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Trotz Mondmieten: Warum sich Dresden unbedingt in die Annenhöfe einmieten will

Das Dresdner Schulamt soll an den Postplatz ziehen, obwohl dort 27,50 Euro Warmmiete aufgerufen werden. Platzt der Umzug, wäre das fatal, sagt nun der Kanzler der TU Dresden.

Von Dirk Hein
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Zu teuer oder schlicht unumgänglich? Um die modernen Annenhöfe am Postplatz ist ein Streit entbrannt.
Zu teuer oder schlicht unumgänglich? Um die modernen Annenhöfe am Postplatz ist ein Streit entbrannt. © Knerer und Lang Architekte

Dresden. Das "Amt für Schulen" soll aus einem maroden Gebäude an der Fiedlerstraße in komplett neue Räume nahe dem Postplatz ziehen. Dort werden jedoch für den Dresdner Büromarkt extreme Mieten aufgerufen: Für die zukünftig 180 Mitarbeiter würden jährliche Mietzahlungen in Höhe von 1,17 Millionen Euro Warmmiete fällig. Dresden will daran dennoch festhalten - vor allem, weil das Grundstück an der Fiedlerstraße heiß begeht ist.

Was will das Rathaus wirklich?

Alles hätte so einfach sein können: Seit mehreren Monaten plant Dresden am Umzug des Amtes für Schulen. Aktuell sind die momentan noch 123 Mitarbeiter an fünf Standorten verteilt in Dresden untergebracht. Der größte Standort ist die Fiedlerstraße 30 mit 91 Mitarbeitern.

Doch der DDR-Bau ist nachweislich marode. Vor Ort wurden Richtwert-Überschreitungen bei der Chemikalie "Benzaldehyd" gemessen. Die Werte sind laut Experten unbedenklich, dennoch ist die Unruhe vor Ort groß.

Weil das Amt ohnehin neue Aufgaben übernehmen soll, wurde in der Innenstadt nach einer geeigneten größeren Immobilie gesucht. Aus Sicht der Stadt wurde diese mit den Annenhöfen an der Schweriner Straße nahe am Postplatz gefunden. Kurz vor Abschluss des Mietvertrages wechsele dort aber der Eigentümer. Statt ebenfalls teuren 16,50 Euro pro Quadratmeter ruft der neue Besitzer nun 22,50 Euro zuzüglich fünf Euro für Nebenkosten auf.

Die Stadt steht dennoch hinter der Anmietung. Zum einen soll das Amt für Schulen zentraler untergebracht werden und digitaler arbeiten. Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU): "Ich lehne ein weiteres Provisorium für das Amt ab. Wenn alle Mitarbeiter zentral zusammenarbeiten, entfällt viel Zeit, die auf den Wegen zwischen Standorten bisher verloren geht."

Aktuell ist das Amt für Schulen in diesem maroden Bau an der Fiedlerstraße untergebracht. Die Stadt will abreißen lassen und Platz für ein Bioinnovationszentrum schaffen.
Aktuell ist das Amt für Schulen in diesem maroden Bau an der Fiedlerstraße untergebracht. Die Stadt will abreißen lassen und Platz für ein Bioinnovationszentrum schaffen. © Dirk Hein

Außerdem will Dresden das Grundstück, auf dem aktuell noch das Amt für Schulen untergebracht ist, für 1,4 Millionen Euro verkaufen. Für die insgesamt etwa 4.000 Quadratmeter steht bereits das Technologie-Zentrum Dresden (TZD) bereit. Eigentümer sind die TU Dresden, die Stadt Dresden und die Ostsächsische Sparkasse.

Deren "Bioinnovations-Zentrum" am nahe gelegenen Tatzberg platzt aus allen Nähten und soll dringend erweitert werde. Die Flächen an der wenige hundert Meter entfernten Fiedlerstraße wären ideal. Zudem stehen Fördergelder bereit. Geht der Plan der Verwaltung auf, wird das alte Gebäude Anfang 2023 abgerissen. Im selben Jahr startet bereits der Neubau, der zwei Jahre später fertig werden würde.

Kann dieser Zeitplan gehalten werden, stehen für den Erweiterungsbau Fördermittel in Höhe von bis zu sechs Millionen Euro bereit. Findet Dresden keine neuen Mietflächen für das Schul-Amt, platzt diese Fördermöglichkeit.

Wieso sind die Flächen so gefragt?

Aus Sicht der mit 50 Prozent am TZD beteiligten TU Dresden wäre das fatal. Kanzler Andreas Handschuh: "Aktuell haben wir im Bereich der Biowissenschaften etwa zehn Ausgründungen von universitärer Forschung pro Jahr. Wir wollen diese Zahl auf 20 erhöhen."

Diese neu gegründeten Firmen suchen aber die Nähe zu ihrer "alten" Uni, an der Fiedlerstraße zum Beispiel die zum Uniklinikum. "Dresden steht in Konkurrenz mit Berlin, Leipzig und Breslau. Alle wollen junge Firmen an sich binden."

Eine dieser Firmen ist "Dewpoint" aus Dresden. Zuerst am Max-Planck-Institut beheimatet, zog die Neugründung dann ins "Bioinnovations-Zentrum" in der Johannstadt. Das junge Unternehmen forscht zum Beispiel zu Krebstherapien und wird von mehreren weltweit agierenden Pharmafirmen umworben. Bisher konnten knapp 300 Millionen Euro an Forschungsgeldern eingeworben werden.

Was steht für Dresden auf dem Spiel?

"Wir werden wachsen und haben am jetzigen Standort bereits nach jeder freien Besenkammer Ausschau gehalten", sagt Manager Marc Hentz. Aktuell habe seine Firma zwei Standbeine: Zum einen am renommierten MIT in Boston und eben in Dresden. "Wenn wir wachsen wollen, schauen wir uns dafür beide Standorte an. Dresden hat gute Karten, aber wir brauchen die Flächen" so Hentz. Im Neubau an der Fiedlerstraße würde "Dewpoint" etwa 2.000 Quadratmeter Fläche anmieten wollen.

Am Donnerstag entscheidet nun der Stadtrat, wie es mit dem Amt für Schulen, und damit auch für eine Erweiterung des "Bioinnovations-Zentrums" weitergeht. Im richtungsweisenden Finanzausschuss wurde der Plan der Verwaltung abgelehnt. Linke, Grüne und Freie Wähler kritisierten die viel zu hohen Mietforderungen.

Am Montag warb Bildungsbürgermeister Donhauser jedoch nochmals vehement um Zustimmung für den Umzug seines Amtes. "Der Dampfer ist losgefahren, wir können jetzt nicht mehr umsteuern." Hielte man den höheren Mietausgaben von rund 300.000 Euro pro Jahr an der Schweriner Straße die Einnahmen entgegen, welche die Stadtverwaltung mit einem Bioinnovationszentrum durch spätere Einkommens- und Gewerbesteuerzahlungen und mögliche Sog-Effekte erzielen kann, "dann reden wir schnell über Millionenbeträge".

Die Abstimmung im Rat ist dennoch offen. "In Summe wäre der Schaden größer, wenn der Umzug nicht erfolgt", sagt CDU-Fraktionschef Peter Krüger. "Die jetzige Anmietung ist überteuert, aber sie ist alternativlos", sagt auch SPD-Chefin Dana Frohwieser. Die Mitarbeiter im Amt für Schulen seien "viel zu lange in maroden, verseuchten und verstreuten Büros untergebracht gewesen".