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Retter in der Sächsischen Schweiz sind am Limit

Das Waldbrandgebiet im Nationalpark ist verbotene Zone. Um trotzdem Bilder von den Einsatzkräften zeigen zu können, machte das Landratsamt am Dienstag eine Ausnahme.

Von Anja Weber
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Fabian Tscharnke von der Freiwilligen Feuerwehr Crosta bei Bautzen kann sich nur eine kurze Pause gönnen. Sein Blick sagt alles.
Fabian Tscharnke von der Freiwilligen Feuerwehr Crosta bei Bautzen kann sich nur eine kurze Pause gönnen. Sein Blick sagt alles. © Matthias Rietschel

Felix Strohbach, Gruppenführer bei der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Schandau, drängt zur Abfahrt. Es ist 17.30 Uhr, nur eine Stunde später kommen die Feuerwehrleute vom Großen Winterberg zurück, um an die Nachtschicht zu übergeben. Dann gibt es Stau auf der engen Straße nach oben.

In Schmilka, am Abzweig zum Großen Winterberg, der sogenannte Warteplatz. Hier sprechen die Einsatzkräfte ab, ob die Straße nach oben frei ist oder noch Fahrzeuge unterwegs sind. Anstellen zum Konvoi. Staub peitscht hoch. Das große Feuerwehrfahrzeug davor schwankt bedenklich das erste Wegstück hinauf. Anfänger darf man da nicht sein. Die schmale Straße wird immer steiler. Das Fahrzeug schiebt sich um die erste Spitzkurve, dann die zweite. Hier nahm die Feuerkatastrophe ihren Lauf.

Am 25. Juli war hier kurz nach dem Mittag das Feuer von der böhmischen Seite auf den Nationalpark Sächsische Schweiz übergetreten. Seitdem kämpfen täglich Hunderte Feuerwehrleute darum, Feuer und Glutnester zu löschen, dicke Humusschichten abzutragen, sich den Weg frei zu sägen. Ein Knochenjob. Die Erschöpfung steht ihnen ins Gesicht geschrieben.


Vorbei geht es an einer Pumpstation. Der Zweitakter dröhnt und qualmt, daneben die Feuerwehr. Ununterbrochen muss auch die Technik überwacht werden. Ein Aussetzen der Pumpen kann man sich nicht leisten, dann ist die gesamte Wasserversorgung nach oben unterbrochen. Etwa 30 defekte Pumpen hat das Technische Hilfswerk schon gezählt. Die von den auswärtigen Feuerwehren werden größtenteils in der eigenen Reparaturstation in Ordnung gebracht. "Da die Schlauchstrecke im gesamten Bereich des Großen Winterbergs sehr steil ist, mussten insgesamt 13 Pumpstationen von der Elbe bis nach oben aufgebaut werden. Auf flachem Gelände sind es entsprechend weniger", erklärt Felix Strohbach.

Gruppenführer Felix Strohbach (rechts) und Niko Heinke von der Freiwilligen Feuerwehr Bad Schandau im völlig verkohlten Brandabschnitt.
Gruppenführer Felix Strohbach (rechts) und Niko Heinke von der Freiwilligen Feuerwehr Bad Schandau im völlig verkohlten Brandabschnitt. © Mike Jäger

Immer wieder stehen an den Rändern Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Bergwacht. Den ganzen Tag über werden die Brandgebiete überwacht. Entdeckt man neue Glutnester, werden die sofort gelöscht. Zwischendurch stehen weitere Pumpspeicherbecken - falls das Wasser mal knapp wird.

Sebastian Funk ist gerade vom Einsatz zurück.
Sebastian Funk ist gerade vom Einsatz zurück. © Matthias Rietschel

Neben den Fahrzeugen Campingstühle, Hängematten, darin schlafende Feuerwehrleute. Völlig erschöpft vom Einsatz, nehmen sie gar nicht wahr, dass sich nur wenige Zentimeter neben ihnen weitere Fahrzeuge nach oben quälen. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt ihnen nicht, sie müssen ihre Kameraden wieder ablösen.

Da man sich inzwischen auf längere Einsatzzeit eingestellt hat, wurden einige Flächen in kleine Einsatzbereiche umgewandelt, mit Toiletten und Getränken bestückt. Die Mahlzeiten werden von den Katastrophenschutzzügen des ASB Neustadt und des DRK Freital direkt zu den Kameraden gebracht.

Immer wieder flammen Glutnester auf, auch dort, wo man glaubte, schon fertig zu sein.
Immer wieder flammen Glutnester auf, auch dort, wo man glaubte, schon fertig zu sein. © Mike Jäger

"Wir haben jetzt täglich rund 560 Einsatzkräfte. Das wird auch so bleiben, bis sich die Lage wesentlich bessert. Das Problem ist, dass immer wieder Flammen auflodern können. Und die müssen sofort gelöscht werden", sagt Thomas Kunz, Pressesprecher im Landratsamt. Am Abzweig Winterberg Stau. Ein Fahrzeug kommt entgegen. Die Waldflächen links und rechts sind schmal. Ausweichstellen gäbe es für große Fahrzeuge nicht, sagt Felix Strohbach. Mit dem MTW, einem Kleintransporter der Feuerwehr, geht das. Alles sei auch ein großes logistisches Problem. Nur mit dauernden Absprachen sei es möglich, dass die Fahrzeuge an den Einsatzort kommen.

Zunehmend kommen nun mehr Brandflächen in Sicht, Fichten, Buchen - zum Teil innen völlig gesunde Bäume - sind verkohlt. Ein grauenvoller Anblick. "Da blutet einem das Herz", sagt Nationalparksprecher Hanspeter Mayr.

Über zwölf Stunden Dienst und nur kurze Pausen

Wir sind im Bereich Katzenstein/Grenzweg angekommen, hier sind die Löschzüge aus den Landkreisen Bautzen und Görlitz stationiert. Der Grenzweg, bekannt auch als Fremdenweg, hat seine eigene Geschichte. Wanderer und Bergsteigerbund wollen, dass er freigegeben wird. Er führt direkt zum Prebischtor. Doch in den Nationalparkverwaltungen ist man dagegen.

Jetzt ist alles anders. Der Radlader vom Bauhof Bad Schandau hat verkohlte Stämme weggeschoben, damit die Feuerwehren an die Glutnester können. Ihre Gesichter rußverschmiert, T-Shirts, Hosen - alles schwarz. Seit Donnerstag sind die Feuerwehrmänner- und frauen im Nationalpark. 12 bis 14 Stunden haben sie Dienst, wechseln sich ab, so gut es geht.

Kurze Pause zum Nachtanken, Kraft, Wasser und Treibstoff.
Kurze Pause zum Nachtanken, Kraft, Wasser und Treibstoff. © Matthias Rietschel

"So etwas haben wird noch nie erlebt. Bei uns brennt mal eine kleine Fläche, ein Haus oder eine Laube. Aber das hier sprengt alle Dimensionen", sagt ein Feuerwehrmann aus Neusalza-Spremberg. Sie alle müssten eigentlich arbeiten gehen, andere hätten Urlaub. Jetzt helfen sie, den Nationalpark Sächsische Schweiz zu retten. "Die Hilfsbereitschaft von den Menschen ist groß. Auch wir haben hier viele Spenden. Ich hoffe, dass die Leute angesichts dieser Tragödie das Ehrenamt Freiwillige Feuerwehr mehr anerkennen", sagt ein anderer.

Zeit für ein Gruppenfoto muss sein - zur Erinnerung an einen Ausnahmeeinsatz.
Zeit für ein Gruppenfoto muss sein - zur Erinnerung an einen Ausnahmeeinsatz. © Matthias Rietschel

Überall im Wald liegen Schläuche, 25 Kilometer sollen im gesamten Waldbrandgebiet verlegt worden sein. Am Dienstag musste in Richtung Weberschlüchte eine neue Leitung aufgebaut werden, da dort die Feuer wieder aufloderten. Fast zwei Kilometer mussten sie durch unwegsames Gelände ziehen. Das Problem sei auch hier die Humusschicht. Die muss aufgegraben werden, um Glutnester weiter unten zu löschen.

Neue Leitungen müssen aufgebaut werden. Inzwischen geht es ans Material.
Neue Leitungen müssen aufgebaut werden. Inzwischen geht es ans Material. © Matthias Rietschel

Über den Köpfen dröhnen unaufhörlich die Hubschrauber. In Staffeln fliegen sie über das Gebiet, löschen von oben. Regen wäre die beste Lösung. "Erst ein leichter Landregen und dann müsste es eine Woche normal durchregnen", sagt Felix Strohbach. Ein Blick auf die Wetterkarte zeigt, dass es wohl ein Wunsch bleiben wird.

Im Bereich des Grenzwegs müssen Stämme beiseite geschafft werden, damit die Feuerwehren überhaupt durchkommen.
Im Bereich des Grenzwegs müssen Stämme beiseite geschafft werden, damit die Feuerwehren überhaupt durchkommen. © Mike Jäger

Die Feuerwehrkameraden und- kameradinnen arbeiten am Limit. Da braucht es kaum Worte. Dazu kommen die hohen Temperaturen. Die sollen in den nächsten Tagen weiter steigen. Zurückziehen können sich nur die, die gerade nicht mit Hacke und Spaten oder dem Schlauch unterwegs sind. Kurz durchatmen.

Gesprächsthema: vor allem die Technik. Vieles ist kaputtgegangen, auch, weil es vorher schon verschlissen war. "Man kann nur hoffen, dass dieser Waldbrand eine Lehre ist und künftig mehr Geld für Feuerwehrtechnik zur Verfügung gestellt wird", sagt eine junge Feuerwehrfrau.

Schnell mal kurz abspülen. Die hohen Temperaturen lassen die Feuerwehrleute zusätzlich schwitzen.
Schnell mal kurz abspülen. Die hohen Temperaturen lassen die Feuerwehrleute zusätzlich schwitzen. © Matthias Rietschel

Doch vor allem das Gelände stellt die Feuerwehrleute vor große Herausforderungen. Sie berichten von Anmarschwegen von einer Stunde und länger. Meist geht es steil bergauf, und das in voller Montur. Mitunter gibt es keinen Weg. Sie müssen sich den erst mit der Kettensäge bahnen. Erst dann können sie mit dem Löschen von Glutnestern oder auch Flammen, die nach wie vor weiter hochschießen, beginnen.

Inzwischen hängen in vielen Orten Plakate mit einem Dankeschön an alle Feuerwehrleute. Vor der Einsatzzentrale in Bad Schandau hatte am Abend der K-Fanblock von Dynamo Dresden sein Dankesbanner enthüllt.