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Kreis Görlitz: Junger Vikar schreibt Internet-Blog aus Wisconsin

Der 35-jährige Jakob Kröner war in Vierkirchen in der Pfarrer-Ausbildung. Nun steht er in den USA für eine weltoffene Kirche ein - und wird dafür beschimpft.

Von Marc Hörcher
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Jakob Kröner (dritter von links) auf dem "Pridefest". Hier mit ihm zu sehen sind Tom Payden (ganz links), Kröners Mentor Eric Kirkegaard (2. von links) und James Langreder (rechts). Alle gehören der United Church of Christ an.
Jakob Kröner (dritter von links) auf dem "Pridefest". Hier mit ihm zu sehen sind Tom Payden (ganz links), Kröners Mentor Eric Kirkegaard (2. von links) und James Langreder (rechts). Alle gehören der United Church of Christ an. © privat

Der evangelischen und der katholischen Kirche fehlt es seit Jahren an Priestern und Pastoren. Junge Leute für das Theologie-Studium zu begeistern fällt schwer, beiden christlichen Kirchen bricht eine Generation weg. Einer, der den Job nach eigener Aussage sehr gerne macht, ist Jakob Kröner. Der 35-jährige ist Vikar, also evangelischer Priester in Ausbildung - und die führte ihn bereits in die Oberlausitz nach Arnsdorf in die Gemeinde Vierkirchen und dann in die Stadt Kewaskum im Bundesstaat Wisconsin im mittleren Westen den USA.

Dort absolviert er derzeit sein Auslandsvikariat. Dabei hängt man an das reguläre Vikariat, welches zwei Jahre lang dauert, noch ein weiteres Jahr bei einer befreundeten Kirche irgendwo in der Welt dran. Bewerben kann sich jeder, doch nur ein Vikar pro Jahrgang wird ausgewählt. Der ist in Kröners Fall knapp 20 Leute groß.

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Aber von vorne: Sein Studium führt ihn zunächst nach Tübingen. Zwei Auslandssemester in Israel und Rom erweitern bereits während seines Theologie-Studiums seinen Horizont. Dann zieht es ihn nach Berlin, wo er das Vikariat bei der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Oberlausitz beginnt. Ihm wird als die Ausbildungsstelle die Gemeinde Vierkirchen vorgeschlagen. „Weil ich selbst aus einem ländlichen Kontext komme, hat mir das sehr gefallen“, sagt der angehende Pfarrer. Als Mentor steht ihm dort Pfarrer Andreas Fünfstück zur Seite. Kröner erfährt von der Möglichkeit des Auslandsvikariats und ist sofort Feuer und Flamme.

„Für amerikanische Kultur und Politik habe ich mich schon immer interessiert“, sagt er, zudem fühlt er sich in der englischen Sprache wohl - und so fällt die Wahl auf Wisconsin. Er ist dort bei der „United Church of Christ“ (UCC) beschäftigt, einer der Partnerkirchen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Oberlausitz. Die hat übrigens eine Verbindung in die Oberlausitz. Einer der Gründer wanderte einst aus dem heutigen Reichenbach in die USA ein und gründete in St. Louis einen Ableger der Evangelischen Landeskirche. Später schlossen sich diese und andere Kirchen zur UCC zusammen. Laut ihrer Website hatte die UCC 2018 circa 800.000 Kirchenmitglieder in mehr als 4.800 Ortsgemeinden. Jakob Kröner hat viel Sympathie für die „progressive Ausrichtung“ dieser Kirche übrig, wie er sagt. Zu vermitteln, dass Christentum offen für jeden und jede ist und nicht engstirnig sein müsse, sei ihm ein Anliegen. Ganz modern und weltoffen bloggt er auch über seine Zeit und seinen Arbeitsalltag in den USA. Für die Gemeindemitglieder aus Arnsdorf, Familienmitglieder, aber im Prinzip öffentlich für jeden Interessierten. Er schildert Erlebnisse vom Baseball-Spiel bis hin zum Besuch bei den Amish Pepole, der protestantischen Glaubensgemeinschaft, die dafür bekannt ist, ohne Technologie und Elektrik zu leben.

Gegendemonstranten beschimpfen die Kirchenleute

Im Juni besuchen er und weitere Vertreter seiner Kirche eine Parade in Milwaukee für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft, „Pridefest“ genannt. Eine Gruppe von Religionsgemeinschaften hat dort einen Segensstand auf dem Festivalgelände. Die Kirchenleute posieren sogar mit Drag-Queens für Fotos und erleben ein schönes, buntes Fest mit verrückten Kostümen - bis er und seine Mitstreiter abends das Gelände verlassen. Da melden sich auf einmal erzkonservative Gegendemonstranten zu Wort, beschimpfen ihn und seinen Mentor Eric Kirkegaard, als sie diese als Kirchenleute erkennen. Unter anderem bekommt der Vikar zu hören, er sei „von Satan verführt“ worden und bete einen falschen Gott an. Auch die pöbelnden Gegendemonstranten berufen sich auf das Christentum. Gerade wegen dieses Gegenwindes sei es wichtig, dass Kirchen, vor allem aber auch Pfarrer sich als Verbündete der LGBT-Gemeinschaft bekennen. Es gehe darum, Menschen, die in der Gesellschaft ausgestoßen werden, zu sagen „ihr seid willkommen“ und das auch so zu meinen. Jesus habe das schließlich auch getan, und nicht etwa an der Straßenecke gestanden und Hassbotschaften ausgerufen. Das Thema LGBT-Rechte habe in den USA „eine noch größere politische Sprengkraft“ als in Deutschland, ordnet der Vikar ein.

Insgesamt überwiege jedoch das Positive, er schätzt die Herzlichkeit und Großzügigkeit der Menschen in den USA. Zwar gibt es auch Dinge, die er vermisst - wie traditionelles deutsches Brot. Fast überall kommt das berüchtigte gesüßte Weißbrot auf den Tisch. Andere kulinarische Highlights hingegen schätzt er, etwa dass in Wisconsin jeden Freitag frittierte Fischgerichte kredenzt werden. "Eine coole Tradition", sagt er. Alles in allem gefalle es ihm sogar so gut, dass er überlege, dauerhaft dortzubleiben. Möglicherweise geht es aber auch wieder zurück in die Oberlausitz. Acht Monate bleiben ihm noch, darüber nachzudenken, dann endet sein Auslandsjahr.