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Was freigelegte Bäche den Dresdnern bringen

Auf den Feldern zwischen Bühlau und Weißig floss das Wasser jahrzehntelang unterirdisch in Rohren. Seit dem Sommer plätschern zwei Bäche wieder im neuen Bachbett. Das schützt auch die Dresdner Anlieger.

Von Kay Haufe
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Isolde Russig kennt den Quohrener Feldgraben noch aus ihrer Kindheit, als er auf dem Land ihrer Eltern zwischen Bühlau und Weißig offen floss.
Isolde Russig kennt den Quohrener Feldgraben noch aus ihrer Kindheit, als er auf dem Land ihrer Eltern zwischen Bühlau und Weißig offen floss. © Matthias Rietschel

Dresden. Für Anwohner und Wanderer ist es ein Stück wiedergewonnene Natur, für Isolde Russig indes ist der wieder freigelegte Quohrener Feldgraben noch viel mehr. Er ermöglicht ihr eine Reise in ihre Kindheit. Bevor der Bach 1972/73 in Rohre unter die Erde gezwängt wurde, damit die Felder in der sozialistischen Landwirtschaft größer und ohne Hindernisse bewirtschaftet werden konnten, bauten Isoldes Eltern, das Bauernehepaar Naumann aus Weißig, dort auf ihrem Land Feldfrüchte an und weideten Kühe an den flachen Hängen des Baches im Fuchstal.

"Ich musste die Kälber mit meinen drei Schwestern immer an anderen Plätzen anpflocken, wenn sie ringsum alles abgefressen hatten. Manchmal wollten die nicht und zogen uns hinterher", erinnert sich die heute 73-Jährige. Im Winter sind die Kinder der umliegenden Häuser auf dem kleinen Teich Schlittschuh gelaufen, der im Fuchstal angestaut wurde. "Ich war sehr traurig, als der Bach unter die Erde kam. Es war eine fast idyllische Landschaft, die plötzlich verschwunden war", erinnert sich Isolde Russig.

Umso größer war ihre Freude, als das Dresdner Umweltamt auf sie als Teil einer Erbengemeinschaft zugekommen war mit den Plänen, den Quohrener Feldgraben und den nur wenige Meter entfernten Weißiger Wiesengraben-Ost wieder offenzulegen.

Bachbetten wurden anhand alter Luftbilder modelliert

Seit dem Sommer 2022 haben Fachleute der Firma Grund- und Wasserbaugesellschaft (GWB) auf den Feldern zwischen dem Bühlauer Hornweg und der Weißiger Bahnhofsstraße die Bachbetten anhand alter Luftbilder modelliert und mit Steinen, kleinen Inseln, Flachwasserbereichen und Wurzeln gestaltet. An den Böschungen wurden Hunderte Sträucher gepflanzt, die auch der Erosion auf dem abschüssigen Gelände entgegenwirken sollen.

In diesen Rohren floss der Quohrener Feldgraben bis 2022 unter der Erde.
In diesen Rohren floss der Quohrener Feldgraben bis 2022 unter der Erde. © Foto: Umweltamt Dresden

Inzwischen plätschert das Wasser munter im kleinen Bachlauf bergab. Harald Kroll-Reeber vom Umweltamt holte einen Stein daraus hervor und zeigt die Hülle einer Köcherfliegenlarve. Auch Kriebelmücken haben sich angesiedelt, die ihre Eier in Fließgewässern ablegen. An den vergangenen warmen Wochen zogen zahlreiche Libellen hier ihre Bahnen und lassen sich Greifvögel wie Falken, Sperber und Roter Milan auf den aufgestellten Vogelstützen nieder.

Doch neben der Verbesserung des ökologischen Zustandes der Bäche und sich ansiedelnder Flora und Fauna hat die Offenlage der Bäche auch eine wichtige Hochwasserschutzfunktion. Haben Bäche ausreichend Platz und naturnahe Betten und Ufer, werden Hochwasserwellen gebremst und der Hochwasserscheitel abgesenkt. Das Wasser wird stattdessen in den Untergrund infiltriert.

Heute plätschert das Wasser munter im neuen Bachlauf.
Heute plätschert das Wasser munter im neuen Bachlauf. © Matthias Rietschel

Bachläufe in Dresden helfen auch bei Hochwasser

Die Anwohner der Heinrich-Lange-Straße in Weißig erinnern sich noch mit Schrecken daran, wie ihre Häuser nach dem Starkregen im August 2002 von Schlammmassen überschwemmt wurden. Mit dem Ausbau von Feld- und Wiesengraben haben sie und die Nutzer des Gewerbegebietes Bahnhofstraße jetzt die Sicherheit, ein 100-jährliches Hochwasser unbeschadet zu überstehen.

Rund 3,1 Millionen Euro hat der Ausbau des beiden Bäche auf rund drei Kilometern Länge gekostet und ist damit eine der größten Hochwasserschutzmaßnahmen der Stadt, sagt Dresdens neuer Umweltamtsleiter René Herold, der seit August im Amt ist, derzeit noch kommissarisch. Bereits vor drei Jahren wurde neben dem Gewerbegebiet an der Bahnhofstraße eine Brücke und ein Teil des Bachbettes neu gebaut. Von den Feldern läuft das Wasser in einem vorhandenen Durchlass unter der B6 durch in das bereits fertiggestellte Bachbett neben der Bebauung Heinrich-Lange-Straße zum Marienbad und Marienteich.

Am Quohrener Feldgraben werden im November noch weitere einheimische Sträucher wie Schneeball, Eberesche und Holunder gepflanzt. Schon am Mittwoch kamen drei Eichen in die Erde. "Vier davon standen früher fast genau an der Stelle", sagt Isolde Russig.

Seine Erinnerungen an die Weißiger Bauersfrau Liesel Naumann, die Mutter von Isolde Russig, hat Schwiegersohn Hartmut Jeromin unter diesem Link aufgeschrieben: www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=9902