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Görlitzer IT-Fachleute hacken gegen Parkplatznot

Im Verein Digitale Oberlausitz tauschen sich IT-Fachleute aus. Nun rufen sie wiederholt zum "Hackathon" auf. Damit wollen sie keinem schaden, im Gegenteil.

Von Marc Hörcher
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Manuel Mauky (links) und Max Wielsch sind beide Softwareentwickler bei Carl Zeiss Digital Innovation. Die ITler veranstalten nun schon ihren zweiten "Hacker-Wettbewerb".
Manuel Mauky (links) und Max Wielsch sind beide Softwareentwickler bei Carl Zeiss Digital Innovation. Die ITler veranstalten nun schon ihren zweiten "Hacker-Wettbewerb". © Martin Schneider

Dubios aussehende Typen mit Kapuzenpulli und Guy-Fawkes-Maske, die aus dem dunklen Keller heraus agieren und von ihrem Monitor aus illegale Cyber-Verbrechen begehen. Genau das sind Manuel Mauky und Max Wielsch nicht. Die beiden lächeln freundlich, wirken nett, normal und überhaupt nicht gefährlich und lassen sich bei Tageslicht interviewen, in einem Holzpavillon im Garten der Software-Firma Carl Zeiss Digital Innovation in Görlitz, bei der die beiden beschäftigt sind. Dennoch nennen sich die beiden selbst Hacker.

Unter dem Begriff Hacken verstehen sie, dass man Systeme beobachtet, dabei Probleme erkennt und "kreative, coole und nützliche Lösungen" entwickelt, erklären sie. Ihr Hackerbegriff orientiere sich an dem des "Chaos Computer Club". Das ist ein bekannter Verein mit Sitz in Berlin, der mittlerweile die Bundesregierung in IT-Sicherheitsfragen berät. "Computer können dein Leben zum Besseren verändern", heißt es in deren Hacker-Ethik. Natürlich kann Hacken auch darin bestehen, auf Sicherheitslücken in Computersystemen hinzuweisen, sagt Mauky. Aber destruktiv wollen die beiden mit ihren Projekten nicht sein, ganz im Gegenteil.

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Mit ihrem Verein "Digitale Oberlausitz", ansässig in Görlitz, setzen sie sich dafür ein, Technik und Informatikwissen für alle zugänglich zu machen. "Wir sehen uns als eine Plattform für kreativen Austausch und Weiterbildung", sagt Wielsch. Der heute 36-jährige Wielsch und der 35-jährige Mauky lernten sich während ihres Informatik-Studiums an der Görlitzer Hochschule kennen.

Seit dem Jahr 2011 treffen sich die Informatiker aus der Region, viele davon von der Hochschule, regelmäßig in der Java-User-Group. Java ist eine Programmiersprache, um die es bei den monatlichen Treffen geht. Seit 2014 gibt es zudem den Linux-Stammtisch. Hier treffen sich die IT-Fachleute, um über dieses freie Betriebssystem zu sprechen. Nach und nach wächst die Gruppe, professionalisiert sich, und der Verein "Digitale Oberlausitz" wird gegründet. Die Aktiven beraten Firmen und arbeiten für Seminare mit Bildungseinrichtungen wie der Volkshochschule zusammen. Auch einen Vortrag zum Thema Internetkriminalität, gemeinsam mit der Görlitzer Polizei, haben sie bereits angeboten. Wie es der Vereinsname schon sagt, will er in der ganzen Oberlausitz aktiv sein. Kontakte nach Löbau und Zittau gibt es bereits, dort sind ebenfalls Gruppen mit Java und Linux beschäftigt.

Vor vier Jahren stellte Manuel Mauky, Vorsitzender des Vereins "Digitale Oberlausitz", hier am Postplatz zu sehen, der SZ den damals neu gegründeten Verein "Digitale Oberlausitz" vor.
Vor vier Jahren stellte Manuel Mauky, Vorsitzender des Vereins "Digitale Oberlausitz", hier am Postplatz zu sehen, der SZ den damals neu gegründeten Verein "Digitale Oberlausitz" vor. ©  SZ-Archiv

Beim Hacken geht es den IT-Fachleuten darum, "mit Spaß Probleme zu lösen, Systeme zu verstehen und das zum Wohle der Gesellschaft zu nutzen". In Berlin und anderen Großstädten lernen sie das Veranstaltungsformat des "Hackathon" kennen. Das ist ein Kunstwort, welches sich zusammensetzt aus "Hacken" und "Marathon". Dahinter verbirgt sich ein Programmierwettbewerb, bei dem mehrere Leute zusammenkommen und mehrere Tage lang versuchen, echte Probleme durch kreative digitale Lösungen anzugehen. Angefixt von der Thematik, schauen sie sich mehrere solcher Formate an. 2021 ist dann ein solcher "Hackerthon" zu Gast in der "Rabryka". Vor Ort arbeiteten die drei Teams gemeinsam beispielsweise an technischen Lösungen, welche Hass und Hatespeech in Computerspielen und deren Chats unterbinden und Empathie fördern sollen. Die Computerfachleute nehmen teil, sind begeistert und beschließen schließlich, so etwas selbst zu veranstalten.

Das tun sie nun schon zum zweiten Mal in Folge. Der diesjährige Görlitzer Hackathon soll Ende Oktober stattfinden, in der "Unbezahlbarlounge" in der Bahnhofstraße. 40 Leute möchten die Veranstalter dort versammeln. Die sollen gemeinsam in Teams daran arbeiten, wie man durch Programmieren Städte und dörfliche Regionen im gesamten Landkreis Görlitz effizienter, technologisch fortschrittlicher, ökologischer und sozial gestalten kann. "Smarty City" lautet der denglishe Oberbegriff dafür.

Einheitlicher Mail-Verteiler für Kindergarten-Gruppen

Das könne beispielsweise eine Anwendung sein, die anzeigt, wo die nächsten freien Parkplätze zu finden sind. Oder eine Lösung, die hilft, firmenübergreifende Fahrgemeinschaften ins Gewerbegebiet am Stadtrand zu organisieren. Im vergangenen Jahr hat der Verein bereits einen "Hackathon" veranstaltet. Dort haben die Hacker gemeinsam einen "E-Mail-Verteiler" gebastelt, mit dem die Leiterin eines Kindergartens auf einen Schlag Eltern erreichen kann, die in verschiedenen sozialen Medien Accounts haben - die einen bei Signal, andere bei WhatsApp und wieder andere bei Telegram.

Bei ihrem zweiten "Hackathon" fordern die Veranstalter nun erneut Teams dazu auf, ihre Ideen zur Verbesserung des städtischen Lebens zu erarbeiten. Die Technik stellt der Verein zur Verfügung - Ideen können die Teilnehmer mitbringen. Es gibt keine Beschränkungen, was die Art der technischen Lösung oder die Art des Problems angeht. Das Ganze wird als Wettbewerb aufgezogen. Die einzelnen Teams treten mit ihren Projekten gegeneinander an und können sogar ein Preisgeld abgreifen.

Dabei sind nicht nur technisch versierte Teilnehmer gefragt. Die Hacker wollen ausdrücklich auch Sozialarbeiter, Kommunikationspsychologen und Ingenieure ermutigen, sich zu beteiligen, ihre Ideen beizusteuern - Hauptsache, sie bringen Anregungen mit, wie sich das tägliche Leben im Landkreis nach dem "Smart City"-Konzept verbessern ließe.

Außerdem bietet der "Hackathon" auch die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu treffen, sich auszutauschen und eine tolle Zeit zu haben. Es ist auch eine Gelegenheit, mit lokalen Unternehmen und Institutionen in Kontakt zu kommen und vielleicht zukünftige Partnerschaften oder Karrieremöglichkeiten zu entdecken. Die Veranstalter suchen sowohl Sponsoren als auch Teilnehmer, um den zukunftsorientierten Wettbewerb zu ermöglichen.

Weitere Infos und Anmeldung auf der Webseite der Veranstaltung.