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Trotz "Mondpreisen": Dresden mietet in den Annenhöfen

Warum Dresden 21,70 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter in den Annenhöfen zahlen will. Und warum die Stadt mit einem anderen Beschluss etwa 400 Millionen Euro für 3.000 Wohnungen ausgeben wird.

Von Dirk Hein
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Das Amt für Schulen soll trotz reichlich Kritik nun doch in die Annenhöfe ziehen.
Das Amt für Schulen soll trotz reichlich Kritik nun doch in die Annenhöfe ziehen. © Sven Ellger

Dresden. Seit Monaten wird in Dresden über "Mondmieten" diskutiert. Für 22,50 Euro Kaltmiete sollte das Amt für Schulen in die frisch gebauten Annenhöfe einziehen. Die Empörung darüber war groß. Jetzt mietet der Rat doch in dem Neubau - zu gering verbesserten Konditionen, dafür aber mit neuen Unsicherheiten. Nahezu einmütig wurde hingegen einer der wichtigsten Beschlüsse der letzten 20 Jahre auf den Weg gebraucht.

Warum wurde so lange über die Mondmieten diskutiert?

Erster großer Aufreger im Stadtrat war der geplante Umzug des Amtes für Schulen entweder in die Annenhöfe nahe dem Postplatz oder in die Räume der ehemaligen Bezirksparteischule in der Maternistraße nahe dem WTC. Bereits zweimal scheiterte die Verwaltung mit dem Vorhaben im Stadtrat. Weil keine Mehrheiten in Sicht waren, zog OB Dirk Hilbert (FDP) die für die Stadt so wichtige Vorlage jeweils zurück.

Seit Wochen besteht jedoch großer Handlungsdruck. Das Gebäude an der Fiedlerstraße, in dem derzeit noch viele Mitarbeiter des einstigen Schulverwaltungsamtes untergebracht sind, ist marode. Zudem hat der Bauausschuss den DDR-Bau bereits verkauft. Das Gebäude soll abgerissen werden. Für die insgesamt etwa 4.000 Quadratmeter steht das Technologie-Zentrum Dresden (TZD) bereit. Deren "Bioinnovations-Zentrum" am nahe gelegenen Tatzberg platzt aus allen Nähten.

Zuerst scheiterte der Umzug in die Annenhöfe aufgrund der dort geforderten "Mondmieten". Knapp 28 Euro pro Quadratmeter Warmmiete wurden aufgerufen. Die Verwaltung suchte eilig nach einer Alternative - und fand diese an der Maternistraße. Doch um diesen Standort entbrannte ein Öko-Streit. Vor allem die CDU war der Ansicht, dass die neu gebauten Annenhöfe sich deutlich effizienter betreiben lassen.

Kurz vor dem Showdown im Rat präsentierte die Verwaltung eine Übersicht beider Standorte. Demnach werden in den Annenhöfe bei einer Mietdauer von zehn Jahren 1,8 Millionen Euro mehr Miete fällig. Obwohl das Gebäude nach hohem Standard neu gebaut wurde, ist der Energiebedarf laut Stadt höher als in der Maternistraße. Dort speichern bis zu 80 Zentimeter dicke Wände die Wärme, während die Annenhöfe klimatisiert werden.

Warum fanden die Annenhöfe plötzlich eine Mehrheit?

Im Rat wurde knapp zwei Stunden diskutiert. Für Pirat Martin Schulte-Wissermann war klar: „Die Maternistraße schlägt die Annenhöfe sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht.“ Die SPD hingegen zweifelte an den niedrigen Betriebskosten für die Maternistraße. Zudem sei unsicher, ob die Räume rechtzeitig für die Stadt fertig umgebaut seien. Ähnlich argumentierte die CDU. Matthias Dietze: "Die Annenhöfe sind eine bittere Pille, doch der Umzug in die Maternistraße ist risikobehaftet."

Aus Sicht der Linken wiegt der Wunsch der Mitarbeiter in die Annenhöfe zu ziehen höher, als die 180.000 Euro mehr Miete pro Jahr. Zudem sei der Vermieter in den Annenhöfen zumindest verhandlungsbereit gewesen, der Mietpreis wurde etwas gesenkt. Die AfD lehnte beide Standorte ab. Thomas Ladzinski: "Die Stadt ist immer noch ein Preistreiber, über 20 Euro Warmmiete sind der Bürgerschaft nicht vermittelbar."

Ein Risiko bleibt jedoch auch der nun beschlossene Umzug in die Annenhöfe. Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne): "Die Annenhöfe waren nicht bereit, vor der Abstimmung im Rat einen Mietvertrag zu unterzeichnen. Ob es danach noch die gleichen Konditionen sind, werden wir sehen."

Warum will Dresden 3.000 Vonovia-Wohnungen kaufen?

Am Mittwoch hatte OB Dirk Hilbert die Eckpunkte für den Haushalt 2023/24 vorgestellt. Demnach will Dresden innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Bestand von 5.000 kommunalen Wohnungen aufbauen. Der Weg dahin ist weit. Die kommunale Wohnungsgesellschaft Wohnen in Dresden (WID) besitzt derzeit 235 Neubauwohnungen, 345 Bestandswohnungen sowie 737 Wohnungen, an denen noch gearbeitet wird. Momentan kommt das Unternehmen so im Jahr 2026 auf 1.317 Wohnungen.

Weil bauen allein nicht reicht, will die Verwaltung 3.000 Wohnungen von der Vonovia kaufen. Das Unternehmen ist dazu grundsätzlich bereit und hat eine Absichtserklärung unterzeichnet. OB Hilbert hat angekündigt, die notwendigen 40 Millionen Euro an Eigenkapital in den Haushalt einzustellen. Damit könnten Wohnungen im Gesamtwert von etwa 400 Millionen Euro gekauft werden. Drei Millionen Euro will die Stadt in Berater investieren, die den Deal juristisch und bautechnisch absichern.

Obwohl der Finanzausschuss einen Beschluss über die geplante Absichtserklärung verschoben hat, wollte der OB das Thema durch den Stadtrat drücken. "Ich kann nur an den Rat appellieren: Wir müssen diese Erklärung verabschieden und nicht irgendwelche Spielchen spielen", so Hilbert.

Welche Bedeutung hat der 400-Millionen-Deal?

Dissident Michael Schmelich: "Die Dimension des Beschlusses ist extrem. Es ist eine der größten Investitionen der letzten 20 Jahre. Ich bin froh, dass CDU und FDP das mittragen. Es ist die Chance einen Dauerkonflikt der letzten Jahre abzuschwächen." Schmelich hatte mit seiner Fraktion durch einen Antrag den Anstoß für die Verhandlungen gegeben.

Linke, SPD und Grüne unterstützten den Plan des OBs, übten aber auch deutliche Kritik. Die Linke kritisierte die intransparente Verhandlungsführung in Hinterzimmern. Die Grüne mahnten: "Wir brauchen keine Schrottimmobilien, wir sollten dem OB deutliche Hinweise geben, in welche Richtung der Deal sich entwickeln muss", so Thomas Löser.

Mit 50 Ja Stimmen bei 15 Gegenstimmen stimmte der Rat zu. Die Rathaus-Spitze und Vonovia werden jetzt in konkrete Verhandlungen einsteigen. Der Verkaufsprozess soll innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden. Eine Pflicht zum Kauf besteht nicht. Das letzte Wort hat am Ende erneut der Rat.