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Görlitzer OB auf Wohnungsbesichtigung

Octavian Ursu kam 1990 nach Görlitz und zog an den Leipziger Platz. Jetzt ist das Haus saniert. Und der OB war noch mal drin.

Von Ingo Kramer
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OB Octavian Ursu macht ein Foto am Fenster im Dachgeschoss der Leipziger Straße 20a. Hier oben lebte er von 1990 bis 1992.
OB Octavian Ursu macht ein Foto am Fenster im Dachgeschoss der Leipziger Straße 20a. Hier oben lebte er von 1990 bis 1992. © Martin Schneider

Octavian Ursu erinnert sich noch gut: Keine Dusche, keine Wanne, keine Heizung, kein Telefon und noch nicht mal eine Klingel unten an der Haustür: „Das war meine erste Wohnung in Görlitz – im Dachgeschoss der Leipziger Straße 20a.“

Jetzt hat die städtische Tochtergesellschaft Kommwohnen das Haus frisch saniert. Und der heutige Görlitzer Oberbürgermeister hat die Chance genutzt, seine alte Wohnung noch einmal zu besichtigen, bevor neue Mieter einziehen. Obwohl alles komplett umgebaut ist: Sein Fenster im Dachgeschoss hat er wiedererkannt – mit Blick auf den sogenannten Leipziger Platz. „Ich hatte damals einen Kohleofen“, sagt er. Und den Vorteil, dass die Wohnung so klein war: „Dadurch wurde es schnell warm.“ Das Kohleschleppen bis rauf ins Dachgeschoss hat ihn nicht gestört: „Ich war ja jung.“ Unangenehmer fand er es, die Asche runterzubringen. Wenn es windig war, bekam er die Asche auch mal direkt ins Gesicht geweht. „Jeder kennt das, der noch mit Kohle geheizt hat“, sagt Ursu.

Das Foto zeigt Octavian Ursu 1990 direkt nach der Ankunft in Görlitz vor Litfaßsäule und Bushaltestelle auf der Dr.-Kahlbaum-Allee, in der Nähe des Ständehauses. In dem Koffer in der Hand hält er seine Trompete. Fotos aus der Leipziger Straße hat Ursu nic
Das Foto zeigt Octavian Ursu 1990 direkt nach der Ankunft in Görlitz vor Litfaßsäule und Bushaltestelle auf der Dr.-Kahlbaum-Allee, in der Nähe des Ständehauses. In dem Koffer in der Hand hält er seine Trompete. Fotos aus der Leipziger Straße hat Ursu nic © Foto: privat

Er kam zum 1. September 1990 nach Görlitz, also noch in den letzten Wochen der DDR-Zeit – als Solotrompeter am Theater. Da war er noch nicht ganz 23 Jahre alt, kam frisch vom Studium in Bukarest, wo er geboren und aufgewachsen ist. Görlitz war sein erster Arbeitsort. „Ich dachte, ich bleibe vielleicht ein Jahr, allerhöchstens zwei“, erinnert er sich. Entsprechend kam er auch nur mit einem kleinen Koffer hier an – und nur mit Sommersachen. „Als es kühler wurde, bin ich heimgefahren, um Wintersachen zu holen“, erinnert sich der OB.

Eine Wohnung zu bekommen, sei nicht schwer gewesen: „Meine hatte das Theater angemietet, sie war möbliert.“ Die Möbel waren alt, aber in Ordnung. Eine Couch, zwei Tische, ein kleiner Schrank. „Mein Bett stand direkt unter der Dachschräge“, erinnert sich Ursu. Er stellte sich allen Nachbarn auf der Etage als „der Neue“ vor und auch den Leuten eine Etage darunter. Er erklärte ihnen auch, dass er Musiker ist – und fragte, ob bestimmte Zeiten zum Üben in Ordnung sind. „Wenn man das vorher ankündigt, dann ist das Verhältnis gleich ein ganz anderes“, sagt er.

Das Foto zeigt Octavian Ursu Anfang der 1990er Jahre mit seiner Mutter vor dem Görlitzer Theater.
Das Foto zeigt Octavian Ursu Anfang der 1990er Jahre mit seiner Mutter vor dem Görlitzer Theater. © Foto: privat

Die Nachbarn seien sehr nett gewesen. Eine ältere Frau lebte mit auf der Etage und noch ein weiterer junger Mann, der nur wenig älter war als Ursu. Mit dem traf er sich ab und an abends zum Kochen. „Zu ihm habe ich heute noch ein freundschaftliches Verhältnis, er arbeitet bei Alstom“, berichtet Ursu. Viel geübt habe er in seiner Wohnung am Ende aber nicht – vor allem, um seine Nachbarn nicht zu verärgern. Meist übte er am Theater. Und wilde Partys gefeiert habe er auch nicht.

Dass er in Görlitz blieb, liegt in erster Linie daran, dass er schon im November am Theater seine heutige Ehefrau kennenlernte. 1992 zog er zu ihr auf die Jahnstraße und schon bald bauten beide ihr Haus in Klingewalde. 1995 zogen sie ein, Ursu war jetzt 27 oder 28 Jahre jung. „Es waren einfach keine großen Wohnungen zu vernünftigen Preisen zu finden“, sagt er: „Vor allem deshalb haben wir damals gebaut.“ Zwei Töchter komplettierten bald das Familienglück, deshalb wäre die Wohnung auf der Jahnstraße bald zu klein gewesen.

Octavian Ursu wohnte von 1990 bis 1992 im Dachgeschoss des Eckhauses Leipziger Straße 20a/ Rauschwalder Straße in Görlitz mit Blick auf den Leipziger Platz. Jetzt ist das Haus frisch saniert.
Octavian Ursu wohnte von 1990 bis 1992 im Dachgeschoss des Eckhauses Leipziger Straße 20a/ Rauschwalder Straße in Görlitz mit Blick auf den Leipziger Platz. Jetzt ist das Haus frisch saniert. © Martin Schneider

Noch heute denkt Ursu beim Duschen manchmal an die Leipziger Straße zurück – eben, weil es dort keine Dusche gab und er sich nur mit Schüsseln waschen konnte. „Wenn man das eine Weile lang nicht hatte, dann weiß man es hinterher umso mehr zu schätzen“, sagt er.

Das Haus auf der Leipziger Straße indes ging einen traurigen Weg: Es verfiel. Als Kommwohnen es schließlich der Stadt abkaufte, waren alle Decken durchgebrochen, die Etagen nicht mehr zu betreten. Nur mit Fördermitteln konnte es in den vergangenen Jahren aufwendig saniert werden. Mit einem Aufzug ist es jetzt barrierearm und Kommwohnen hofft vor allem auf ältere Mieter. „Jetzt ist es viel heller und freundlicher“, sagt Ursu. Die neuen Mieter müssen auch nicht mehr eine halbe Treppe tiefer auf Toilette gehen, so wie er das damals tat.

„Und wenn früher Autos über das Kopfsteinpflaster fuhren, wackelte oben im Dachgeschoss der Fußboden – das war unglaublich“, erinnert er sich. Jetzt ist es viel leiser geworden. Ursus damalige Räume sind sogar noch zu haben: Sie sind heute eine helle Zweiraum-Wohnung.