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Görlitz: Ärger um die neue Grundsteuer

Ein Hauseigentümer befürchtet, künftig zu viel zahlen zu müssen. Sein Beispiel ist kein Einzelfall. Das Finanzamt Görlitz rät zur individuellen Überprüfung.

Von Ingo Kramer
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Ronny Otto sitzt in einem leeren Raum in seinem Gebäude Grüner Graben 15 in Görlitz. Seiner Ansicht nach wird die künftige Grundsteuer für das Haus falsch berechnet werden.
Ronny Otto sitzt in einem leeren Raum in seinem Gebäude Grüner Graben 15 in Görlitz. Seiner Ansicht nach wird die künftige Grundsteuer für das Haus falsch berechnet werden. © Archivfoto: Pawel Sosnowski

Bei vielen Grundstückseigentümern im Kreis Görlitz treffen jetzt die ersten Bescheide zur Grundsteuer ein. Sie sind die Grundlage für die künftig zu zahlende Grundsteuer. Zwar hat bisher nur etwa die Hälfte der Eigentümer ihre Daten dafür eingereicht, doch die, die es getan haben, bekommen jetzt Post. So wie der Görlitzer Immobilienbesitzer Ronny Otto.

„Jahr der Kernsanierung: 2013“ steht in den Bescheiden vom Finanzamt für seine drei Gebäude Grüner Graben 13, 14 und 15 im Stadtzentrum von Görlitz. „Die Merkmale einer Kernsanierung sind aber gar nicht erfüllt“, sagt Otto – und verweist auf eine Definition, die auf dem Portal grundsteuer.de zu finden ist. „Eine Kernsanierung wird insbesondere angenommen, wenn Dacheindeckung, Fassade, Innen- und Außenwände, Fußböden, Fenster, Innen- und Außentüren und sämtliche technischen Systeme wie Heizung und alle Abwasser-, Elektro- und Wasserleitungen erneuert wurden“, heißt es dort.

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Damit ist für Otto klar: Seine drei denkmalgeschützten Häuser sind nicht kernsaniert. „Gerade im Denkmalbereich, wo es keine Veränderung der Außenwände und Türen geben darf, kann nicht von einer Kernsanierung gesprochen werden“, sagt er. Auch die Außendämmung sei bei einem Denkmal nicht möglich und der Mieter werde mit überdurchschnittlichen Heizkosten belastet. „Alle diese Fakten sprechen gegen das Merkmal der Kernsanierung und halten einem vergleichbaren Neubaustandard nicht stand“, sagt er.

Neuregelung ab 2025

Warum sind solche Details wichtig? Von ihnen hängt ab, wie hoch die Grundstücke taxiert werden und die Grundsteuer später ausfallen wird. Diese müssen die Kommunen ab 2025 neu regeln. Das Problem mit der Kernsanierung wird am Ende sehr viele Eigentümer betreffen: Laut Finanzamt verlängert eine Kernsanierung die Restnutzungsdauer erheblich, im Falle der drei Häuser am Grünen Graben auf weitere 63 Jahre. So werden Mieteinnahmen für die nächsten 63 Jahre angenommen, was den Wert der Gebäude ungemein steigen lässt – und somit die voraussichtliche Grundsteuer. Vermieter können – und werden – die Steuer auf die Mieter umlegen. So betrifft es am Ende alle Görlitzer.

Martin Vogt, der Leiter des Görlitzer Finanzamtes, widerspricht Otto allerdings: „Es ist nicht zutreffend, dass bei Denkmalen in jedem Fall eine Kernsanierung angenommen wird.“ Die liege vor, wenn nicht nur der Ausbau umfassend modernisiert, sondern auch der Rohbau zumindest teilweise erneuert worden ist. „Im Einzelfall müssen aber nicht zwingend alle Gewerke neubauähnlich erneuert worden sein“, sagt Vogt. Das gelte besonders für Gebäude, bei denen aufgrund baurechtlicher Vorgaben eine weitreichende Veränderung nicht zulässig ist, zum Beispiel bei Denkmalen.

Individuelle Betrachtung notwendig

Die Aussage von Vogt deckt sich mit einer weiteren Aussage auf grundsteuer.de. Dort heißt es: „Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, sodass es im Einzelfall auch genügt, wenn nicht alle der vorgenannten Maßnahmen durchgeführt wurden, zum Beispiel wegen Denkmalschutz.“ Vogt schlägt deshalb eine individuelle Betrachtung vor: „Ob eine Kernsanierung vorliegt, muss unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden.“ Ronny Otto solle sich daher kurzfristig an das Finanzamt wenden. Und vermutlich nicht nur Otto: Das gleiche Problem dürfte viele Eigentümer von Denkmalen betreffen. Da könnte viel Arbeit auf das Finanzamt zukommen.

Zumal die Kernsanierung für den Steuerzahler nicht das einzige Übel ist. Das andere: Die angenommenen Kaltmieten, die sich mit der Vermietung der Gebäude erzielen lassen. Bei Wohnungen unter 60 Quadratmetern Wohnfläche geht das Finanzamt im Fall von Otto von einer monatlichen Nettokaltmiete von 11,12 Euro aus und zieht davon 20 Prozent ab, weil sich in Görlitz geringere Mieten erzielen lassen als anderswo. Übrig bleiben 8,90 Euro je Quadratmeter. „Das ist viel zu hoch“, so Otto: „Die tatsächlichen Mieteinnahmen kommen da nicht ansatzweise heran.“

Kein Entgegenkommen vom Amt

Bei dem Punkt deutet Vogt kein Entgegenkommen an. „Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass bei der Ermittlung des Wertes von Wohngrundstücken ein typisierter Ertrag zugrunde zu legen ist“, sagt er. Ziel sei es, alle miteinander vergleichbaren Wohnungen und Wohnhäuser einheitlich zu bewerten. So könne erreicht werden, dass für nach Lage, Alter und Größe miteinander vergleichbare Wohnungen auch ein vergleichbarer Wert festgestellt wird.

Dabei werde nicht auf die tatsächliche oder erzielbare Miete zurückgegriffen, sondern auf typisierte monatliche Kaltmieten. Die Kaltmieten seien auf Basis des Mikrozensus 2018 – also aus statistischen Erhebungen echter Mietzahlungen – ermittelt worden und für jedes Bundesland gesondert und getrennt nach Baujahr, Gebäudeart und Größe der Wohnung aufgeführt.

„Um die regionalen Mietniveauunterschiede abzubilden, ist außerdem eine Anpassung durch einen Zu- oder Abschlag je nach Einstufung der Gemeinde vorzunehmen“, so Vogt. Für Görlitz sind das die von Otto genannten 20 Prozent Abschlag von der typisierten Nettokaltmiete.

Mieter tragen die Mehrbelastungen

Otto ist über diese Art der Berechnung entsetzt, denn am Ende werden alle Vermieter die höhere Grundsteuer auf die Mieter umlegen. Sie sind es, die vermutlich sehr hohe Mehrbelastungen tragen werden. „Auch wenn die Menschen zurzeit andere Probleme haben, so sind die nächsten Unruhen vielleicht auch auf der Straße vorprogrammiert“, vermutet er.

Bis dahin wird es aber noch dauern, denn mit den Bescheiden, die das Finanzamt jetzt verschickt, ist die Höhe der Grundsteuer ab 2025 noch nicht festgelegt. Jede Gemeinde bestimmt zunächst einen individuellen Hebesatz. Dieser wird mit dem Messbetrag multipliziert. Daraus entsteht der neue Grundsteuerbetrag. Vermutlich wird er erst im Jahr 2024 feststehen.

Dirk Mohr, Freier Steuerberater in Dresden und Vorstandsmitglied beim Bund der Steuerzahler, rät ohnehin jedem Eigentümer, der seinen Bescheid bereits erhalten hat, diesen in Ruhe zu prüfen und anschließend Einspruch einzulegen. „Wer das jetzt tut, hält sich alle Optionen offen, bis höchstrichterlich entschieden ist, ob die Erhebung der Grundsteuer in dieser Weise überhaupt verfassungsrechtlich korrekt abgelaufen ist“, sagt Mohr. Der Bund der Steuerzahler bereite zusammen mit dem Eigentümerverband Haus und Grund eine Musterklage vor. Die kritischen Baustellen in der Grundsteuererklärung seien neben den gravierenden verfassungsrechtlichen Bedenken der „Bodenrichtwert“ und die „ortsübliche Vergleichsmiete“.