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Wie das Görlitzer Klinikum für mehr Organspenden kämpft

Oberarzt Thomas Kühnert und sein Team befürworten die Organspende-Pflicht. Warum sie diese klare Haltung zu dem Thema vertreten.

Von Marc Hörcher
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Bei der Organspende geht es oft um Sekunden. Deshalb hilft es, wenn sich Patienten zu Lebzeiten dafür oder dagegen entscheiden - sonst müssen es die Angehörigen tun.
Bei der Organspende geht es oft um Sekunden. Deshalb hilft es, wenn sich Patienten zu Lebzeiten dafür oder dagegen entscheiden - sonst müssen es die Angehörigen tun. © Städtisches Klinikum/Paul Glaser

Die bundesweite Kampagne für "Organspende-Tattoos", mit denen der Verein Junge Helden e. V. mit Hauptsitz in Mainz auf das Thema aufmerksam macht, ist in Görlitz der Renner. Anfragen in den hiesigen Studios gibt es laut einer nicht repräsentativen Umfrage von Sächsische.de unter Görlitzer Tattoo-Studios einige. Eine Tätowiererin erklärt sogar, sie habe das Tattoo in dieser kurzen Zeit bereits "um die 30-mal" gestochen, wie Sächsische.de bereits berichtete. Auch das Städtische Klinikum Görlitz ordnet die Aktion als eine Möglichkeit ein, das Thema Organspende in die Öffentlichkeit zu rücken und für Sensibilisierung zu sorgen.

Deutschlandweit steigt die Bereitschaft zur Organspende und jeder zweite Deutsche besitzt mittlerweile einen Organspendeausweis - aber es bräuchte mehr, um ausreichend Patienten zu helfen, meinen einige Fachleute in der Medizin. Auf eine neue Niere beispielsweise wartet man hierzulande im Schnitt rund acht Jahre, deutlich länger als in anderen europäischen Ländern. Bei der Organspende gilt in Deutschland und einigen anderen Ländern bislang die „Entscheidungslösung“. Das bedeutet, Organe für eine Spende können nur dann entnommen werden, wenn der Spender dem zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Eine andere Möglichkeit ist das Modell der „Widerspruchsregelung“, bei der alle, die nicht widersprochen haben, automatisch Organspender sind.

Das fertige Organ-Spende-Tattoo am Knöchel von Kundin Nele Topa.
Das fertige Organ-Spende-Tattoo am Knöchel von Kundin Nele Topa. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Dipl.-Med. Thomas Kühnert, Oberarzt am Görlitzer Klinikum, hat dazu eine klare Meinung. Er sagt: „Wir Transplantationsbeauftragten im Klinikum befürworten alle die Widerspruchsregelung. Die Entscheidungslösung ist gut gedacht, funktioniert aber in der Realität nicht. Was der Mensch nicht muss, macht er nicht. 90 Prozent unserer potenziellen Organspender haben keine Erklärung getroffen. Dann müssen wir immer die Angehörigen fragen. Leider kennen diese in den meisten Fällen den Willen ihrer Angehörigen nicht, da zu Hause nicht darüber gesprochen wird, und lehnen dann oft die Organspende ab, um nichts falsch zu machen.“

Kühnert ist gemeinsam mit zwei Pflegefachkräften transplantationsbeauftragt am Städtischen Klinikum. "Unsere Aufgabe ist es, während unserer Tätigkeit im Klinikalltag mit schwerst hirngeschädigten Patienten auf der Intensivstation, bei denen mit dem Hirntod zu rechnen ist, stets auch an die Möglichkeit einer Organspende zu denken", sagt er. Kühnert und sein Team führen Gespräche mit den Angehörigen und kümmern sich um den gesamten organisatorischen Ablauf und die Kontakte mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation.

Klinikum zweimal für Engagement ausgezeichnet

Katja Pietsch, Pressesprecherin des Görlitzer Klinikums, sagt: „Die Frage nach der „Widerspruchsregelung“ ist eine komplexe ethische und rechtliche Angelegenheit.“ Die Einführung einer Widerspruchsregelung, so Pietsch weiter, würde bedeuten, dass jeder automatisch als Organspender gilt, es sei denn, er oder sie hat zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen. „Dieses Modell hat in einigen Ländern dazu geführt, dass die Anzahl der verfügbaren Spenderorgane zugenommen hat. Es kann jedoch auch ethische Bedenken hinsichtlich der Zustimmung und Selbstbestimmung aufwerfen“, sagt die Sprecherin. Die Einführung einer Widerspruchsregelung erfordere sorgfältige Überlegungen, um sicherzustellen, dass die Rechte und Wünsche der Menschen respektiert werden, insbesondere wenn es um „ethisch heikle Fragen“ wie die Organspende gehe. Um Aufmerksamkeit für das Thema Organspende zu schaffen und die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen, engagiert sich das Klinikum seit Jahren und wurde dafür bereits zwei Mal - in den Jahren 2005 und 2017 - von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) ausgezeichnet.

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Das Krankenhaus möchte die Menschen unter anderem mit Vorträgen für dieses Thema sensibilisieren. Zuletzt informierten am Erlebnistag im Klinikum Mitte September Mitarbeiter gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Vor einigen Jahren gab es am Klinikum ein zweitägiges Symposium zur Organspende gemeinsam mit den Krankenhausseelsorgern, der Evangelischen Kirche, der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der Sächsischen Landesärztekammer. Dabei ging es um ethische, medizinische und seelsorgerische Fragestellungen. Darüber hinaus gibt es im Klinikum ein Ethikkomitee mit internen und externen Mitgliedern, das in ethischen Fragen berät. „Neben Veranstaltungen und Kampagnen kann auch eine einfachere Registrierung als Organspender helfen. Je weniger bürokratische Hürden es gibt, desto eher werden Menschen sich registrieren“, sagt Pietsch.

Den Organspende-Ausweis können Sie hier auf der Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kostenlos bestellen.