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Klimaschutz-Blockade auf Dresdner Haupstraße stoppt Autos

Unterstützer der Bewegung "Letzte Generation" sorgten am Morgen für Staus und Umleitungen in Dresden. Die Polizei war vorbereitet.

Von Mirko Jakubowsky & Kay Haufe & Christoph Springer
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Hier ging plötzlich nichts mehr: Die stadteinwärtigen Spuren der Hansastraße in Dresden.
Hier ging plötzlich nichts mehr: Die stadteinwärtigen Spuren der Hansastraße in Dresden. © dpa/Robert Michael
  • Vier Demonstranten blockieren eine Hauptstraße in Dresden
  • Warum sie diesen Protest für nötig halten
  • Was sie tun, damit ihre Blockade möglichst lange erhalten bleibt
  • Wie die Polizei reagiert

Dresden. Der Start in die neue Woche hat für viele Kraftfahrer in Dresden an diesem Montag mit Staus und Umleitungen begonnen: Unterstützer der Klimaschützer "Letzte Generation" haben die Hansastraße zeitweise blockiert. Stadteinwärts ist die Straße im Dresdner Norden etwa eine Stunde lang dicht gewesen. Nahe dem Bahnhof Neustadt setzten sich vier Menschen auf die Fahrbahn.

Damit haben sie darauf hinweisen wollen, dass die fossilen Rohstoffe zu Ende gehen. Sie fordern, dass es keine neuen Öl-Bohrungen in der Nordsee und keine festen Terminals für verflüssigtes Erdgas geben soll. Stattdessen sollte die Wind- und Solarenergieerzeugung mit Hochdruck ausgebaut und eine Wärmewende eingeleitet werden.

Mit Sekundenkleber mit dem Asphalt verbunden

Kurz nach 7 Uhr: Vier Menschen überqueren an der Fußgängerampel in Höhe der Lößnitzstraße scheinbar die Hansastraße. Sie laufen in Richtung Hechtviertel, bleiben dann aber plötzlich stehen und entrollen zwei Spruchbänder. "Letzte Generation" steht auf einem davon, "Stoppt den fossilen Wahnsinn" auf dem anderen. Der erste Fahrer, der anhalten muss, steuert einen Lkw. Er kann nicht weiter, auch als die Fußgängerampel die Straße wieder freigibt. Er schimpft. So, wie mehrere Pkw-Fahrer hinter ihm. "Schweine", werden die Demonstrierenden betitel, auch schlimmere Kraftausdrücke sind zu hören. "'Wir müssen arbeiten", ruft ihnen ein Kombi-Fahrer zu. Seinen Namen will er nicht nennen.

Unterdessen setzen sich die vier Demonstranten auf den Asphalt. Der Dresdner Christian Bläul ist einer von ihnen, studierter Physiker und erfahren in Sachen Demonstrationen. Rund ein Dutzend Mal hat er schon bei solchen Aktionen mitgemacht, es ist aber das erste Mal in Dresden.

Welche Straße wann blockiert wird, haben die Organisatoren bewusst lange offen gelassen. Erst in der Nacht zum Montag legten sie sich fest. Das macht es für die Polizei an diesem Morgen nicht leicht, sich auf den Einsatz vorzubereiten. Dennoch sind die Beamten schnell vor Ort, sperren die Hansastraße stadteinwärts bereits an der Fritz-Reuter-Straße und leiten dort den Verkehr stadteinwärts um.

Bläul klebt schließlich seine linke Hand mit Sekundenkleber auf den Asphalt, sein Mitstreiter am rechten Straßenrand tut dasselbe. Die zwei Protestierer in der Mitte bleiben nur sitzen, Klebstoff benutzen sie nicht. Sie würden im Notfall aufstehen und Platz machen, etwa wenn ein Rettungswagen durch muss, erklärte Bläul später.

Doch an diesem Morgen kommt kein Rettungswagen - dafür rund zwei Dutzend Polizisten. Binnen weniger Minuten sind sie vor Ort, an der Straßenblockade hat sich bis dahin schon ein Stau mit etwa 50 Autos gebildet. "Jedes Mal früh, wenn man zur Arbeit will, steht man hier", schimpft eine Autofahrerin in einem fast neuen, weißen Audi, "und dieses Mal wegen so einer Scheiße." Auch sie will ihren Namen nicht nennen.

Jenny Höfling aus Moritzburg hat ein ganz praktisches Problem. Mit dem schwarzen Familienkombi wollte ihr Mann die Moritzburgerin ins Krankenhaus bringen. "Ich muss dringend in die Uniklinik, ich habe da um acht Uhr einen Termin in der MS-Abteilung." Lange habe sie auf diesen Termin warten müssen, erzählt die Frau, die offenbar Multiple Sklerose hat und zwei Krücken zum Gehen braucht. "Wir sind rechtzeitig losgefahren. Und jetzt?"

Klimaschützer bei ihrer Aktion auf der Hansastraße.
Klimaschützer bei ihrer Aktion auf der Hansastraße. © Christoph Springer
Autos stecken in der Hansastraße fest, können dann aber zurück zur Fritz-Reuter-Straße.
Autos stecken in der Hansastraße fest, können dann aber zurück zur Fritz-Reuter-Straße. © Christoph Springer
Die Polizei trägt einen der Protestierer von der Straße.
Die Polizei trägt einen der Protestierer von der Straße. © Christoph Springer
Allerdings hatten sich auch Demonstranten festgeklebt.
Allerdings hatten sich auch Demonstranten festgeklebt. © Christoph Springer
Mit Olivenöl aus einer Plastikspritze wird dieser Festgeklebte wieder mobil gemacht.
Mit Olivenöl aus einer Plastikspritze wird dieser Festgeklebte wieder mobil gemacht. © Christoph Springer

Die Polizei kümmert sich zunächst um die zwei Klimaschützer, die sich auf die Straße gesetzt haben, ohne sich festzukleben - eine junge Frau und einen Mann. Die Frau geht von selbst, der Mann lässt sich von der Fahrbahn tragen. Parallel dazu befragen die Beamten die Autofahrer im Stau vor der Straßensperre. Ihre Daten werden für die späteren Verfahren gegen die Blockierer aufgenommen. Anschließend dürfen sie wenden und entgegen der eigentlich vorgeschriebenen Richtung auf der Hansastraße zur Fritz-Reuter-Straße zurückfahren. So entkommen sie dem Stau. "Früher hätte es das nicht gegeben", sagt einer von ihnen lächelnd, als er den Beamten seinen Ausweis zeigt. "Da wären nur zwei Polizisten gekommen und die hätten das erledigt."

Polizei bereitet dem Protest ein Ende

So schnell, wie er das möchte, geht es an diesem Montagmorgen nicht. Eine reichliche halbe Stunde nach dem Blockade-Start ist die Polizei so weit, dass sie anfangen kann, die zwei festgeklebten Demonstranten von der Straße zu lösen. Dazu sind die Beamten mit Einwegspritzen ausgestattet, befüllt mit Olivenöl. Vorsichtig spritzen sie das Öl an die Klebestellen, dann muss lange massiert werden, damit sich der Sekundenkleber löst.

Christian Bläul nutzt diese Zeit für Interviews. "Aus meiner Sicht haben andere Methoden nicht genug gebracht, jetzt braucht es einen größeren Schritt, um zu merken - wir als Gesellschaft laufen in die falsche Richtung", erklärt er die Straßenblockade. Dass er mit einer Strafe rechnen muss, sei ihm klar. So, wie bei den vorangegangenen Aktionen dieser Art, zum Beispiel im Land Brandenburg. Für die einzelnen Autofahrer tue es ihm leid, sagt Bläul auch.

Jenny Höfling hat sich inzwischen entschieden. "Viel Glück", wünscht sie ihrem Mann, der weiter im Stau steht. Dann stützt sie sich auf ihre zwei Krücken und läuft langsam davon. "Ich versuche, da vorne irgendwie weiterzukommen", sagt die Moritzburgerin und deutet mit dem Kopf in Richtung Bahnhof Neustadt. "Ihr seid solche Idioten", ruft sie den Protestierenden zu, als sie an ihnen vorbeigeht. Es ist kurz nach 7.30 Uhr, eine knappe halbe Stunde hat sie noch Zeit für den Weg zu ihrem Arzttermin.

Kurz danach hat die Polizei den Stau vor der Blockade aufgelöst. Etwa eine Dreiviertelstunde nach dem Demo-Start dreht schließlich auch der Lkw-Fahrer, der direkt vor den Protestierern steht, und fährt zurück zur Fritz-Reuter-Straße.

Mit den zwei festgeklebten Demonstranten hat die Polizei da noch zu tun. Es dauert, den Klebstoff mit dem Olivenöl komplett zu lösen, erst nach 8 Uhr gelingt das. "Das ist jetzt ein bißchen unangenehm", erklärt Christian Bläul die Prozedur, die er nicht zum ersten mal erlebt. Doch schließlich gelingt sie, auf dem Boden bleiben nur ein paar Kleberreste und Olvienöl zurück. Auch das beseitigt die Polizei schließlich noch professionell mit Bindemittel, bevor um 8.20 Uhr die Straße wieder freigegeben wird.

Kritik an der Blockade gibt es nicht nur von den Autofahrern vor Ort. Schon zuvor war bekannt geworden, dass "Letzte Generation" eine Aktion in Dresden plant. Es war Louise Hummel-Schröter von Dresdens Parents for Future, die sich dazu mit kritischen Worten äußerte. "Für mich persönlich und die For-Future-Bewegung sind ziviler Ungehorsam wie Straßenblockaden kein Mittel – es trifft unmittelbar die Falschen, deshalb befürchte ich eine Verhärtung der Fronten."

Christian Bläul hat nach der Blockade noch einige Zeit mit der Polizei zu tun. Personalien aufnehmen, ihm seine Rechte erklären und die Vorwürfe darlegen, die ihm die Beamten laut Gesetz machen - das alles dauert noch bis gegen 9 Uhr.

Etwa eine halbe Stunde später ist er auf Arbeit angekommen. Nicht, ohne vorher noch zu erklären: Es soll nicht das letzte Mal gewesen sein, dass "Letzte Generation" in Dresden protestiert hat. Das vorerst letzte Wort haben Polizei und Gericht. Gegen die Protestierer werde wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Nötigung ermittelt, sagt Polizeisprecher Marko Laske.