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Container-Pläne für Geflüchtete: Kritik an Dresdens Oberbürgermeister Hilbert

Mehrere Container sollen in Dresden zur Unterbringung Geflüchteter aufgebaut werden. Bürgerversammlungen sollen dem zu erwartenden Protest Einhalt gebieten. Dass diese ohne OB Hilbert geplant sind, sorgt für Kritik.

Von Andreas Weller
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Vor einem Jahr präsentierte OB Dirk Hilbert das Ankunftszentrum für Geflüchtete aus der Ukraine.
Vor einem Jahr präsentierte OB Dirk Hilbert das Ankunftszentrum für Geflüchtete aus der Ukraine. © xcitepress/Benedict Bartsch

Dresden. Immer mehr Menschen fliehen aus den Kriegs- und Krisenregionen auf der Welt. Neben den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, rechnet Dresden mit vielen Geflüchteten aus anderen Ländern, in diesem Jahr müssen demnach rund 2.200 Personen zusätzlich in der Stadt untergebracht werden.

Dabei setzt Dresden auch auf Wohncontainer, die an neun Standorten errichtet werden sollen, um dort jeweils 48 bis zu 152 Personen unterzubringen. Die jeweiligen Standorte sollen den Dresdnerinnen und Dresdnern vorgestellt und erläutert werden. Doch diese Veranstaltungen sollen ohne Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stattfinden.

Bürgerinformation ohne OB Hilbert

Die Stadt erwartet, dass ihr rund 2.200 Asylbewerber vorwiegend aus Afghanistan, Georgien, Indien, dem Irak, dem Libanon, Libyen, Syrien, Tunesien, der Türkei und Venezuela zugewiesen werden. Die Unterbringung ist eine Pflichtaufgabe. Da nicht ausreichend Wohnungen zur Verfügung stehen und weil die Stadt vermeiden will, Sporthallen zu belegen und Zeltstädte aufzubauen, sollen im Laufe des Jahres mobile Raumeinheiten aufgebaut werden. Die Standorte dafür gibt es auch, die Gesamtkosten für Miete, Aufbau und Bewirtschaftung der Container, inklusive sozialer Betreuung, sollen für zwei Jahre bei rund 47 Millionen Euro liegen.

Um die Dresdner zu informieren, hat Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) angekündigt, dass sie am 31. März mit einer zentralen Infoveranstaltung in der Dreikönigskriche beginnen will, sie und Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) in den sieben als Standorte vorgesehenen Stadtbezirksbeiräten in öffentlicher Sitzung informieren und es vor jeder Eröffnung die Möglichkeit geben wird, dass sich Bürger die Container vor Ort ansehen und Fragen stellen können. Was auffällt: Dass sich OB Hilbert den Dresdnern stellt, ist nicht geplant.

"OB Hilbert hat aus 2015 nichts gelernt"

Das stößt auf Kritik. "Scheinbar hat OB Hilbert aus 2015 nichts gelernt. Damals war die Information der Verwaltung zur Unterbringung von Geflüchteten unzureichend und intransparent", sagt SPD-Stadtrat Vincent Drews. "Wenn man jetzt glaubt, mit einer zentralen Informationsveranstaltung auszukommen, begeht man dieselben Fehler erneut. Unerhört ist jedoch, dass sich OB Hilbert auch noch einen schlanken Fuß macht. Als im vergangenen Jahr viele Geflüchtete aus der Ukraine kamen, war Herr Hilbert bei jedem Termin dabei. Jetzt delegiert er es an die Beigeordneten. Offensichtlich ist das Thema nur Chefsache, wenn man sich damit in der Stadt beliebt machen kann."

Sicher haben die Bürgermeister die fachliche Expertise, meint Dissidenten-Stadtrat Michael Schmelich. "Aber bei einem so emotional aufgeladenen Thema hat sich der gewählte OB zu stellen. Da muss der General ran und kann nicht seine Unteroffiziere schicken." Bei den Geflüchteten aus der Ukraine sei eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung da. Deshalb sei es "keine Kunst", sich wie Hilbert zur Ukraine zu äußern. "Man muss sich für diejenigen einsetzen, die um Akzeptanz kämpfen müssen - da kommt der OB seiner Verantwortung nicht nach und kneift somit", sagt Schmelich.

Auch Linke-Fraktionschef André Schollbach sagt: "Als Oberbürgermeister hat man seine Verantwortung wahrzunehmen und sich den Bürgern zu stellen. Hilbert duckt sich feige weg, statt sich der Diskussion über die von ihm getroffenen Entscheidungen zu stellen."

"Habe Angst um sozialen Frieden in Dresden"

Wichtig sei, dass die Stadt informiert, sagt CDU-Stadtrat Peter Krüger. "Aber das kommt viel zu spät. Wir als Stadträte werden mit Fragen bombardiert." Dresden bade wie viele andere Städte eine aus Krügers Sicht "verfehlte Einwanderungspolitik" des Bundes aus. "Die Leute fühlen sich ungerecht behandelt, das erzeugt Frust und die AfD lacht sich schlapp", so Krüger. Deswegen müsse man eng zusammenstehen, "um Demagogen die Stirn zu bieten. Aber wenn man die Stadtbezirksbeiräte und Stadträte nicht rechtzeitig informiert, entstehen Gerüchte und Fake-News." Das ärgere Krüger schon länger und müsse nicht sein. "Ich habe Angst um den sozialen Frieden in Dresden."

Die Standorte seien zum Teil nicht schlüssig, kritisiert FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. "Ich kann nicht, wie in Schönfeld-Weißig geplant, Container neben einem Sportplatz aufstellen. Auch in Leuben fehlt es an Sensibilität." Deshalb müsse nun ganz schnell die Bevölkerung informiert werden. "Wenn man es gut erklärt, wird es mehr Verständnis geben." Auch er sehe Fehler in der Bundespolitik, die Dresden ausbade.

Es seien "unangenehme Veranstaltungen" zu erwarten, fürchtet auch Grünen-Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne. Dennoch sei es "super", dass die Stadtbezirksbeiräte von der Verwaltungsspitze informiert werden. "Die Bürgermeister vertreten dort den OB."

"OB ist noch nie einer Diskussion aus dem Weg gegangen"

"Grundsätzlich handelt es sich bei den Standorten für mobile Raumeinheiten zur Unterbringung von Asylsuchenden um eine Fachvorlage, die durch die zuständigen Beigeordneten erarbeitet wurde", erklärt Rathaussprecher Kai Schulz, weshalb der OB nicht teilnimmt. "Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Dafür sind Frau Kaufmann und Herr Kühn fachlich verantwortlich und vor allem in der Tiefe der Materie aussagefähig."

Die Kritik an Hilbert sei nicht angemessen. "Der Oberbürgermeister ist noch nie einer Diskussion über die Unterbringung von Asylsuchenden aus dem Weg gegangen - weder in den Jahren ab 2015 noch jetzt", so Schulz. "Ob in seinen Bürgersprechstunden, den zahlreichen Gesprächen mit Migranten-Gruppen oder den Vor-Ort-Besuchen in den Stadtteilen, das Thema spielt seit Jahren eine herausragende Rolle. Gleichzeitig nutzt der OB seine Stimme in den politischen Gremien, wie etwa dem Sächsischen und Deutschen Städtetag, um auf die höchst angespannte Situation in den Kommunen aufmerksam zu machen. Alle demokratischen Kräfte, auch im Stadtrat, sollten der Verwaltung in dieser Situation den Rücken stärken und nicht eigene populistische Rechnungen aufmachen."