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Giftiges Grün macht Görlitzer Kirchensanierung teurer

Die Dreifaltigkeitskirche am Obermarkt muss dringend gesichert werden. Mit dem Ausbau der Orgel geht es nach Ostern los. Doch nach der Bauzeit wird die Enttäuschung groß sein.

Von Ingo Kramer
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Ortskurator Frank-Ernest Nitzsche, Anneliese Karst (Kuratoriumsmitglied der Deutschen Stiftung Denkmalschutz) und Pfarrer Dr. Matthias Paul (von links) freuen sich, dass die Deckenmalerei im Chorraum der Dreifaltigkeitskirche nun gesichert werden kann.
Ortskurator Frank-Ernest Nitzsche, Anneliese Karst (Kuratoriumsmitglied der Deutschen Stiftung Denkmalschutz) und Pfarrer Dr. Matthias Paul (von links) freuen sich, dass die Deckenmalerei im Chorraum der Dreifaltigkeitskirche nun gesichert werden kann. © Martin Schneider

Der Ostermorgen ist in der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche am Obermarkt immer etwas Besonderes: In aller Frühe, von 5 bis 6 Uhr morgens, kommen Gläubige zusammen, um mit viel Bewegung und Gesang die Osternacht zu feiern. Auch die Orgel erklingt zur frühen Stunde. „Die Feier ist immer gut besucht, zweifellos ein Höhepunkt im Jahreskalender“, sagt Matthias Paul, Pfarrer der Innenstadtgemeinde, zu der die Dreifaltigkeitskirche zählt.

An diesem Sonntag nun ist alles noch ein wenig spezieller: Die Osternacht ist die vorerst letzte religiöse Nutzung der Kirche. Nach Ostern wird die Orgel ausgebaut und vor Ort in der Kirche eingelagert, um sie vor Staub zu schützen. Auch für den Besucherverkehr wird die Kirche bald komplett gesperrt, denn drinnen wird ein großes Gerüst aufgebaut, zunächst im Chorraum, später in der gesamten Kirche.

Die Orgel der Dreifaltigkeitskirche erklingt am Ostersonntag zum vorerst letzten Mal.
Die Orgel der Dreifaltigkeitskirche erklingt am Ostersonntag zum vorerst letzten Mal. © Martin Schneider

Hintergrund: Bevor die marode Kirche gesichert wird, soll zunächst die Decke gesichert werden. „Die historischen Farbfassungen liegen nur noch pulverig auf“, erklärt Paul. Würde das ganze Bauwerk jetzt gesichert, würden die Farben schlichtweg abplatzen und verloren gehen. Zudem wurde voriges Jahr etwas entdeckt, das bisher noch keinem bewusst war und die Sanierung teurer macht: Schweinfurter Grün. Große Teile der Decke enthalten diese Farbe mal in größerem, mal in kleinerem Ausmaß. Die Farbe kann für Besucher gefährlich werden: Sie enthält giftiges Arsen.

Im 19. Jahrhundert war das intensiv leuchtende, lichtechte Grün sehr beliebt und wurde für Tapeten, Wandanstriche und Kunstwerke verwendet. Künstler wie Gauguin, van Gogh, Monet oder Manet nutzten es gern. Doch nachdem immer wieder Atemwegsvergiftungen auftraten, warnten Ärzte vor der Verwendung von Schweinfurter Grün. 1882 wurde es als Gebrauchsfarbe in Deutschland verboten.

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„Es geht nun also zunächst darum, alle Deckenanstriche zu reinigen und zu festigen“, sagt Paul. Der beauftragte Restaurator habe entdeckt, dass sich das Bindemittel der giftigen Farbstoffe im Laufe der Jahrzehnte verflüchtigt hat, sodass die grünen Pigmente an manchen Stellen nur noch aufliegen und sich bei Erschütterung ablösen könnten. Für die Finanzierung dieser 680.000 Euro teuren Sicherungsmaßnahme hat die Evangelische Innenstadtgemeinde voriges Jahr beim Freistaat Sachsen und bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) Fördergelder beantragt.

Der Freistaat hat 575.000 Euro zugesagt. In dieser Woche nun statteten zwei DSD-Vertreter der Kirche einen Besuch ab: Ortskurator Frank-Ernest Nitzsche und Kuratoriumsmitglied Anneliese Karst. Im Gepäck hatten sie einen großen Scheck: Die DSD beteiligt sich mit 40.000 Euro an der Sicherung. „Wir haben eine anonyme private Einzelspende in dieser Höhe erhalten, zweckgebunden für die Deckensicherung in dieser Kirche“, erklärt Nitzsche. Von wem das Geld komme, wisse noch nicht einmal er. Doch er sagt: „Solche zweckgebundenen Spenden sind etwas seltenes.“ Das meiste Geld, das bei der DSD eingeht, ist nicht so klar zugeordnet.

Mehr Geld ist nicht vorhanden

Pfarrer Paul indes hofft, dass bei der Deckensicherung alles gut geht: Einerseits, dass es nicht teurer wird, denn mehr Geld ist schlichtweg nicht vorhanden. Andererseits auch, dass es gelingt, die Bauarbeiten bis zum Herbst abzuschließen. Dann könnte die Kirche nämlich in der Adventszeit wieder als solche genutzt werden.

Ab nächstem Jahr soll sie dann aber so richtig zur Baustelle werden. Dann beginnt voraussichtlich die eigentliche Sicherung des Bauwerks, die laut Paul drei Jahre dauern könnte: von 2025 bis 2027. Kostenpunkt: 5,56 Millionen Euro. „Ich rechne damit, dass die Fördermittelbescheide von Bund und Land in diesem Sommer kommen werden“, sagt der Pfarrer. Insgesamt wollen sich beide Seiten mit fünf Millionen Euro an der Sicherung beteiligen. Die Gemeinde muss also einen Eigenanteil von 560.000 Euro erbringen. „Diese Summe ist gesichert“, sagt Paul: „Das Geld kommt zum Großteil von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Ekbo), zum kleineren Teil vom Kirchenkreis. Diese beiden sind im Übrigen auch an der Finanzierung der Deckensicherung in diesem Jahr beteiligt.

Innenraumsanierung kommt erst später

Doch trotz 5,56 Millionen Euro und drei Jahren Bauzeit: Bei manch einem, der anschließend die Kirche betritt, wird die Enttäuschung groß sein. „Drinnen wird es nach diesem Bauabschnitt aussehen wie immer“, sagt der Pfarrer. Lediglich von außen wird man auf den ersten Blick etwas Neues sehen: das Dach. Bei diesem Bauabschnitt geht es tatsächlich erst einmal nur um den Substanzerhalt, erklärt der Pfarrer. Oder, etwas drastischer: „Es geht darum, dass die Kirche nicht zusammenfällt.“

Im Fokus stehen dabei alle statischen Fragen – von der Gründung über das Mauerwerk bis zur Dachkonstruktion und zum Dach. „Also quasi so, als ob die Kirche keine Kunstgüter hätte“, sagt Paul. Die Kunstgüter werden maximal eingehaust, damit sie während der Bauzeit geschützt sind. Die Innenraumsanierung wäre ein weiterer Bauabschnitt, doch für den gibt es bisher weder einen Zeitplan noch eine Finanzierung.

Das Gleiche trifft auch auf einen ganz anderen Plan zu: Der auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Kirchenbau soll in Zukunft als Kulturerbezentrum mit einer großen Jakob-Böhme-Ausstellung und zugleich als Kirche dienen. Das ist schon seit 2015 im Gespräch. Ob zuerst die Innenraumsanierung kommt oder zuerst die Böhme-Ausstellung? Der Pfarrer kann es noch nicht sagen, denkbar wäre beides. Wichtig ist jetzt erst einmal die Sicherung. Alles andere baut später darauf auf.

Die Grundlagen aber werden jetzt gelegt – auch noch in ganz anderer Hinsicht. „Wir sind gerade an der Gründung eines Kirchbauvereins dran“, sagt Paul. Der Verein könnte Spenden für spätere Bauabschnitte sammeln, aber auch darüber hinaus dafür sorgen, dass die Sanierung im Gespräch bleibt. Er könnte vielleicht auch Kooperationen ins Rollen bringen, etwa mit dem benachbarten Gymnasium. „Engagierte Mitstreiter für einen solchen Verein haben wir“, sagt der Pfarrer: „Aber wir schauen noch, wie wir den Vorstand aufbauen.“ Das Ganze wolle wohlüberlegt sein, damit es am Ende keine Zielkonflikte gibt, sondern der Verein einheitlich auftritt. Da bestehe noch keine Eile. Ganz im Gegensatz zu der Baustelle in diesem Jahr: Nach der Osterfeier startet diese.