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Ein Jahr der Bäume in Görlitz

Die Aktion „950 Jahre – 950 Bäume“ animierte manch einen zum Pflanzen. Aber das Ziel ist längst nicht erreicht. Wie soll es nächstes Jahr weitergehen?

Von Ingo Kramer
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Sascha Röhricht (r.) ist der Initiator der Aktion „950 Jahre – 950 Bäume“. Hier pflanzt er zusammen mit Lukas Deege einen Baum.
Sascha Röhricht (r.) ist der Initiator der Aktion „950 Jahre – 950 Bäume“. Hier pflanzt er zusammen mit Lukas Deege einen Baum. © Martin Schneider

Als bündnisgrüner Stadtrat hat sich Joachim Schulze sehr über die Aktion „950 Jahre – 950 Bäume“ gefreut. „Zusammen mit meinen Söhnen habe ich in unserem Garten in der Nikolaivorstadt einen Gravensteiner Apfel und eine Conference-Birne gepflanzt“, berichtet der 69-Jährige.

Sascha Röhricht stimmen solche Aussagen froh. Er ist – zusammen mit der BUND Ortsgruppe Görlitz – der Initiator der Aktion zum Stadtjubiläum von Görlitz. Beide haben beim Wettbewerb zum Stadtjubiläum in der Kategorie „Natur und Sport“ einen Preis gewonnen. „Davon konnten wir die Öffentlichkeitsarbeit für unsere Aktion sowie die Plaketten für alle 950 Bäume bezahlen“, sagt Sascha Röhricht. Das Geld sei inzwischen aufgebraucht.

Wenn Menschen wie Schulze Bäume pflanzen, die das sonst vielleicht nicht getan hätten, dann hat Röhricht sein Ziel erreicht. Allerdings musste er auch feststellen, dass es gar nicht so leicht ist wie gehofft. Das Ziel, in diesem Jahr 950 neue Bäume in den Boden zu bekommen, konnte er nicht erreichen.

„Ich schätze, 350 haben wir geschafft, aber Genaues erfahre ich erst bei unserem nächsten Treffen im Januar“, sagt Röhricht. Zuletzt seien ihm auch Pflanzflächen irgendwo auf dem Dorf angeboten worden. Das findet er einerseits toll, aber eigentlich war der Sinn der Aktion ein anderer: So, wie bei Joachim Schulze, sollten die Bäume in der Stadt gepflanzt werden. Dort aber will sie nicht jeder haben. „Uns haben Hausverwaltungen gefragt, wo es Pflanzflächen gibt“, sagt er. Gewünscht hatte er sich das Gegenteil: Dass die Hausverwalter in den Gärten der Häuser Pflanzflächen anbieten. Dort aber würden sie teilweise auf Widerstand der Hausbesitzer oder Mieter treffen, die keine Bäume wollen oder davor zurückschrecken, weil die Gehölze später gegossen und gepflegt werden müssen.

Der städtische Großvermieter Kommwohnen hat bereits im April an der Schlesischen Straße in Görlitz-Königshufen 27 neue Bäume gepflanzt.
Der städtische Großvermieter Kommwohnen hat bereits im April an der Schlesischen Straße in Görlitz-Königshufen 27 neue Bäume gepflanzt. © Photosammlung H.B. H. Brettschneider

Dennoch war es ein Jahr der Bäume, denn auch 350 Stück sind ein Erfolg. Die Stadtverwaltung lobt das sehr. „Gerade vor dem Hintergrund der zahlreichen Fällungen begrüßt und unterstützt die Stadt Görlitz die Aktion 950 Bäume“, sagt Rathaussprecherin Annegret Oberndorfer. Das sei der bisher größte privat initiierte Beitrag zum Gehölzschutz und zur Gehölzbestandsentwicklung in Görlitz. Gut findet sie, dass die Aktion einhergeht mit der Vermittlung fachlicher, ökologischer und gestalterischer Grundlagen sowie mit Empfehlungen zur Gehölzauswahl, zum Standort, der Pflanzung und der Pflege.

Stadt hat 2021 viel gepflanzt

Die Stadt hat dieses Jahr viele Gehölze gepflanzt: 31 Bäume bei der Frühlings- und 36 bei der Herbstpflanzung im ganzen Stadtgebiet, zudem rund 550 Bäume und Sträucher beim Ausbau der Rothenburger Landstraße, 60 Bäume im neuen Brautwiesenpark sowie 19 Bäume und Sträucher im neuen Gewerbegebiet Schlauroth.

Auch einige Großvermieter haben sich beteiligt. „Wir haben im Frühling 27 Bäume an der Schlesischen Straße und vier am Nordring gepflanzt, die Teil der Aktion 950 Bäume geworden sind“, sagt Jenny Thümmler von Kommwohnen. Da es sich um Ersatzpflanzungen handelte, hätte Kommwohnen die Bäume ohnehin gesetzt. „Wir haben uns aber sehr gefreut, als Sascha Röhricht uns zum passenden Zeitpunkt von dem Projekt berichtet hat“, sagt Jenny Thümmler. Natürlich werde es auch nächstes Jahr Baumpflanzungen geben, aber Details stehen noch nicht fest. Das gelte auch für geplante Fällungen.

WGG berücksichtigt Hinweise des BUND

Auch die Wohnungsgenossenschaft Görlitz (WGG) war dabei. „Insgesamt haben wir dieses Jahr 15 Bäume gepflanzt“, sagt Vorstand Simone Oehme: je fünf an den Spielplätzen Schlesische Straße 79 und Alexander-Bolze-Hof/Peter-Liebig-Hof, drei am Spielplatz Martin-Ephraim-Straße und zwei an den Häusern An der Terrasse 17-23. Weitere Baumpflanzungen seien geplant. „Für die Auswahl der Pflanzungen berücksichtigen wir die Hinweise des BUND, welche heimischen Bäume, Sträucher und Stauden für den vogelfreundlichen Garten bevorzugt werden sowie Lebensraum und Nahrung für Insekten bieten“, sagt sie.

Für zehn Bäume erhielt die WGG dieses Jahr die Fällgenehmigung von der Stadt Görlitz. Wie viele Bäume 2022 gefällt werden, stehe noch nicht fest, mögliche Ersatzpflanzungen ebenso wenig.

Der Großvermieter TAG Wohnen hat im Herbst bei der Aktion 950 Bäume zum Stadtjubiläum von Görlitz sieben Feldahorn-Bäume am Ostring in Königshufen gesetzt.
Der Großvermieter TAG Wohnen hat im Herbst bei der Aktion 950 Bäume zum Stadtjubiläum von Görlitz sieben Feldahorn-Bäume am Ostring in Königshufen gesetzt. © Foto: TAG Wohnen

Die TAG Wohnen & Service hat dieses Jahr in Görlitz sieben Bäume in Königshufen gepflanzt. Das berichtet Heike Baumgart, Leiterin Immobilienmanagement. Gefällt wurde nur ein Baum – ebenfalls in Königshufen. „Die Aktion 950 Jahre – 950 Bäume spielte eine große Rolle, da sie uns inspiriert hat, uns zu beteiligen“, sagt sie. Die TAG werde sicher auch 2022 weitere Bäume, Sträucher oder Hecken pflanzen.

Auch Sascha Röhricht und der BUND wollen weitermachen – so lange, bis die 950 Bäume geschafft sind, vielleicht auch noch länger. Wenn das drei Jahre dauert, dann sei das eben so. „Wir wollen im Frühling wieder dazu aufrufen“, sagt Röhricht. Zwar ist das eigentliche Projektbudget aufgebraucht. „Aber wir haben auch Spenden bekommen, die wir mit ins neue Jahr nehmen“, sagt er. Es sei sogar mehr Geld als gedacht. Das kann für weitere Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben werden – oder direkt für Bäume. Wer sich beteiligen will, erhält bei den Baumschulen Rißmann im Schöpstal, Schwartz in Löbau und Wendler in Weißenberg fünf Euro Rabatt auf jeden Baum bis 30 Euro, auf teurere Bäume sogar zehn Euro. Der BUND bezahlt diese Summe an die Baumschulen. Röhricht würde sich freuen, wenn Bürger konkrete Pflanzstellen im Stadtgebiet nennen könnten.

Dafür hat Joachim Schulze keine konkreten Ideen. „Die ,pflanzwilligen’ Menschen in Görlitz wissen, was wo zu tun ist und kümmern sich“, glaubt er. Alles sollte weiter möglich sein, auch Baumpflanzungen von Unternehmen oder Institutionen. Auch die Stadtverwaltung will weiter mitmachen. „Bei der Frühlingspflanzung 2022 sollen etwa 70 Bäume gesetzt werden“, sagt Annegret Oberndorfer. Die Bäume erhalten ihren Platz zumeist in denkmalgeschützten Grünanlagen wie Schellergrund, Berggarten, Friedenshöhe und Ölberggarten. Bei der Herbstbaumpflanzung sind dann etwa 30 Straßenbäume geplant. Auch sonst will die Stadt die 950-Bäume-Aktion weiter nach Kräften unterstützen: „Wir werden die fachliche Beratung fortführen, mögliche Standorte benennen und abstimmen“, sagt Annegret Oberndorfer.

Link zur Aktion „950 Jahre – 950 Bäume“: www.950-baeume.de