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Drei Görlitzer recyceln jetzt Brot

Aus Brot, Gewürzen, Kräutern und Öl entstehen Brotchips, die gesünder sind als herkömmliche Chips. Ein Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung.

Von Ingo Kramer
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Max Hänsch, Annemarie Schneider und Alexander Grafe (von links) zeigen drei Tüten ihrer Brotchips, die sie unter dem Namen „fairdoppelt“ in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen anbieten.
Max Hänsch, Annemarie Schneider und Alexander Grafe (von links) zeigen drei Tüten ihrer Brotchips, die sie unter dem Namen „fairdoppelt“ in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen anbieten. © Martin Schneider

Die Rauch-Paprika-Chips – hergestellt aus Dinkel-Baguette – sind der Favorit von Max Hänsch und Annemarie Schneider. „Ich mag es, wenn der Cayenne-Pfeffer im Rachen brennt. Das haben sonst keine Chips“, sagt Max. Alexander Grafe hingegen bevorzugt die Sorte Kokos Curry, die auf Brezeln basiert. „Unser Allrounder aber ist die Sorte Mediterran“, sagt Alex: „Die entsteht aus hellen Baguettes und Brötchen – und ist die beliebteste Sorte.“

So unterschiedlich die Geschmäcker sind, eines haben alle drei Brotchips-Sorten gemeinsam: Sie leisten ihren Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung, denn sie werden unter dem Namen „fairdoppelt“ aus Brot hergestellt, das bei einem regionalen Bäcker in Leipzig am Ende des Tages nicht verkauft worden ist und das sonst in der Tonne gelandet wäre.

Hinter „fairdoppelt“ stecken drei Görlitzer, die jetzt in Leipzig leben und studieren. Max und Alex sind beide 23 Jahre jung, kennen sich seit der Grundschule, haben ihr Abitur am Joliot-Curie-Gymnasium gemacht und studieren jetzt in Leipzig Wirtschaftswissenschaften beziehungsweise Geografie. Annemarie ist 22, kommt aus Reichenbach und hat ihr Abi am Görlitzer Berufsschulzentrum gemacht. Jetzt studiert sie Medienproduktion. „Ich habe die Jungs erst in Leipzig kennengelernt“, sagt sie. Nur der vierte Initiator stammt nicht aus der Lausitz: Ahmad Hadri studiert mit Max Wirtschaftswissenschaften.

Alle kochen gern und viel

Mit professioneller Herstellung von Lebensmitteln hatten alle vier also nie zu tun. „Aber wir alle kochen gern und viel“, sagt Max. Er war es, der mit Ahmad die Idee für die Chips hatte. Und das aus zwei Gründen. Zum einen haben beide erlebt, wie viel Brot jeden Tag bei den Bäckern in Leipzig und Halle übrig bleibt: In ihren Mietshäusern lebt jeweils eine junge Frau, die beim Bäcker arbeitet und Tag für Tag Übriggebliebenes mit nach Hause bringt und im Haus verteilt – so viel Ware, dass diese sich irgendwann sogar zu Hause stapelte. Der andere Grund war der Corona-Lockdown. „Die Stadt war tot, und ich wollte gern irgendetwas Sinnvolles machen“, sagt Max. Anfang vorigen Jahres war das.

Beim Lernen für Prüfungen aßen Max und Ahmad normale Chips. Ihre Idee: „Wir machen Chips selber – und gesünder. Und wir tun etwas gegen die Lebensmittelverschwendung.“ YouTube-Videos gaben die ersten Tipps, wie es gehen könnte. Dann bestellte Max im Internet alle möglichen Gewürze, Kräuter und Öle: „Eigentlich alle Gewürze, die es gibt.“ Zwei Wochen lang probierte er – auch mit Unterstützung von anderen – immer weiter, mischte die Dinge und schrieb alles fein säuberlich auf.

Drei Sorten binnen zwei Wochen

Nach diesen zwei Wochen hatte er die drei Sorten zusammen. „Die werden bis heute immer weiter verfeinert“, sagt er. Irgendwann später sollen noch weitere hinzukommen. Die Zutatenliste ist simpel: Brot, Gewürze, Kräuter und Öl. Davon aber jeweils ganz viele verschiedene. „Wir arbeiten komplett ohne Säureregulatoren, Geschmacksverstärker und industrielle Konservierungsstoffe“, sagt Max. Konserviert wird schlichtweg mit Salz.

Als das Grundgerüst stand, fragte Max die anderen, ob sie mitmachen wollen. Beide bringen wichtige Vorzüge mit: „Alex ist ein Organisationstalent und bringt Struktur hinein, Annemarie ist Profi für Design und soziale Medien“, schwärmt Max. Die beiden sagten zu – und so sind sie seither zu viert. Das Brot holen Max und Alex morgens halb acht beim Bäcker ab. Es sind jene Reste des Vortages, die auch die Tafel übriggelassen hat. „Die Tafel kommt um sieben, wir nehmen ihr also nichts weg“, sagt Alex. Produziert wird in einer Mietküche. Verkaufsstart war beim Görlitzer Campus Open Air im Oktober. „In Leipzig haben wir schon Biomärkte, Spätshops und eine Bar beliefert“, sagt Alex: „Die würden uns alle ins Sortiment aufnehmen, wenn wir in größeren Mengen produzieren würden.“

Genau das ist jetzt der Plan. Ab 11. April wollen sie über eine Crowdfunding-Kampagne im Internet 15.000 Euro sammeln. Das soll der scharfe Start für die Produktion werden. Von dem Geld sollen die erste große Produktion bezahlt und ein Dörr-Automat für Gemüse und Obst gekauft werden, sodass die Produktion später in diese Richtung ausgedehnt werden könnte. Vielleicht reicht das Geld auch für eine Brotschneidemaschine. Wenn effektiver produziert werden kann, könnte der Verkaufspreis der Chips nämlich sinken. Aktuell kostet eine 80-Gramm-Tüte erst einmal drei Euro.

Ob die Produktion Hauptberuf werden oder Hobby bleiben soll, ist momentan noch nicht klar. „Aktuell studieren wir alle noch“, sagt Annemarie. Allerdings neigt sich das Studium dem Ende. Jetzt kommt es vor allem darauf an, ob die 15.000 Euro zusammenkommen. Gelingt es, dann kann mehr produziert werden. Und während es in Leipzig schon einige Händler für die Chips gibt, sind Max, Alex und Annemarie in Görlitz noch auf der Suche. Bioläden, Bars, Kinos, auch der Unverpackt-Laden: All das käme infrage. Und natürlich Veranstaltungen wie das nächste Campus Open Air.

https://fairdoppelt.de/crowdfunding