Wie ein Görlitzer zum Festival-Organisator wurde

Eigentlich wäre Alexander Rueth schon längst in Leipzig. Nachdem er voriges Jahr am Görlitzer Augustum-Annen-Gymnasium sein Abitur gemacht hatte, wollte er in der Messestadt Sportmanagement studieren. Die Noten dafür hatte er. „Aber wegen Corona wurden weniger Studenten angenommen als sonst“, sagt er. Also suchte er sich eine Alternative – und wurde ab 1. September Bundesfreiwilligendienstleistender (Bufdi) in der Görlitzer Rabryka, also im Zentrum für Jugend und Soziokultur im früheren Waggonbau-Werk I.
Heute ist er froh, dass alles so gekommen ist. Seine Zwillingsschwester begann damals gleich mit einem Studium – und hatte fast das ganze Jahr über nur Online-Unterricht. „Ich hatte hier deutlich mehr persönliche Kontakte“, sagt er. Veranstaltungsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit waren seine Kernaufgaben. Beides Dinge, die in Corona-Zeiten auch nur sehr eingeschränkt möglich sind. „Am Anfang war da natürlich eine gewisse Frustration da“, sagt er: „Ich hatte so viel vor, aber nichts ging.“
Deshalb war der heute 19-jährige Görlitzer in den ersten Monaten hauptsächlich beim Umzug des Vereins von der Villa auf der Bautzener Straße ins neue Zentrum im Werk I aktiv, durfte streichen und Kisten schleppen. „Und ich habe mich in die Gestaltung des Jugendclubs im neuen Zentrum eingebracht“, berichtet er.
Erst mit dem Jahreswechsel änderte sich alles. Zunehmend gab es Online-Veranstaltungen, um den Leuten wenigstens ein bisschen Kultur nach Hause zu bringen. Jetzt war Alexander Rueths Talent in der Öffentlichkeitsarbeit gefragt – nicht im Schreiben von Pressemitteilungen, sondern vor allem, neue Formate im Internet zu entwickeln und auszuprobieren, zumeist auf Instagram und Youtube. Er hat viel fotografiert und Videos gedreht, von Arbeitseinsätzen, aber auch als Interviews mit dem Team. Dazu kamen Podcasts. „Meine Mission war es, den Leuten das neue Zentrum näherzubringen“, sagt er: „Wenn sie herkommen, sollen sie das Gefühl haben, schon mal dagewesen zu sein.“
Traurigkeit wich der Euphorie
Das hat auch ihm selbst gutgetan: „Meine anfängliche Traurigkeit, dass ich nicht machen konnte, was ich vorhatte, wurde zur Euphorie, weil in anderen Bereichen vieles möglich wurde, auch mit den Online-Formaten.“ Für ihn selbst war vieles davon Neuland. Früher, vor dem Abitur, hat er ganz andere Dinge gemacht, hat 13 Jahre Geige gespielt und fünf Jahre Hockey, zudem zwei Jahre in der Tanzschule Matzke getanzt. Von seinen alten Hobbys ist jetzt nur noch der Kraftsport übrig geblieben. Alles andere ersetzt jetzt die Rabryka: „Hier bin ich voll drin, habe eine Bindung entwickelt.“ Was ihn am meisten beeindruckt: „Ich kann sehr selbstständig arbeiten, bekomme viel Eigenverantwortung, aber andererseits gibt es auch einen sehr guten Teamgeist.“ Er sieht die Rabryka als Chance, in die Arbeitswelt einzutauchen, aber in sehr familiärer Umgebung.
Das Fokus-Festival kam früh zu seinen Aufgaben: „Das ist der Jahreshöhepunkt, es schwingt eigentlich das ganze Jahr mit.“ Schon im Oktober gab es erste Impulse, mit dem neuen Jahr ging die Planung richtig los. Anfangs gab es jede zweite Woche ein Online-Treffen dafür, später sogar jede Woche. So werden in der Rabryka am Ende fast alle zu Festival-Organisatoren – jeder in seinem Bereich: „Am Ende sind es alles Puzzleteile.“ Für Alexander Rueth hieß das vor allem, all jene Künstler zu buchen, die keine große Bühne brauchen. Einige davon treten am Freitagabend am „Hexenhaus“ auf, in der Nähe des neuen Zentrums. Dafür hatte er sein eigenes kleines Budget zur Verfügung. Später kam dann für ihn wieder die Öffentlichkeitsarbeit hinzu.
Jetzt freut er sich, dass die Zeit der Online-Veranstaltungen vorbei ist und das Fokus-Festival dieses Wochenende stattfindet. „Ich werde überall dabei sein, beim Auf- und Abbau, bei der Künstlerbetreuung und ganz viel hinter der Kamera.“ Hat er einen Tipp, was Gäste auf keinen Fall verpassen sollten? „Einerseits die ganze Vielfalt“, sagt Alexander Rueth: „Zum anderen aber auch die Aftershow in der Nacht zum Sonntag.“ Ab Mitternacht spielt im neuen Zentrum die Band Free Born Brothers, danach geht es unter freiem Himmel mit einer Silent-Disco weiter, wo die Gäste die Musik über Kopfhörer bekommen und tanzen.
Bufdi-Jahr endet bald
Kurz nach dem Festival endet am 31. August das Bufdi-Jahr. Ab Herbst wird er in Leipzig Sportmanagement studieren. Sollte es wieder nicht klappen, hat er sich noch auf zwei andere Studiengänge in Babelsberg und Stuttgart beworben. Das Bufdi-Jahr hat ihn dafür weitergebracht – nicht so sehr beim Sport, wohl aber beim Management. Der Rabryka will er auf jeden Fall verbunden bleiben: „Ich will auch später mal eine Veranstaltung organisieren oder einfach nur eine Barschicht übernehmen.“ Wer einmal in der Rabryka aktiv war, der werde nie ganz weg sein.
Fokus Festival in Görlitz
Termin: Freitag ab 18 Uhr, Sonnabend ab 15 Uhr, Sonntag 11 bis 18 Uhr. Klarer Schwerpunkt: Sonnabend, da ballen sich Aktivitäten & Konzerte.
Inhalt: mehrere Bühnen (Musik, Literatur, Theater etc.), Gartenbereich, Vereinspräsentationen, Kinder-Areal, Kino, Basketball, Skaten u.v.m.
Ort: Rabryka-Gelände, Bautzener Straße 32, Jugendzentrum im Werk I, am Sonnabend auch Lutherplatz.
Zutritt: Nur für Menschen, die nachweisen können, dass sie genesen, geimpft oder getestet sind.