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"Diskussion um Alkoholverbot ist noch nicht durch"

Erste Maßnahmen am Dresdner "Assi-Eck" scheinen zu wirken. Doch das genügt Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) nicht. Seine Pläne für die Party-Kreuzung.

Von Andreas Weller
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Mediatoren betreuen seit diesem Sommer die als "Assi-Eck" bezeichnete Problem-Kreuzung in der Äußeren Neustadt in Dresden. Das reicht aber offenbar nicht.
Mediatoren betreuen seit diesem Sommer die als "Assi-Eck" bezeichnete Problem-Kreuzung in der Äußeren Neustadt in Dresden. Das reicht aber offenbar nicht. © Benno Löffler

Dresden. An einer Kreuzung in der Äußeren Neustadt wird besonders gerne gefeiert. Kriminalität, Lärm, Fäkalien, das Zusammenbrechen des Straßenbahnverkehrs und einiges mehr beklagen Anwohner und Gewerbetreibende.

In diesem Jahr hat Dresden einen Versuch gestartet, den Konflikten mit den sogenannten Nachtschlichtern zu begegnen. Deren Einsatz zeigt erste Erfolge, sagt Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) im SZ-Interview. Warum er dennoch auf drastischere Maßnahmen setzen will und welche das konkret sind.

Herr Sittel, wie schlimm war es bisher an der Neustadt-Problem-Kreuzung?

Die letzte Blockade der Bahnstrecke war Anfang Juli. Insofern scheint der ein oder andere über sein Handeln nachgedacht zu haben. Das System mit den eingeführten Nachtschlichtern funktioniert zunehmend gut. Der kommunikative Ansatz zeigt durchaus Wirkung und die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniert.

Was macht Sie skeptisch?

Die problematische Situation, dass sich Leute auf einer Kreuzung aufhalten, auf der sie eigentlich nichts zu suchen haben, und die durch die große Anzahl der Menschen auf der Kreuzung bedingte Grundlärmbelästigung für die Anwohner ist damit nicht gelöst. Hinzu kommt der Glasbruch als ein massives Problem. Die Flaschen zu zerstören, verursacht Lärm, die Scherben werden zum Teil dazu benutzt, Menschen zu verletzen, und die Schienen der DVB werden damit zugesetzt.

Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel erklärt im SZ-interview wie er die Probleme am Dresdner "Assi"-Eck lösen will.
Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel erklärt im SZ-interview wie er die Probleme am Dresdner "Assi"-Eck lösen will. © Sven Ellger

Wie wollen Sie das lösen?

Wichtig ist bei allem: Es geht um eine Verbesserung der Situation für die Anwohner. Wir denken deshalb über ein örtlich und zeitlich begrenztes Glasflaschenverkauf- oder Verbringungsverbot nach. So wie wir es vor mehr als zehn Jahren bei der Bunten Republik Neustadt auch gemacht haben. Das ist ein niederschwelliger aber effektiver Eingriff.

Warum ist das aus Ihrer Sicht notwendig?

Lärm ist der Beschwerdegrund Nummer eins für Anwohner und auch Gastronomen. Natürlich muss es auch mal möglich sein, zu feiern. Aber passiert das regelmäßig, wird es überaus problematisch. Es ist unsere Aufgabe, für Ruhe und Ordnung für die Anwohner zu sorgen. Da sind wir noch nicht so weit, wie wir sein sollten.

Allerdings gibt es erste kleine Erfolge. Mobile Lautsprecherboxen wurden als Problem erkannt, vor allem, weil die Musik daraus immer lauter wurde, je stärker alkoholisiert ihre Besitzer waren. Deshalb mussten viele derartige Boxen sichergestellt werden. Außerdem haben die Nachtschlichter und die Polizei diese Personen gezielt angesprochen und es ist besser geworden.

Heißt das, ein Alkoholverbot ist vom Tisch?

Wir sind mit der Diskussion um ein Alkoholverbot noch nicht durch. Alkohol ist laut Suchtbericht immer noch die verbreitetste Droge in Dresden, sie zahlt auch auf das Thema Lärm ein, Abstand und Hygieneregeln werden missachtet, Müll und das Wildpinkeln nehmen zu. Und auch Straftaten haben mit Alkohol zu tun. Opfer von Raub und Sexualdelikten sind häufig alkoholisiert. Ein Alkoholverbot schützt also Menschen auch davor, Opfer zu werden. Wir suchen noch nach dem richtigen Weg. Das kann von einem zeitlich begrenzten Verkaufsverbot, einem Verbringungsverbot bis zu einem generellen Verbot gehen.

Wo und wie genau stellen Sie sich das Verbot vor?

Die Zustände weiten sich aus. Beschwerden zeigen, dass die Probleme auch im Alaunpark wieder zunehmen. Die Grasflächen sind vermüllt und verdreckt, Gebüsche werden als Toiletten missbraucht, es gibt sexuelle Übergriffe. Das ist nicht die Situation, wie die Anwohner und auch wir uns vorstellen, wie die Grünfläche genutzt werden sollte.

Es gibt eine gewisse Verdrängung. Deshalb müssen wir unsere Maßnahmen ausweiten. Die Nachtschlichter wollen wir auch im kommenden Jahr einsetzen. Immer mit dem Ziel, die Lebensqualität der Anwohner zu erhöhen.

Also ein Alkoholverbot im Alaunpark - und was genau am "Assi-Eck"?

Dort kann ich mir ein Glasflaschenverbot an Wochenenden und ein Alkoholverkaufsverbot ab 24 Uhr vorstellen, das wäre der Bedeutung des Viertels angemessen. Beim Alaunpark müssen wir in Absprache mit dem Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft nach einer Lösung suchen. In einer städtischen Grünanlage per Satzung den Alkoholkonsum einzuschränken, ist etwas einfacher, als dies im öffentlichen Verkehrsraum zu tun. Hier sind wir an relativ strenge Kriterien, die das Polizeibehördengesetz vorgibt, gebunden.

Wann sollen diese Regelungen eingeführt werden?

Wir wollen das zunächst im Stadtbezirksbeirat Neustadt besprechen und diskutieren. Ich hatte im vergangenen Jahr den Vorschlag eines Alkoholkonsumverbots ins Spiel gebracht. Das fand keine Unterstützung. Jetzt ist eine andere Bewertung möglich. Denn ich nehme wahr, dass die Ablehnung nicht mehr von allen so vehement vertreten wird. Aber der Stadtbezirksbeirat soll sich einbringen, wie er es ja bisher auch getan hat. Ich werde keinen Vorschlag zu einem Glasflaschen- oder Alkoholverbringungsverbot einbringen ohne ein Votum des Stadtbezirksbeirates vor Ort.

Ist das ein positives Beispiel für die Stadtbezirksverfassung?

Ja, die Stadtbezirksverfassung ist insgesamt eine Erfolgsgeschichte. Die Stadtbezirksbeiräte können kurzfristig Prioritäten setzen, flexibel auf Anliegen vor Ort regieren und hierfür Geld einsetzen. So wurde neben der Förderung durch den Landespräventionsrat ein Teil der Finanzierung für die Nachtschlichter durch den Stadtbezirksbeirat Neustadt übernommen.

Die Prioritäten, die durch die Stadtbezirksbeiräte gesetzt werden, sind sehr unterschiedlich und spiegeln das wider, was in dem jeweiligen Stadtbezirk von Belang ist und vor Ort als wichtig eingestuft wird. Stadtbezirksbeiräte stellen beispielsweise Gelder für eine Bibliothek zur Verfügung, anderswo für Gehwege und wieder andere für Grünflächen.

Die Einführung der Stadtbezirksverfassung war ein Kraftakt, verbunden mit einem hohen Verwaltungsaufwand. Inzwischen haben sich viele Prozesse eingespielt und wir arbeiten ständig daran, die Abläufe zu verbessern. Die basisdemokratische Arbeit in den Stadtbezirksbeiräten hat einen so großen Stellenwert, dass sich dieser Einsatz lohnt. Perspektivisch bin ich dafür, die Budgets von derzeit zehn Euro pro Einwohner zu erhöhen, um den Stadtbezirken noch mehr Spielraum zu geben.