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Wein aus Pfandflaschen – bald auch in Sachsen?

Winzer aus Baden und Württemberg stellen am 4. und 5. November in Dresden nicht nur über 600 Weine, sondern auch ein neues Pfandsystem vor. Es soll bundesweit Schule machen.

Von Katrin Saft
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Die neuen Pfandflaschen für Wein – unverkennbar mit langem Hals.
Die neuen Pfandflaschen für Wein – unverkennbar mit langem Hals. © Wein-Mehrweg

Mineralwasser gibt es in Mehrwegflaschen, auch Bier, Säfte und Joghurt – aber einen guten Wein? „Ja, warum denn nicht“, sagt Horst Reuschle vom Weininstitut Württemberg. „Die Glasproduktion braucht schließlich viele Ressourcen und teure Energie.“

Um vor allem bei der jungen, umweltbewussten Generation zu punkten, soll es dem Wein jetzt nicht mehr nur an den Korken, sondern auch an die Flasche gehen. Zehn Genossenschaftsbetriebe aus der Region Württemberg haben dazu eine Plattform gegründet, die ihr Mehrwegkonzept für Weine deutschlandweit ausrollen will: die Wein-Mehrweg eG.

Ihre Pfandidee für Weine ist nicht ganz neu. „Vor allem im vergangenen Jahr, als weißes Glas – zum Beispiel für Roséweine – knapp war, wurde in der Branche viel darüber diskutiert“, sagt Sommelier Silvio Nitzsche aus Dresden. Doch bisherige Initiativen konnten sich bestenfalls regional behaupten. Denn in Deutschland gibt es traditionell bedingt mehr als 100 verschiedene Varianten von Weinflaschen – die importierten noch gar nicht mitgerechnet.

"Je mehr mitmachen, desto besser"

Für einfache Weine nutzen einige Winzer bereits Ein-Liter-Pfandflaschen. Nun haben die Württemberger eine neue 0,75-Liter-Flasche entwickelt und im Frühjahr auf der Leitmesse Pro Wein in Düsseldorf vorgestellt. Sie soll das Zeug zur bundesweiten Standard-Pfandflasche haben. Mit ihrem langen, schlanken Hals und einem robusten Stoßrand unterscheidet sie sich sichtbar von den üblichen Weinflaschen. Sie soll damit überall auch von Automaten eindeutig identifizierbar sein.

„Bis jetzt werden mehr als 20 Weine aller Geschmacksrichtungen in den Pfandflaschen abgefüllt“, sagt Werner Bender, Vorstand der Wein-Mehrweg in Möglingen. Darunter zum Beispiel ein trockener Grauburgunder und ein fruchtiger Muskateller der Genossenschaftskellerei Heilbronn, ein Lemberger der Kellerei Rosswag oder ein Schwarzriesling Weißherbst Kabinett der Weingärtner Markelsheim.

Verkauft werden die Weine in den Shops der beteiligten Betriebe, aber auch bei ausgewählten Wein- und Getränkehändlern in Baden-Württemberg. „In den kommenden Monaten sollen weitere Anbieter in Deutschland folgen“, kündigt Bender an. Denn die Mehrweg-Plattform ist für alle Weinerzeuger und -anbieter offen. Allein die zehn Gründungsbetriebe bewirtschaften mit 5.200 Hektar über fünf Prozent der bundesweiten Rebfläche. Bender: „Je mehr mitmachen, desto besser.“

Neue Befüllung bis zu 50-mal möglich

Denn allein die Weinflaschen sind für fast die Hälfte der Treibhausgase in der Weinproduktion verantwortlich. „Hunderte Millionen dieser Flaschen werden in Deutschland jedes Jahr nach einmaligem Verwenden eingeschmolzen, um daraus exakt wieder die gleichen Flaschen herzustellen. Das erscheint wenig nachhaltig“, sagt Alexander Heil, der die Initiative Pfandwein.de gegründet hat. Nicht zuletzt können Winzer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit einem Pfandsystem auch Geld sparen.

Eine Einwegflasche kostet sie je nach Design 30 bis 80 Cent. Die einheitliche Pfandflasche soll ungefähr 40 Cent kosten. Pro Flasche kommen dann noch mal 15 bis 20 Cent für Transport und Spülen dazu. Finanziell lohnt sich das bereits, wenn eine Flasche fünf- bis siebenmal genutzt wird. „Sie kann bis zu 50-mal wieder neu befüllt werden“, sagt Horst Reuschle.

Die Württemberger lassen ihre neuen Pfandflaschen in der Weingärtner-Service-Gesellschaft im Kreis Ludwigsburg spülen. Allerdings bleibe es jedem Verwender freigestellt, auch andere Spülanlagen zu nutzen. „Das Interesse an der neuen Mehrwegflasche ist groß“, sagt Rainer Weber von der Kellerei Heilbronn. „Wir denken, dass der Lebensmittelhandel ebenfalls zeitnah mit der Einführung startet.“ Auch die Gastronomie wolle man gewinnen.

Die Weine in Baden-Württemberg:

Am 4. und 5. November werden die neuen Pfandflaschen erstmals in Dresden präsentiert – auf der Baden-Württemberg Classics. Die Weinmesse kehrt nach vier Jahren Pause ins Internationale Congress Center zurück. 40 Winzer und Weinbaubetriebe bringen dann etwa 600 verschiedene Weine mit. Beim Verkosten wollen sie mit Weinfreunden ins Gespräch kommen.

Mit Baden und Württemberg vertreten die Winzer das dritt- und das viertgrößte Weinanbaugebiet Deutschlands. „Im Mittelpunkt stehen diesmal Weine des Jahrgangs 2022, der vom sonnigsten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung geprägt war“, sagt Horst Reuschle. Davon hätten vor allem die Rotweine profitiert.

Mit einem Anteil von knapp 66 Prozent der Rebfläche ist Württemberg der bundesweit größte Rotweinerzeuger – bekannt vor allem für seinen Trollinger, aber auch für Lemberger, Schwarzriesling und Samtrot. Das Weinanbaugebiet reicht vom Taubergrund bis zum Trauf der Schwäbischen Alb und zählt mehr als 7.000 Weinbaubetriebe, viele davon im Nebenerwerb. Die verbreitetste Rebsorte ist der Riesling. Er wächst in Württemberg auf einer viermal so großen Fläche wie das gesamte Weinanbaugebiet Sachsen. Neue, pilzresistente Rebsorten wie Sauvitage, Sauvignac oder Souvignier gris werden vor allem im Staatsweingut Weinsberg kultiviert.

Trend zu weniger Alkoholgehalt

Im benachbarten Weingebiet Baden sieht man sich weniger als Konkurrenz, denn als Ergänzung. „Wir sind ein Burgunderparadies“, sagt die Badische Weinkönigin Julia Noll. „Zwei Drittel unserer Rebberge sind mit roten und weißen Sorten aus der Burgunderfamilie bepflanzt.“ Allen voran der Blaue Spätburgunder, vollmundig-samtig und fruchtig im Geschmack. „Wer auch Vanille- oder Zimtanklänge schmeckt, kann sich sicher sein, einen Barriquewein im Glas zu haben“, sagt Noll.

Besonders machen die badischen Weine die vielen Sonnenstunden und das fast schon mediterrane Klima. Als einziges deutsches Weingebiet gehört es deshalb zur Anbauzone B und steht damit in einer Reihe mit berühmten Weinregionen wie das Elsass und die Champagne.

Weinkönigin Julia Noll tourt an 150 Terminen im Jahr durchs Land, um für die badischen Weine zu werben, auch in Dresden. Weil das Weingebiet mit neun Einzelregionen von Tauberfranken bis zum Bodensee so groß ist, hat sie sechs Weinprinzessinnen an ihrer Seite. Der Trend bei der jüngeren Generation geht für sie klar in Richtung weniger Alkoholgehalt. „Auf der Weinmesse in Dresden wollen neun Jungwinzer aus Baden und Württemberg ihre unkonventionellen Weinideen vorstellen“, sagt sie.

Die Botschafter zweier Weinanbaugebiete zu Gast in Dresden: die Badener Weinkönigin Julia Noll und Horst Reuschle vom Weininstitut Württemberg.
Die Botschafter zweier Weinanbaugebiete zu Gast in Dresden: die Badener Weinkönigin Julia Noll und Horst Reuschle vom Weininstitut Württemberg. © Katrin Saft

Mit Jan Ulrich aus Diesbar wird auch ein Winzer aus Sachsen vertreten sein. „Wir möchten Weingenießer ermuntern, sich mit der Vielfalt zu beschäftigen, die Deutschland zu bieten hat“, sagt Horst Reuschle vom Weininstitut Württemberg. „Denn gerade mal die Hälfte der bundesweit verkauften Weinflaschen werden auch im Inland gekeltert.“ Der Trend zur Regionalität sei beim Weinkauf leider noch nicht so spürbar. Vielleicht, so hofft er, aber schon bald der Trend zu mehr Nachhaltigkeit – wenn Weine in Pfandflaschen Schule machen.

Sommelier Silvio Nitzsche, der in Dresden die Weinkulturbar betreibt, findet die Pfandidee „sehr unterstützenswert“. Gegenargument sei bislang vor allem der logistische Mehraufwand gewesen. Nitzsche: „Doch die Bierbranche zeigt ja, dass es geht.“

Die Messe

  • Wann: 4./5.11 von 11-18 Uhr
  • Wo: Internationales Congress Center, Devrientstraße 10, 01067 Dresden.
  • Eintritt: 20 Euro pro Person/Tag; 10 Euro pro Person/Tag beziehungsweise 20 statt 40 Euro für zwei Tickets mit SZ-Card oder einem tagesaktuellen Fahrschein des VVO.
  • Vorverkauf beim SZ-Ticketservice, im DDV-Lokal oder bei Eventim.