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AfD-Mitglied aus Görlitz vergleicht seine Partei mit verfolgten Juden

Der Görlitzer Stadtrat Jens Jäschke fällt wieder mal mit einem Facebook-Post auf. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde nennt Jäschkes Äußerung antisemitisch.

Von Marc Hörcher
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Stadtrat Jens Jäschke, hier vor seinem Antiquariat und seiner Ferienwohnung-Vermietung in Görlitz
Stadtrat Jens Jäschke, hier vor seinem Antiquariat und seiner Ferienwohnung-Vermietung in Görlitz © SZ-Archiv

Nico Ritter darf nicht als DJ im „Kühlhaus“ auflegen. Der Görlitzer AfD-Stadtrat sei ursprünglich für eine Party gebucht gewesen, schreibt er in einem Facebook-Post. Ein externer Veranstalter hatte die Räume des soziokulturellen Treffpunkts angemietet. Das Kühlhaus als Vermieter wurde auf den politischen Hintergrund des DJs aufmerksam, machte von seinem Hausrecht Gebrauch und schrieb eine Absage: „Die AfD hat in Görlitz die letzten Jahre nicht gerade für die freie Szene und Subkultur gekämpft, sondern explizit dagegen“, heißt es in der Begründung der Absage, die Ritter öffentlich macht.

Einer, der diesen Post bei Facebook teilt und Nico Ritter in seiner Empörung zur Seite springt, ist Jens Jäschke, fraktionsloser Görlitzer Stadtrat und AfD-Parteimitglied - mit markigen Worten.

Er sieht die AfD als Opfer von Ausgrenzung, spricht von „Scheindemokratie und einem Sozialismus, der Verbote erteilt“ - und schreibt in dem sozialen Netzwerk über diesen Vorfall weiter wörtlich: „Ich kenne das ja nur aus Filmen, wo es hieß „kauft nicht beim J....““

Obgleich Jäschke das Wort „Juden“ nicht ausschreibt, dürfte klar sein: Mit diesem historischen Vergleich spielt er an auf den Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933, mit dem die Nationalsozialisten jüdische Bürger aus dem wirtschaftlichen Leben verdrängen wollten. Der Boykott war damals einer der ersten Schritte der NSDAP, um Juden in ganz Deutschland systematisch auszugrenzen und zu verfolgen. Am Ende stand der beispiellose Völkermord mit 6,3 Millionen jüdischen Opfern.

Hier die Screenshots der Posts bei Facebook:

Stein des Anstoßes war diese Nachricht, die AfD-Stadtrat Nico Ritter bei Facebook öffentlich macht ...
Stein des Anstoßes war diese Nachricht, die AfD-Stadtrat Nico Ritter bei Facebook öffentlich macht ... © Facebook-Screenshot: SZ
... und mit folgenden Worten kommentiert. Sein Parteikollege ...
... und mit folgenden Worten kommentiert. Sein Parteikollege ... © Facebook-Screenshot: SZ
.... Jens Jäschke, der als Fraktionsloser im Stadtrat sitzt, ordnet das Geschehen mit diesen Worten ein.
.... Jens Jäschke, der als Fraktionsloser im Stadtrat sitzt, ordnet das Geschehen mit diesen Worten ein. © Facebook-Screenshot: SZ

Als peinlich und schmerzhaft empfindet Alex Jacobowitz, der in Görlitz Vorsitzender der im Aufbau befindlichen Jüdischen Gemeinde ist, diese Äußerung Jäschkes. Der Vergleich stelle eine Form von Antisemitismus dar. Der Politiker schade damit dem Andenken an die von den Nationalsozialisten verfolgten Juden und der jüdischen Gemeinde nicht nur in Görlitz, sagte er auf Nachfrage der SZ. Diese „absurde Polemik“ sei aus seiner Sicht eine Form der Täter-Opfer-Umkehr. Ein solcher historischer Vergleich stehe Herrn Jäschke nicht zu, denn er könne sich im Gegensatz zu tatsächlichen Opfern der Shoah nicht in die Situation versetzen, tatsächlich verfolgt zu werden.

Jäschke selbst möchte sich gegenüber der SZ nicht zu dem Post äußern. Er begründet das damit, dass die SZ seine insgesamt fünf Facebook-Accounts für ihre Seiten blockiert hat. Mehrfach war der AfD-Politiker zuvor auf den Facebook-Auftritten der SZ durch Pöbeleien, unter anderem gegen die Berichterstattung der Zeitung, aufgefallen und hatte deswegen dort das besagte digitale Hausverbot kassiert.

Es ist nicht das erste Mal, dass Jäschke mit einer grenzwertigen Äußerung zum Themenfeld Judenverfolgung bei Facebook auffällt. Vor zwei Jahren hatte er Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck Glückwünsche zur Haftentlassung übermittelt. Das war damals auch der AfD-Fraktion des Görlitzer Stadtrats zu viel, sie schloss ihn aus. Parteimitglied ist Jäschke nach eigenen Angaben nach wie vor.