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Politikforscher zur Bürgermeisterwahl: "Es geht nicht, wie OB Hilbert es gemacht hat"

Dresdens Bürgermeister-Streit sorgt für mächtig Wirbel. Hans Vorländer, Politik-Professor an der TU Dresden, spricht über den Schaden, den der Konflikt anrichtet, über Fehler und einen ungewöhnlichen Vorschlag.

Von Andreas Weller
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So lange reden, bis es eine Einigung gibt? Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert
So lange reden, bis es eine Einigung gibt? Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert © Sven Ellger

Dresden. Es ist ein offener Konflikt: Auf der einen Seite Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der Veränderungen an den Geschäftsbereichen will. Er will zudem konkrete Personen loswerden oder versetzen und seine FDP an den Posten beteiligen. Dem gegenüber stehen CDU, Grüne, Linke und SPD, die auf ihre Posten und Personen beharren. Der renommierte Dresdner Politik-Professor Hans Vorländer beobachtet das Geschehen - und hat eine klare Position zu dem diskutierten Vorschlag, einen weiteren Bürgermeisterposten zu schaffen.

Herr Prof. Vorländer, weshalb gibt es diesen Streit?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass in Sachsen die Süddeutsche Kommunalverfassung gilt. Das bedeutet, es gibt zwei Machtzentren: den Oberbürgermeister und die Stadträte. Die Idee dahinter ist, dass nicht einer alleine über die Geschicke der Stadt bestimmt. Es ist also immer auf Kooperation ausgelegt. Wenn der Oberbürgermeister und die Mehrheit im Stadtrat aus unterschiedlichen Parteien kommen, führt das immer zu Konflikten. Diese sind nur durch intensive Beratungen und Aushandlung zu lösen.

Welche Rolle haben die Bürgermeister? Sind sie dafür da, gemeinsam mit dem OB die Stadt zu leiten oder sind die quasi hauptamtliche Vertreter der ehrenamtlichen Stadträte?

Die Bürgermeister stehen dazwischen. Sie haben sowohl eine Verpflichtung dem Oberbürgermeister als auch dem Stadtrat gegenüber. Der Oberbürgermeister kann natürlich immer erwarten, dass ein Bürgermeister nicht gegen ihn agiert. Deshalb gibt es für ihn die Möglichkeit, ihrer Wahl durch den Stadtrat zu widersprechen und der Stadtrat kann dies nur mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen. Sie haben also eine Art Sandwich-Position zwischen Oberbürgermeister und Stadtrat.

"Jetzt ist der Konflikt eskaliert": Im Gespräch mit Sächsische.de ordnet Politik-Professor Hans Vorländer den Streit um Dresdens Bürgermeister ein.
"Jetzt ist der Konflikt eskaliert": Im Gespräch mit Sächsische.de ordnet Politik-Professor Hans Vorländer den Streit um Dresdens Bürgermeister ein. © Matthias Rietschel

Weshalb ist es hier eskaliert?

Es ist Aufgabe des Oberbürgermeisters, mit den Fraktionsvorsitzenden so lange zu reden, bis es eine Einigung gibt. Aber es geht nicht, so wie Herr Hilbert es gemacht hat – aus dem Urlaub Änderungsvorschläge in einer Art Unterwerfungserklärung an die Fraktionen zu schicken und dann zu erwarten, dass die Fraktionen diese unterschreiben. Das kann nicht funktionieren. Selbst im Mittelalter waren die Wahlkapitulationen lange ausgehandelt. So wie es die Beteiligten aus dem Stadtrat machen, geht es allerdings auch nicht - einfach zu sagen, wir entscheiden das.

Sind die Forderungen von OB Hilbert legitim?

Es ist natürlich sein Recht, Änderungen an den Zuschnitten der Geschäftsbereiche und auch bei der personellen Besetzung vorzuschlagen. Durch seine Wiederwahl ist Herr Hilbert zudem frisch legitimiert. Aber seine Vorstellungen muss er zunächst den Fraktionen oder deren Vorsitzenden kommunizieren und dann muss gemeinsam eine Einigung ausgehandelt werden. Jetzt ist der Konflikt eskaliert. Er schadet der Stadt, die Verwaltung ist paralysiert. Ich hätte gehofft, dass der Oberbürgermeister das in einer anderen Kommunikationsform angeht. So ist viel Porzellan zerschlagen worden, Personen wie Finanzbürgermeister Dr. Lames sind zu Schaden gekommen. Das ist nicht der richtige Weg. Aber auch die Fraktionen, die hinter der Verliererin der OB-Wahl standen, können nicht einfach darauf bestehen, dass sich nichts verändert.

Wie kann die Situation aufgelöst werden?

Aktuell blockieren sich alle gegenseitig und das ist provinziell. Der Oberbürgermeister und die Stadträte wären gut beraten, ganz neu anzufangen und ernsthaft zu verhandeln. Es geht um die Gestaltung Dresdens - mindestens für die kommenden zwei Jahre bis zur nächsten Kommunalwahl. Da müssen sich die Stadträte den Dresdnern wieder zur Wahl stellen. Und Herr Hilbert möchte seine Vorstellungen für Dresden durchsetzen. Also sollten alle ein Interesse haben, eine Lösung zu finden, die der Stadt nutzt und Schaden von den beteiligten Personen abwendet.

Kann dabei die Schaffung eines achten Bürgermeisterpostens, wie diskutiert wird, eine Lösung sein?

Einen achten oder neunten Bereich zu erfinden, verlagert die Probleme und ist nur dazu da, damit jeder versorgt ist. Das ist keine gute Lösung. Die Beteiligten müssen jetzt den Konflikt nutzen, um über die beste Lösung zu diskutieren - im Zweifel auch mit einem Mediator. Jetzt ist die Chance dafür da und es muss über alles geredet werden können, auch über die Zuschnitte der einzelnen Bereiche und deren Besetzung. Dazu muss ein Kompromiss gefunden werden.

Sie nennen es provinziell und haben in einem anderen Sächsische.de-Interview für die Stadt mehr Leute von außen gefordert. Sollten Bürgermeister mehr Fachleute statt Politiker sein?

Diese Ämter mit reinen Fachleuten zu besetzen, ist schwierig. Sie müssen ja auch politisch denken, die Verwaltungsspitze darf sich nicht gegenseitig blockieren. Bürgermeister benötigen ein gutes Fingerspitzengefühl gegenüber der Verwaltung und dem Stadtrat. Es hilft sicher, wenn man Sachverstand hat und auch mal außerhalb von Sachsen war, weil es immer guttut, wenn man den Blick von außen auch hat. Aber die Besetzung hängt von vielen Faktoren ab, zumal die Bürgermeister vom Stadtrat gewählt werden.