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Nach Prozess-Panne in Dresden: Großdealer muss im Gefängnis bleiben

Ein kurioser Fall in Dresden: Die fehlende Unterschrift eines Richters war der Grund, warum erneut gegen einen 30-Jährigen am Landgericht Dresden verhandelt werden musste – mehr als acht Monate lang.

Von Alexander Schneider
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Prozessauftakt im September 2022, Landgericht Dresden: Wachtmeister nehmen dem Angeklagten Ammar R. die Handfesseln ab. Links Verteidigerin Katja Reichel.
Prozessauftakt im September 2022, Landgericht Dresden: Wachtmeister nehmen dem Angeklagten Ammar R. die Handfesseln ab. Links Verteidigerin Katja Reichel. © Alexander Schneider

Dresden. Es ist ein kurioser Fall: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil gegen einen heute 30-jährigen Dresdner kassiert und zur Neuverhandlung an das Landgericht Dresden zurückverwiesen. Das war Anfang 2019. Ammar R., der Betroffene, war am 30. April 2018 unter anderem wegen Handels mit Drogen, gefährlicher Körperverletzung, sexueller Nötigung, Beleidigung und Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden.

Doch dann die Panne: Es fehlte die Unterschrift eines Richters unter dem ausformulierten Urteil. Aufgrund dieser Formalie musste die gesamte Hauptverhandlung erneut vor einer anderen Kammer des Landgerichts durchgeführt werden.

Das jedoch passierte erst viele Jahre später. Wegen der Überlastung der Justiz konnte der Prozess erst Ende September vergangenen Jahres beginnen. Bemerkenswert ist, dass Ammar R. an dieser Überlastung nicht ganz unbeteiligt gewesen sein dürfte. Er lässt seit Jahren intensiv bei Polizei und Justiz arbeiten. Das änderte sich auch nicht, als R. nach der BGH-Entscheidung im März 2019 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde.

Im Juni 2019 wurde der Deutsch-Iraker unter anderem wegen Handels mit Drogen am Landgericht Dresden nach einem wieder mehrmonatigen Prozess zu weiteren dreieinhalb Jahren verurteilt und im Juli 2022 erhielt er ebendort sogar zehneinhalb Jahre Haft. Wieder ging es um Drogenhandel im großen Stil im Frühjahr 2020, diesmal mehr als 50 Kilo Crystal und 30 Kilo Marihuana.

Eine "Gesamtlösung" scheiterte

Mehrere Strafkammern hatten sich also in den letzten Jahren mit dem 30-Jährigen, seinen drei Verteidigern und seinen vielen Verfahren befassen müssen. Doch es war den Richtern nicht gelungen, eine frühere Entscheidung, gar eine "Gesamtlösung" herbeizuführen. Also blieb das vom BGH zurückverwiesene Verfahren liegen.

Erst jetzt endete der Prozess nach 23 Verhandlungstagen in achteinhalb Monaten. Anders als in früheren Jahren waren nun weder seine Eltern noch andere Kumpels bei der Verkündung im Gerichtssaal. Viele von R.s Weggefährten sitzen inzwischen selbst in Haft.

Ammar R. wurde am Mittwoch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Darin enthalten sind nicht nur die Taten aus dem fehlerhaften 2018er-Urteil, in die Gesamtfreiheitsstrafe waren nun auch die im Juni 2019 verurteilten Taten einzubeziehen.

Strafabzug wegen "überlanger Verfahrensdauer"

Wegen "überlanger Verfahrensdauer" werden fünf Monate davon "als vollstreckt" gewertet, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Scheuring in der Urteilsbegründung, die Verzögerung habe der Angeklagte nicht zu verantworten.

Darüber hinaus wurde R. zu einer weiteren Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung verurteilt. Der 30-Jährige hatte mit seinem Kumpel Mustafa K. im September 2019 zwei Gäste einer Shisha-Bar mit Gläsern beworfen und geschlagen. Einer der leicht verletzten Männer hatte wenige Tage zuvor in einem Prozess gegen K. ausgesagt.

Scheuring sprach bei dieser Tat von "Rache" und "Zeugenbeeinflussung" – solche Motive habe es auch bei früheren Übergriffen R.s gegeben. Ausführlich berichtete der Vorsitzende über die sexuelle Nötigung gegenüber der Lebensgefährtin von R.s Bekannten, die in der Beweisaufnahme ausführlich aufgeklärt worden sei.

Ammar R. hatte einen Teil der Vorwürfe eingeräumt – nicht jedoch die Sexualstraftat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der 30-Jährige befindet sich seit Januar 2021 wieder im Gefängnis. Er wurde im Zusammenhang der Vorwürfe des Crystal-Handels verhaftet und verbüßt nun rechtskräftige Urteile.

Das Crystal-Urteil vom Juli 2022, die zehneinhalb Jahre, ist noch nicht rechtskräftig. Angeblich ist das schriftliche Urteil noch nicht einmal beim BGH eingegangen. Es ist nicht ausgeschlossen, so Richter Scheuring, dass Ammar R. nach der Verbüßung der langen Haft auch noch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ausgesprochen wird. Das jedenfalls hatte die Staatsanwaltschaft gefordert. In dem nun zu Ende gehenden Verfahren habe die Sicherungsverwahrung jedoch keine Rolle gespielt.