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Neue Architektur-Regeln in Dresden: "Hohe Baukultur gehört zur DNA dieser Stadt"

In Dresden wird immer wieder ums Bauen gestritten. Nun legt das Stadtplanungsamt eine Leitlinie vor. Was lässt sich damit erreichen? Und vor allem: was nicht?

Von Christoph Pengel
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Den Dresdner Postplatz empfinden viele Dresdner auch nach der Umgestaltung als hässlich.
Den Dresdner Postplatz empfinden viele Dresdner auch nach der Umgestaltung als hässlich. © Matthias Rietschel

Dresden. Die Dresdner Verwaltung hat am Mittwochnachmittag im Rathaus ihre neuen Leitlinien für Architektur und Stadtplanung vorgestellt. "Hohe Baukultur gehört seit Jahrhunderten zur DNA dieser Stadt", sagte Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne). Entsprechend hoch seien die Erwartungen der Bürger, wenn neue Wohn-, Geschäfts- oder Verwaltungsgebäude entstehen. Immer wieder werde Kritik laut - von Medien, Stadträten und Fachleuten.

Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist der Postplatz, dessen Neugestaltung viele Beobachter als nicht gelungen einstufen. Auch um das geplante Verwaltungszentrum am Ferdinandplatz gab und gibt es viel Streit.

Aus diesen Gründen wurde bereits 2016 eine Gestaltungskommission gegründet. Deren Mitglieder beraten sowohl Investoren als auch die Verwaltung. Und 2019 beauftragte der Stadtrat die Verwaltung damit, Prinzipien aufzustellen, an denen sich Bauherren orientieren können. Herausgekommen ist eine rund 100-seitige Broschüre, über die der Stadtrat demnächst abstimmen soll.

In diesem Artikel:

  • Müssen sich Bauherren an die Leitlinien halten?
  • Was sehen die Leitlinien für die Stadtplanung vor?
  • Welche Leitlinien gibt es für Gebäude`
  • Welche Rolle spielt das Klima?

Müssen sich Bauherren an die Leitlinien halten?

Nein. Die in der Broschüre versammelten Leitlinien sind rechtlich nicht bindend. Baubürgermeister Kühn spricht von einem "Rezeptbuch mit Serviervorschlägen". Die Verwaltung sieht darin eine "Einladung zum Austausch" zwischen Stadtrat, Bürgern, Architekten und Investoren. Die Leitlinien können demnach aber eine fachliche Grundlage für Diskussionen um neue Bauwerke liefern. "Letztlich ist es ein Dialogangebot", sagt Kühn.

Nach Ansicht des Baubürgermeisters steht die Stadt vor der Herausforderung, dass der Einfluss auf private Bauprojekte begrenzt ist - solange sich die Investoren an rechtliche Regeln und die Vorgaben des Bebauungsplans halten. Dennoch versuche die Verwaltung, ihre Vorstellungen durchzusetzen und auch den Bürgern eine Stimme zu geben. Dabei bilden die Leitlinien, die Gestaltungskommission und der Erlweinpreis, der für besondere Bauprojekte verliehen wird, laut Kühn einen "Dreiklang".

Stefan Szugat, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Mobilität, weist darauf hin, dass auch die Stadt an einigen Stellen als Bauherr agiert. Dort werde man sich die Leitlinien selbstverständlich zum Vorbild nehmen.

Was sehen die Leitlinien vor?

Die Leitlinien setzen Maßstäbe dafür, wie in Dresden gebaut werden sollte. Und zwar im Großen wie im Kleinen. In fünf Kapiteln geht es um die Baukultur, dann um den Stadtraum, den Städtebau, die Stadtstrukturen und schließlich um Gebäude.

Zur Baukultur werden neun Thesen aufgestellt. Die erste lautet: "Historische Spuren bilden das Fundament für Neues". Mit anderen Worten: Wo immer neue Gebäude entstehen, sollten Planer lokale Besonderheiten beachten - und nicht irgendwelche Dinge entwerfen, die sich nicht in die Umgebung einfügen.

Die zweite These besagt, dass eine "gemischte Stadt" für mehr Lebensqualität sorgt. Wohnen, Arbeiten, Erholen: Quartiere dienen im Idealfall nicht nur einem Zweck, sondern vereinen mehrere Funktionen. Die Atmosphäre in den Vierteln soll "Identität" stiften, Gebäude sollen daher so gebaut werden, dass sich Menschen dort wohl fühlen.

Welche Leitlinien gibt es für Gebäude?

Im Kapitel über Gebäude haben die Dresdner Architekten Tom und Henrike Schaper Prinzipien mit Zeichnungen und Fotobeispielen verdeutlicht. Sie geben Hinweise für Werbung an Gebäuden, Breite von Zufahrtswegen und Vorgärten. Mit Blick auf Fassaden schlagen sie ein "Wechselspiel" statt "toter Fassaden" vor.

Zudem könnten Bauherren auf Blockecken setzen, ein "Dresdner Spezifikum". Dabei laufen die Wände nicht auf eine Spitze zu, sondern auf Flächen oder Rundungen. Was die Begrünung angeht, so besagt eine Richtlinie, einen Baum pro 100 Quadratmeter unbebauter Fläche zu pflanzen.

Veröffentlicht werden die Leitlinien erst dann komplett, wenn der Stadtrat sie beschlossen hat.

Welche Rolle spielt das Klima?

Laut Kühn spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle in den Leitlinien. "Dresden steht wie alle Städte vor der Aufgabe, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen", sagt er. Dächer und Fassaden sollen begrünt werden, auch um Platz für Tierarten zu schaffen. Bäume sollen Schatten spenden.

Amtsleiter Szugat erwähnt unter anderem das "Schwammstadt-Prinzip". Statt Regenwasser über Kanäle in die Elbe zu leiten, könnte es an Ort und Stelle genutzt werden - etwa zur Bewässerung von Pflanzen.