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Zoo Dresden: Ein Fernseher für die Orang-Utans

Seit zwei Monaten ist der Dresdner Zoo geschlossen. Wie sich das auf die Tiere auswirkt und was die Besucher erwartet, wenn er wieder öffnet.

Von Nora Domschke
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Orang-Utan-Männchen Toni schaut sich eine Tier-Doku im Fernsehen an. Besonders interessant sind Filme über Artgenossen, berichten die Pfleger.
Orang-Utan-Männchen Toni schaut sich eine Tier-Doku im Fernsehen an. Besonders interessant sind Filme über Artgenossen, berichten die Pfleger. ©  Rene Meinig

Dresden. So erlebt man den Zoo in Dresden nur selten. Die Wege sind menschenleer, in den Häusern derzeit nur tierische Bewohner und einige Pfleger anzutreffen, die Spielplätze verwaist. Kurzum: Es herrscht Stille auf dem Zoo-Gelände am Großen Garten. Seit 2. November dürfen Besucher nicht mehr hinein. Angesichts geschlossener Schulen und Kindergärten ist das für die Dresdner Familien ein herber Verlust. Ein Zoo-Besuch ist für die Kleinen immer ein Erlebnis und auch für Eltern eine willkommene Abwechslung.

Und doch läuft der Alltag in den Tiergehegen im Verborgenen weiter. Tierbabys werden geboren, der neue Elefantenbulle Tonga hat sich mit den drei Dickhäuter-Damen angefreundet und die Flamingos haben ein anderes Domizil bezogen. Die SZ hat sich vor Ort umgeschaut und gefragt, was es Neues gibt.

Wie reagieren die Tiere im Zoo Dresden auf die Stille?

Der fehlende Kontakt zu den Besuchern macht sich auch bei den Tieren bemerkbar. "Sie schauen sehr aufmerksam, wenn jemand auf den Wegen entlangläuft", berichtet Kurator Matthias Hendel. Seit 13 Jahren begleitet er das Geschehen im Dresdner Zoo und beobachtet nun die Veränderungen, die der Lockdown bei den Tieren mit sich bringt. Wie zum Beweis ergreifen die Nilgau-Antilopen dann auch sofort die Flucht, als der SZ-Fotograf die Kamera auf sie richtet. In schnellem Galopp ziehen sie sich in den hinteren Teil ihrer Außenanlage zurück.

Doch Matthias Hendel beruhigt: "Sobald der Zoo wieder aufmacht und Besucher unterwegs sind, gewöhnen sich die Tiere schnell daran." Dann verlieren sie auch wieder ihre Scheu. Es ist also nicht zu befürchten, dass die Antilopen künftig den Blicken der Gäste verborgen bleiben.

Keine Besucher mehr gewöhnt: Beim Anblick des SZ-Fotografen mit seiner Kamera ergreifen die Nilgau-Antilopen die Flucht. Sie werden sich nach der Öffnung des Zoos wohl erst wieder an die Menschenmassen gewöhnen müssen.
Keine Besucher mehr gewöhnt: Beim Anblick des SZ-Fotografen mit seiner Kamera ergreifen die Nilgau-Antilopen die Flucht. Sie werden sich nach der Öffnung des Zoos wohl erst wieder an die Menschenmassen gewöhnen müssen. ©  Rene Meinig

Ganz anders reagieren indes die Orang-Utans auf die ausbleibenden Besucher. "Für sie ist es eigentlich eine gute Unterhaltung, wenn Menschen vor den Scheiben im Affenhaus stehen", sagt Wolfgang Ludwig, der als Kurator für die Elefanten, Affen und Raubtiere zuständig ist. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er im Dresdner Zoo - so etwas wie wochenlangen Schließungen im Lockdown jetzt und im Frühjahr hat der 60-Jährige noch nicht erlebt. "Es ist für uns alle eine völlig ungewohnte Situation." Es sei seltsam, denn die Tiere werden ja für die Besucher gehalten, nun könne der Zoo seinen eigentlich Zweck nicht erfüllen. Zwar sei im Winter normalerweise deutlich weniger los, aber dass über Wochen hinweg gar niemand kommt, das hat es so noch nie gegeben.

Wolfgang Ludwig hofft, dass der Zoo nach den Winterferien wieder öffnen darf, immerhin sei man gut darauf vorbereitet, dass Besucher Abstand halten können. Die Tierhäuser könnten - wie schon einmal im Frühjahr - vorerst geschlossen bleiben. Für die Orang-Utans würde das allerdings auch weiterhin bedeuten, dass sie niemanden zu Gesicht bekommen. Sie dürfen erst ab einer Lufttemperatur von 15 Grad ins Außengehege, sonst ist es für die Menschenaffen zu kalt.

Dabei vermissen vor allem sie die Abwechslung, die sie mit den Besuchern bekommen. Da fragt man sich, wer eigentlich wen beobachtet. Besonders Orang-Utan-Männchen Toni, der von Pflegern per Hand aufgezogen wurde, leidet darunter, dass vor seiner Scheibe nicht viel passiert, erklärt Ludwig. Hier sind Ideen gefragt. So sorgt seit einigen Tagen ein Fernseher, den die Pfleger vor den Glasscheiben aufgestellt haben, für Unterhaltung.

Tier-Dokus sollen für Abwechslung bei den Orang-Utans sorgen. Auch die Serie aus dem Dresdner Zoo, "Dresdner Schnauzen", steht mit auf dem TV-Programm.
Tier-Dokus sollen für Abwechslung bei den Orang-Utans sorgen. Auch die Serie aus dem Dresdner Zoo, "Dresdner Schnauzen", steht mit auf dem TV-Programm. ©  Rene Meinig

Fasziniert schaut Toni auf den Bildschirm, auf dem gerade ein anderer Orang-Utan zu sehen ist. "Diese Filme kommen besonders gut an." Vor allem Affendame Daisy würde ganz gespannt verfolgen, was ihre Artgenossen in freier Wildbahn auf Sumatra treiben. "Die Menschenaffen erkennen die Bilder genauso gut wie wir." Neben Tier-Dokus aus aller Welt gibt es auch Serien der "Dresdner Schnauzen" aus dem eigenen Zoo zu sehen.

Wolfgang Ludwig ist sich sicher, dass die Orang-Utans dort auch Pfleger erkennen, die gar nicht mehr im Zoo arbeiten. Oder sich selbst. Pfleger Roman Richter bestätigt, dass das TV-Angebot gut ankommt. Doch auch so lassen sich die Mitarbeiter einiges einfallen, um die Tiere zu beschäftigen. Nächste Woche kommt eine extra Lieferung besonders fester Papprollen, mit denen die Affen spielen und sie auseinandernehmen. "Wir legen auch Papiertüten oben auf das Gitter, die sie sich dann ins Gehege ziehen." Besonders beliebt ist außerdem jede Menge Holzwolle, aus der kuschelige Nester geformt werden.

Bei Toni kommt der SZ-Fotograf übrigens besser an: Das stattliche Affenmännchen verfolgt genau, wie die Technik aufgebaut wird, dicht hinter der Scheibe sitzend scheint er Kontakt nach außen zu suchen und die Abwechslung zum täglichen TV-Programm zu genießen. Und auch sein fünfjähriger Sohn Dalai gesellt sich zu ihm und beobachtet ganz genau, was da draußen vor sich geht.

Orang-Utan Toni freut sich über die Abwechslung, die das SZ-Team in den Zoo bringt, und beobachtet ganz genau.
Orang-Utan Toni freut sich über die Abwechslung, die das SZ-Team in den Zoo bringt, und beobachtet ganz genau. © René Meinig

Auch andere Pfleger überlegen, wie sie ihren Tiere den Alltag etwas lebendiger gestalten können: Die Giraffen bekommen hin und wieder Musik aus großen Lautsprechern vorgespielt - auch das ist eine Idee gegen zu viel Stille und Langeweile.

Welche Tierbabys wurden geboren?

Im Winter gibt es natürlich nicht so viel Nachwuchs wie in der warmen Jahreszeit, dennoch wurden in den vergangenen Tagen und Wochen einige Tierbabys geboren. Besonders niedlich ist der schneeweiße Nachwuchs bei den Guereza-Affen. Die Mantelaffen sind auch auf dem Logo des Dresdner Zoos zu finden, deshalb ist die Freude über den weiteren Zuchterfolg groß.

Damit sich möglichst viele Affen aus der Gruppe an der Aufzucht beteiligen, haben die Kleinen dieses helle Fell, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Seine ersten Wochen wird es im Professor-Brandes-Haus nun vorerst ohne menschliche Beobachter verbringen.

Die Mantelaffen zieren das Logo des Dresdner Zoos. Nun gab es schneeweißen Nachwuchs im Professor-Brandes-Haus. Wie das kleine Äffchen auf Besucher reagiert, bleibt abzuwarten.
Die Mantelaffen zieren das Logo des Dresdner Zoos. Nun gab es schneeweißen Nachwuchs im Professor-Brandes-Haus. Wie das kleine Äffchen auf Besucher reagiert, bleibt abzuwarten. ©  Rene Meinig

Für eine Weihnachtsüberraschung der besonderen Art sorgte am 24. Dezember außerdem die Banteng-Kuh Ilonka. Bantengs sind eine tropische Rinderart. Am ersten Weihnachtsfeiertag entdeckte der Pfleger den Nachwuchs im Stall und taufte das Kalb auf den Namen Campino. Warum ausgerechnet dieser Name, kann Kurator Matthias Hendel nicht erklären. Wohl aber, dass die Zukunft von Campino davon abhängt, ob ein anderer Zoo ihn haben will.

Zwar ist die Rinderart in freier Wildbahn bedroht, aber es gibt für diese Tierart keine Auswilderungsprojekte. "So hart es klingt: Wenn sich kein Zoo findet, wird er in eineinhalb Jahren wohl als Löwenfutter enden." Nun heißt es also, Daumen drücken für den kleinen Campino.

Banteng-Junges Campino kam Weihnachten im Dresdner Zoo zur Welt.
Banteng-Junges Campino kam Weihnachten im Dresdner Zoo zur Welt. © Sven Ellger

Wie hat sich der neue Elefantenbulle Tonga eingelebt?

Einen festen Platz im Dresdner Zoo hat inzwischen der Neue bei den Elefanten: Tonga hat sich gut eingelebt, berichtet Wolfgang Ludwig. Anfang November ist der Fünf-Tonnen-Bulle aus dem Serengeti-Park Hodenhagen nach Dresden gekommen. Tatsächlich macht er einen entspannten Eindruck, als er sich im Afrika-Haus das Heu aus einer Kugel in fast fünf Metern Höhe fischt.

Mit den drei Elefanten-Damen Sawu, Mogli und Drumbo hat er sich zwar angefreundet, allerdings hält sich das Interesse an seinen weiblichen Mitbewohnern bislang in Grenzen. "Am Anfang waren die Kühe ganz aufgeregt und haben sich zum Schlafen nachts nicht mehr hingelegt."

Elefantenbulle Tonga ist seit November im Dresdner Zoo und hat sich bestens eingelebt. Besucher durften ihn bislang noch nicht bestaunen.
Elefantenbulle Tonga ist seit November im Dresdner Zoo und hat sich bestens eingelebt. Besucher durften ihn bislang noch nicht bestaunen. ©  Rene Meinig

Immerhin hat Sawu, die im Dezember paarungsbereit war, die Nähe von Tonga zugelassen. "Das ist ein gutes Zeichen", sagt Wolfgang Ludwig. Zum Paarungsakt ist es allerdings nicht gekommen. Tonga hat den Ruf, sehr wählerisch zu sein, sowohl bei seinen Elefanten-Damen als auch bei den Pflegern. "In Hodenhagen hat er sich mit nur einer Kuh gepaart." Um den Umgang mit dem stattlichen Bullen zu erleichtern, üben die Pfleger nun bestimmte Kommandos mit ihm. Die Dresdner Elefanten seien immer gut erzogen, so Ludwig. Das habe auch der Wiener Zoo bestätigt, wo Tongas Vorgänger Tembo nun lebt. "Ihm geht es dort sehr gut."

Was erwartet die Besucher, wenn der Zoo wieder öffnet?

In den vergangenen Wochen haben die Zoo-Mitarbeiter die Zeit ohne Besucher genutzt, um einige Bauarbeiten an den Gehegen und den Anlagen vorzunehmen. An der Außenanlage am Professor-Brandes-Haus und rund um das Streichelgehege gibt es jetzt neue Zäune. Mit Publikumsverkehr wären diese Arbeiten deutlich aufwendiger gewesen, berichtet Kurator Matthias Hendel. Die Ponys haben einen neuen Heuschauer bekommen und im Antilopenhaus wurden die Stallboxen ausgebaut.

Sichtbar tut sich nun auch etwas am geplanten Neubau für die Orang-Utans: Auf dem Gelände neben dem jetzigen Domizil wurde der Verlauf der Außenmauern des neuen Gebäudes markiert. "Die Planungen gehen weiter und wir hoffen auf den ersten Spatenstich in diesem Jahr", sagt Wolfgang Ludwig.

Auf der Fläche neben dem jetzigen Menschenaffenhaus soll ein Neubau für die Orang-Utans entstehen. Die Außenmauern wurden jetzt mit Holzpflöcken markiert. In diesem Jahr ist der erste Spatenstich dafür geplant.
Auf der Fläche neben dem jetzigen Menschenaffenhaus soll ein Neubau für die Orang-Utans entstehen. Die Außenmauern wurden jetzt mit Holzpflöcken markiert. In diesem Jahr ist der erste Spatenstich dafür geplant. ©  Rene Meinig

Die Flamingos haben ihre alte Anlage inzwischen verlassen, die Fläche ist Teil des neuen Orang-Utan-Hauses. Unbewohnt ist sie allerdings noch nicht, denn sie bietet Enten Unterschlupf, die nun angesichts der grassierenden Vogelgrippe ein eigenes Domizil bekommen haben. Mit getrennten Gruppen soll verhindert werden, dass alle Vögel getötet werden müssen, sollte es einen Vogelgrippe-Fall im Dresdner Zoo geben, erklärt Ludwig.

Sobald der Zoo wieder seine Pforten öffnet, soll die neue Flamingo-Anlage offiziell eröffnet werden. Besucher können künftig durch die große Voliere spazieren und die Flamingos hautnah erleben.

Zudem gibt es ab Ostern eine ganz neue Tierart im Dresdner Zoo zu bestaunen. Auf der ehemaligen Anlage der Parma-Kängurus werden zunächst zwei männliche Löffelhunde einziehen. Das Bruderpaar kommt aus dem Zoo Magdeburg und soll später mit Weibchen für Nachwuchs sorgen. Geplant war das so allerdings nicht, aber ein räuberischer Fuchs reduzierte Ende vergangenen Jahres die kleine Känguru-Herde, indem er zwei Tiere riss. "Es war bereits der zweite Fuchs-Angriff in wenigen Jahren", so Hendel. Dem folgte die Entscheidung, die Haltung der schutzbedürftigen Känguru-Art zu beenden und auf eine wehrhaftere Tierart wie die afrikanischen Kleinhunde umzusatteln. Charakteristisch sind ihre großen Ohren, mit denen sie kleinste Insekten orten, die sie fressen.

Wie kann ich verfolgen, was gerade im Zoo geschieht?

Damit alle Zoo-Freunde immer auf dem Laufenden bleiben, nutzt der Dresdner Zoo für Neuigkeiten auch soziale Netzwerke wie Facebook. Hier berichten die Mitarbeiter von ihren täglichen Erlebnissen mit den Tieren - so wie an diesem Dienstag, als die Löwen einen Schneemann, oder besser ein Schneetier auf der Außenanlage vorfanden und eine Menge Spaß damit hatten.

www.facebook.com/ZooDresden

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