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Alltagsrassismus in Dresden: "Es gibt ihn auch in den Behörden der Stadt"

Alltagsrassismus und Vorurteile gegen Menschen mit Migrationsgeschichte nehmen zu, sagen Betroffene und Statistiken. Wie sich Dresden dagegen wehrt.

Von Dirk Hein
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Irma Castillo kämpft in Dresden gegen Rassismus.
Irma Castillo kämpft in Dresden gegen Rassismus. © Christian Juppe

Dresden. "Viele Menschen in Dresden weichen in ihrer ersten Reaktion zurück, wenn sie anderen Menschen gegenüberstehen, die nicht 'typisch deutsch' sind. Dahinter steht ein gespeichertes Menschenbild", sagt Irma Castillo. Diese Form von Alltagsrassismus verletze und sorge dafür, das sich viele Menschen mit Migrationshintergrund irgendwann zurückziehen würden, statt sich einzubringen.

"Wir wollten ein bisschen provozieren"

Irma Castillo selbst kam 1988 aus Peru nach Dresden. Sie fand in den Unruhen der Wendezeit Halt und Solidarität im Dresdner Rathaus, begann dort in der Gleichstellungsbehörde zu arbeiten. Später kämpfte sie 16 Jahre lang als Personalvertretung gegen den Stellenabbau in der Stadtverwaltung und arbeitet jetzt als Referentin für Demokratie und Zivilgesellschaft weiterhin im Rathaus.

Irma Castillo und ihr Team sind dafür verantwortlich, dass hinter der Überschrift für die internationalen Wochen gegen Rassismus ein Fragezeichen und kein Ausrufezeichen steht: "Menschenrechte für alle … auch in Dresden?"

120 Veranstaltungen - so viele wie noch nie - stehen unter diesem Motto bis zum 6. April, dem Todestag des in Dresden aus rassistischen Motiven ermordeten Jorge Gomondai, auf dem Programm.

"Wir wollen mit dem Fragezeichen natürlich ein bisschen provozieren", sagt Irma Castillo. "Alle sagen, die Menschenrecht sind selbstverständlich. Die Wahrnehmung vieler Betroffener ist leider eine andere."

Aus ihrer Sicht hat Alltagsrassismus zugenommen, bis hinein in die Behörden der Stadtverwaltung. "Auch dort spürt man leider teilweise Ablehnung." Entmutigen lasse sie sich dadurch nicht. "Ich versuche immer wieder mich zu öffnen und auf die Menschen zuzugehen, viele können das nicht mehr, sie sind seelisch zu stark verletzt."

Frauen als "Frischfleisch" für Geflüchtete?

Hussein Jinah kam als Gaststudent in die DDR. Er war Streetworker in Dresden und stand als erster Gegendemonstrant am Rande der aufkommenden Pegida-Proteste. Ihm hat sich vor allem die auf Asyl-Infoveranstaltungen offen geäußerte vermeintliche Sorge von Frauen ins Gedächtnis gebrannt, sie würden zum "Frischfleisch" für Geflüchtete werden, falls neue Asyl-Unterkünfte kommen. "Diese Form von Rassismus hatte sich nach dem Aufkommen von Pegida stark abgeschwächt, 2023 fing es sehr drastisch wieder an."

Gestützt wird seine Beobachtung von aktuellen Statistiken. Dass Toleranz und Weltoffenheit längst nicht selbstverständlich sind, belegt etwa der Sachsen-Monitor 2023 der Landesregierung: Menschenfeindliche Haltungen haben demnach stark zugenommen gegenüber Langzeitarbeitslosen (66 Prozent, plus 15 Prozentpunkte), Muslimen (54 Prozent, plus 16 Prozentpunkte), Sinti und Roma (46 Prozent, plus 11 Prozentpunkte) sowie gleichgeschlechtlich lebenden Menschen (30 Prozent, plus sieben Prozentpunkte). 18 Prozent der Sachsen stimmen der antisemitischen Aussage „Juden haben zu viel Macht in der Welt“ zu (plus zwei Prozentpunkte).

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) sagt mit Blick auf die anstehenden Wahlentscheidungen in Dresden, im Freistaat und in Europa: "Vor uns liegt ein spannendes Jahr. Es ist leider auch in Dresden so, dass Rassismus sich seinen Weg in den Alltag bahnen will, egal ob hinsichtlich der Herkunft, der sexuellen Orientierung oder der sozialen Lage." Dresden wolle alles dagegen tun, um aus dem Fragezeichen in der Überschrift der "internationalen Wochen gegen Rassismus" wieder ein Ausrufezeichen zu machen.

Internationale Wochen gegen Rassismus

Gelingen soll das unter anderem mit einem ambitionierten Programm. Am 20. März, 16 Uhr, eröffnet OB Hilbert die durch Deutschland tourende Ausstellung „Toleranz-Räume“ auf dem Altmarkt. Dort lässt sich erleben, wie Toleranz im Zusammenleben funktionieren kann, aber auch wo sie ihre Grenzen hat. Die Ausstellung ist bis zum 5. April ganztägig öffentlich und kostenfrei zugänglich. Nahezu täglich sind Guides von 15 bis 18 Uhr vor Ort, um Interessierte durch die Ausstellung führen.

Am 21. März, 14 Uhr, startet zudem eine "Kritische Radtour" für Demokratie und gegen Rassismus am Bahnhof Neustadt. Auf dieser Radtour werden nicht nur Dresdner Gedenkorte aufgesucht, die an rassistische Geschehnisse in der Vergangenheit erinnern. Sondern es wird auch ein kritischer Blick auf die Gegenwart der Stadt geworfen.

Der 6. April steht indes im Zeichen des Gedenkens an Jorge Gomondai. Eine Radtour ab 15 Uhr thematisiert dessen Leben als DDR-Vertragsarbeiter in Dresden, die Erinnerung an seinen gewaltsamen Tod, die juristische Aufarbeitung der Tat am Landgericht Dresden und den Kampf um Entschädigung und Lohnzahlung von ehemaligen Vertragsarbeitern aus Mosambik.

Das komplette Programm der "internationalen Wochen gegen Rassismus" ist abrufbar unter www.dresden.de/iwgr