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Wie familienfreundlich sind Gemeinden?

Eine Umfrage bescheinigt Königswartha und Orten in der Umgebung mangelhafte Familienpolitik. Dabei findet die durchaus statt - auch mit ungewöhnlichen Ansätzen.

Von Franziska Springer
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Neue Sitzflächen an der Bushaltestelle, Ersatz für eine kaputte Scheibe - es sind manchmal auch die kleinen Aufgaben, mit denen Königswarthas Bürgermeister Swen Nowotny versucht, das Wohnumfeld in seiner Gemeinde zu verbessern.
Neue Sitzflächen an der Bushaltestelle, Ersatz für eine kaputte Scheibe - es sind manchmal auch die kleinen Aufgaben, mit denen Königswarthas Bürgermeister Swen Nowotny versucht, das Wohnumfeld in seiner Gemeinde zu verbessern. © SZ/Uwe Soeder

Königswartha. Vor Königswarthas Bürgermeister Swen Nowotny (CDU) liegt ein Stapel Briefe. "Ideen zur Veränderung der Gemeinde" steht in dicken Buchstaben über einem von ihnen. Die Schreiben stammen von Schülern der Paulus-Schule in Königswartha. Entstanden sind sie im Gemeinschaftskundeunterricht im vergangenen Jahr. Dr. Beate Kaiser, die an der Einrichtung Gemeinschaftskunde lehrt, hat den Austausch zwischen Schülern und Bürgermeister initiiert, weil gerade das Thema Kommunalpolitik eines sei, dass "sehr trocken und abstrakt ist", wie sie sagt. Was eine Gemeinde überhaupt leisten kann, was ihre Pflichtaufgaben sind und was freiwillige Leitungen - und weshalb manchmal das Geld alle ist - all das, sagt sie, sei schwer zu vermitteln.

Der Bürgermeister nahm sich Zeit und stellte sich den Fragen der Schüler, studierte Briefe mit Kritik und Forderungen ausgiebig und nahm die Wünsche und Vorstellungen ernst. An der Bushaltestelle am Kirchplatz, erzählt er, seien etwa zwei Sitze entwendet worden, eine Glasscheibe sei zu Bruch gegangen. Für Beides mahnten die Schüler Ersatz an. Die Gemeinde reagierte. Genau wie im Fall einer Schülerin, die sich in Anbetracht mangelnder Straßenbeleuchtung unsicher fühlte. "Wir haben uns das vor Ort angesehen und festgestellt, dass das tatsächlich eine dunkle Ecke ist. Demnächst installieren wird dort eine neue Straßenlaterne", berichtet Swen Nowotny.

Es sind solche vermeintlichen Kleinigkeiten, die nicht nur den jungen, sondern auch den älteren Einwohnern der Gemeinden Neschwitz, Puschwitz, Radibor und Königswartha auf's Gemüt schlagen. Und offenbar auch den Familien. Die verwiesen in der Umfrage Familienkompass, an der sachsenweit rund 15.000 Befragte teilnahmen, die vier Kommunen im Norden des Landkreises Bautzen im Hinblick auf die Familienpolitik auf den 16. von 18 Plätzen.

Fast jeder Ort hat einen Spielplatz

Und das, obwohl allenthalben versucht wird, auf die Wünsche und Bedürfnisse junger Familien einzugehen: In Radibor werden derzeit die Pläne für einen Hortneubau auf den Weg gebracht. Die Schaffung von Bauland für Eigenheime ist in Planung. Genau wie in Neschwitz, wo man sich außerdem um eine zukunftsfähige Lösung für die zu enge Kindertagesstätte bemüht.

Und wie sieht es in Königswartha aus, der mit knapp 3.500 Einwohnern bevölkerungsreichsten der vier Gemeinden? Mit Blick auf die Bevölkerungsprognose 2035 des Freistaates Sachsen, die Königswartha einen Bevölkerungsrückgang von reichlich fünf Prozent prognostiziert, sagt Swen Nowotny: "Unter den Blinden sind wir der Einäugige." Denn faktisch sind Königswarthas Aussichten im direkten Vergleich mit anderen Gemeinden, die sich laut der Studie auf Rückgänge von bis zu 23 Prozent einstellen müssen, gut. Der Bürgermeister erklärt sich das so: "Die Infrastruktur in Königswartha ist ordentlich. Es gibt eine Kita und zwei Schulen. Außerdem Einkaufsmöglichkeiten und in fast jedem Ort einen Spielplatz."

Eltern wünschen sich einen Kinderarzt

Im neugeschaffenen Wohngebiet am nördlichen Ortsausgang gebe es nur noch wenige freie Plätze, dafür drei Allgemeinmediziner im Ort, seit Joachim Teich zum Jahresbeginn seine Praxis im Gesundheitszentrum eröffnete. Den Wunsch nach einem Kinderarzt, der auch in den Ergebnissen des Familienkompass sichtbar wird, kann Nowotny nachvollziehen - und versucht, ihn zu erfüllen. Eine passende Kandidatin, die "sofort nach Königswartha gehen" würde, hat er bereits im Blick. Noch aber stellt sich die Kassenärztliche Vereinigung quer. Die Region, so deren Tenor, sei mit Kinderärzten überversorgt.

Mangelndes Problembewusstsein kann man Swen Nowotny vor all diesen Hintergründen nicht vorwerfen. Woher also der schlechte Wert? Der Bürgermeister zeigt sich selbstkritisch und verweist auf die Plattenbausiedlung der kommunalen Wohnbau Gesellschaft. Das dortige Wohnumfeld, gibt er zu, sei durchaus verbesserungswürdig. Der Spielplatz etwa  müsste saniert werden, entspräche nicht mehr den modernen Standards. Der Leerstand liegt bei rund 35 Prozent. Aber Nowotny sagt auch: "Merkliche Verbesserungen kosten Geld. Wir kommen dort nicht weiter." 

Plattenbausiedlung könnte verkauft werden

Der Hintergrund: Auf dem Standort liegen immense Schulden. Eine Zahl von 3,5 Millionen Euro wirft der Bürgermeister in den Raum. Um das Wohnumfeld zu verbessern und den Leerstand zu verringern, so Nowotny, bringe es vor diesem Hintergrund nichts, "so weiter zu wurschteln wie bisher." Da helfe nur ein radikaler Schnitt. Für den gibt es zwei Möglichkeiten: Insolvenz der Wohnbau oder Verkauf des Areals an einen Investor. Nach Letzterem sieht es momentan aus. Für Nowotny ist mit dem Verkauf eine Hoffnung verbunden: "Ich könnte mir vorstellen, dass die Wohnungen dort mit einer Aufwertung des Umfeldes für Familien interessant werden, die derzeit noch nicht bauen können oder wollen", sagt der Bürgermeister. 

Weshalb es also noch einige Zeit dauern wird, bis der Spielplatz in dieser Wohnanlage verbessert wird, und warum der Bürgermeister nicht die Ansiedlung eines Nachtclubs oder eines großen Modegeschäftes in Königswartha forcieren kann, wird Swen Nowotny in der kommenden Woche wieder erklären. Dann steht erneut eine neunte Klasse der Paulus-Schule mit "Ideen zur Veränderung der Gemeinde" vor ihm.

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