieht eine zweite Ursache, die den Geburtenrückgang noch einmal verstärkt hat: die Corona-Pandemie. Demnach legten Analysen die Vermutung nahe, dass sich das Verhalten junger Paare in den vergangenen zweieinhalb Jahren verändert hat. "Im Ergebnis der Berechnung lässt sich vermuten, dass die Unsicherheiten in den Pandemiejahren 2020 und 2021 zum Teil auf die Entwicklung der Geburtenzahlen wirkten", so die Statistiker.

Mit den möglichen Gründen hat sich unter anderem das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung beschäftigt. So könnte die Corona-Schutzimpfung Frauen dazu bewogen haben, ihre Schwangerschaft aufzuschieben. "Es ist plausibel, dass sich manche Frauen erst impfen lassen wollten, bevor sie schwanger werden", sagt Martin Bujard, Forschungsdirektor am Bundesinstitut. "Da die Impfung zunächst für Schwangere nicht empfohlen war, wurde der Kinderwunsch oftmals aufgeschoben."

Welche Folgen hat das für Kitas in Dresden?

Durch den Geburtenrückgang werden in den nächsten Jahren weniger Kitaplätze und später auch weniger Plätze an Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien gebraucht. Der Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen sieht für das Schuljahr 2022/2023 noch einen Bedarf von 31.926 Betreuungsplätzen, etwa 150 weniger, als angeboten werden. Diese Diskrepanz dürfte sich in den nächsten Jahren vergrößern. Daher prüft der Eigenbetrieb, ob Neu- und Ersatzbauten noch notwendig sind. Aktuell wird ein Standortkonzept erarbeitet. Von Kita-Schließungen ist derzeit aber nicht die Rede.

"Frei werdende Kapazitäten sollen dafür genutzt werden, die Belegungsdichte in den Kitas zu verringern und Plätze wie vor Inkraftsetzung des Kita-Rechtsanspruches vorzuhalten", so die Stadt. Um den Rechtsanspruch zu gewährleisten, seien damals sämtliche verfügbaren Bewegungs- und Verkehrsflächen in den Kitas für eine maximale Belegung herangezogen worden. Auch für die Betreuung von Kindern mit Behinderungen werde mehr Platz benötigt.

"Der aktuelle Rückgang der Geburtenzahlen kann für die Dresdner Kindertagesbetreuung auch eine große Chance sein", sagt Eigenbetriebsleiterin Sabine Bibas im vergangenen Jahr. "Er verschafft uns Zeit, noch mehr in die Qualität unserer Kitas und Horte zu investieren."

Die Stadt warnt allerdings auch, dass die Prognosen zu den Kinderzahlen in den Kitas mit Unsicherheiten behaftet sind. So beeinflussen nicht nur die Geburtenzahlen die Bedarfe, sondern auch die direkten und indirekten Folgen der Corona-Pandemie sowie die aktuellen Flüchtlingsbewegungen.

Das Gute für Eltern: In Stadtbezirken wie Plauen, Neustadt oder Altstadt hat sich die Nachfragesituation durch die rückläufigen Kinderzahlen deutlich entspannt, was die Chance, sein Kind auf die Wunschkita schicken zu können, verbessert.

In welchen Stadtteilen werden die meisten Babys geboren?

Die Stadtverwaltung hat analysiert, wie sich die Neugeborenen auf die Stadtteile verteilen. Demnach ist die Äußere Neustadt im vergangenen Jahr Dresdens Babyhochburg gewesen - 252 Babys wurden dort gezählt. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Pieschen-Süd und Striesen-Ost.

Die wenigsten Geburten gab es nicht weit entfernt: Gerade einmal zehn Neugeborene aus 2021 leben in der Inneren Altstadt, gefolgt von Hosterwitz/Pillnitz und Gönnsdorf/Pappritz.