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Piwarz: Kinder mit leichter Erkältung dürfen zur Schule

Wegen Corona ist die Verunsicherung bei Schnupfen und Husten groß. Jetzt hat sich Kultusminister Christian Piwarz festgelegt. Ein Interview.

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Generalverdacht: Ist das nur eine leichte Erkältung oder vielleicht doch Corona? Diese Frage beschäftigt nicht nur den Erkrankten, sondern auch alle anderen.
Generalverdacht: Ist das nur eine leichte Erkältung oder vielleicht doch Corona? Diese Frage beschäftigt nicht nur den Erkrankten, sondern auch alle anderen. © dpa/Silvia Marks

Dresden. Mit den kühleren Tagen nehmen die Erkältungen zu, gleichzeitig steigen die Corona-Infektionszahlen. Das verunsichert nicht nur viele Eltern, mit welchen Symptomen ihr Kind noch in Kita oder Schule gehen darf. Auch Lehrer und Erzieher wissen nicht genau, wann sie ein Kind nach Hause schicken müssen. Hinzu kommen bange Fragen, wie Schüler in Quarantäne oder mit häufigen Infekten ihr Lernpensum schaffen sollen. Die SZ sprach darüber mit Kultusminister Christian Piwarz (CDU).

Herr Minister, viele Eltern sorgen sich, dass sie wegen jedem Infekt ihres Kindes zu Hause bleiben müssen und Schüler nach der Homeschooling-Phase noch mehr Unterrichtsstoff verpassen. Woran können sie sich orientieren?

Mit Blick auf die Erkältungszeit im Herbst haben wir gemeinsam mit Kinderärzten und Virologen und auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse entschieden, dass bei leichten Krankheitssymptomen, wie Schnupfen oder gelegentlichem Husten, Kinder weiter die Kindertagesbetreuung und Schüler weiter die Schule besuchen können. Ansonsten gilt, auch unabhängig von Corona: Nur gesunde Kinder sollten in die Kita oder Schule geschickt werden. Um Kitas, Schulen und Eltern mehr Sicherheit im Umgang mit Erkältungen und Krankheitssymptomen zu geben, haben wir ein Flussdiagramm erarbeitet, das zeigt, wann die Kinder in die Einrichtung dürfen oder besser ein Arzt aufgesucht werden soll. Es muss aber allen klar sein, dass es nicht möglich ist, jedes Restrisiko einer Corona-Infektion zu beseitigen.

Wie definieren Sie denn „gelegentlichen Husten“?

Das geht schlecht, wir haben lange darüber diskutiert. Aber alle Eltern kennen ihr Kind. Sie können zwischen einem festsitzenden, schweren Husten oder einem leichten Räuspern unterscheiden. Man muss seinen gesunden Menschenverstand gebrauchen. Es war auch nicht möglich, im Flussdiagramm alle Eventualitäten abzudrucken. Aber wir haben auch neue Symptome wie Durchfall oder Geruchs- und Geschmacksverlust mit aufgenommen.

Wie werden die Kinder weiter beschult, die wegen einer Corona-Positivtestung in Quarantäne geschickt werden?

Schüler, die vorübergehend durch das Gesundheitsamt in Quarantäne müssen, werden zu Hause weiter unterrichtet. Sie erhalten von ihren Lehrern Lernaufgaben über die Lernplattform oder per Mail. Wenn der Schüler über keine entsprechende Internetanbindung oder Endgeräte verfügt, werden die Unterrichtsmaterialien auf anderem Weg übermittelt. Der Lehrer bleibt mit dem Schüler im Kontakt und gibt ihm Rückmeldungen zu den durchgeführten Aufgaben. So stellen die Schulen sicher, dass der Schüler im Unterrichtsstoff nicht zu viel versäumt und den Anschluss verliert. Es können auch durch Ganztagesangebote Förderstunden für Schüler mit Nachholbedarf angeboten werden.

Christian Piwarz (45) ist Rechtsanwalt, seit 2006 Landtagsmitglied und seit Dezember 2017 Kultusminister Sachsens.
Christian Piwarz (45) ist Rechtsanwalt, seit 2006 Landtagsmitglied und seit Dezember 2017 Kultusminister Sachsens. © Thomas Kretschel

Inwieweit ist das an den Schulen geregelt? Gibt es einen Ablaufplan für alle?

Die Bedingungen vor Ort sind unterschiedlich. Deshalb konnten wir kein einheitliches Konzept für alle sächsischen Schulen entwickeln. Die Schulen haben den Plan individuell erstellt. In der Vorbereitungswoche und der Sommerpause haben sie sich darauf vorbereitet. Dazu gab es von uns einen Leitfaden. Wenn ein Quarantänefall eintritt, muss Homeschooling erfolgen. Mit welchen technischen Mitteln das umgesetzt wird, obliegt der Schule. Wichtig ist, der Lehrer muss auf jeden Fall den Kontakt zum Schüler halten und ihm Rückmeldungen für die erledigten Aufgaben geben. Das ist für die Lernmotivation entscheidend.

Während des Homeschoolings hat diese Rückmeldung der Lehrer oft gefehlt.

Die Situation war für alle neu. Die Schulen haben das unterschiedlich bewältigt. Bei manchen hat die digitale Umsetzung sehr gut funktioniert. Bei anderen gab es große Lücken. Dort haben die Eltern zu Recht kritisiert, dass den Schülern viele Aufgaben gegeben wurden, aber Rückmeldungen fehlten. Dadurch ist die Lernmotivation vieler Schüler erheblich gesunken. Die Schulen haben das als Hausaufgabe mitgenommen und sind nun besser vorbereitet.

Wie sollen sie das jetzt mit der Doppelbelastung Präsenzunterricht und digitale Beschulung besser hinbekommen?

Dafür haben wir den Schulen eine Vielzahl von Hilfsmitteln zur Verfügung gestellt. Wir haben die Kapazitäten von LernSax ausgebaut, arbeiten weiter an der Anwenderfreundlichkeit und wollen ein neues Videokonferenztool integrieren, das in Klassenstärke funktioniert. Mit sofatutor, einem Anbieter für Lern-Tutorials, haben wir gerade einen Vertrag abgeschlossen, um den Schulen schnelle Hilfe anbieten zu können, wenn es kurzfristig durch Quarantänemaßnahmen zum Distanzunterricht kommt. Corona hat auch den Lehrern gezeigt, dass die Digitalisierung nicht nur zusätzliche Arbeit bedeutet, sondern einen Nutzen zum Beispiel für die Arbeitsorganisation hat. Als Unterstützung für Lehrer, die vor einer doppelten Unterrichtssituation stehen, werden Kollegen für den Fernunterricht eingesetzt, die zur Risikogruppe gehören und daher für den Präsenzunterricht nicht zur Verfügung stehen.

Sind das denn aber nicht genau die Lehrer, die mitunter nicht ganz so fit in der digitalen Beschulung sind?

Nein, das würde ich nicht pauschalisieren. Es gibt auch Junge mit Risikovorerkrankungen. Auch Schwangere dürfen aus Risikogründen nicht vor der Klasse stehen. Das Alter allein sagt nichts über die digitalen Fähigkeiten eines Lehrers aus. Auch Ältere haben Interesse an digitalen Medien und kommen damit gut klar. Außerdem müssen die Zuhausegebliebenen Lehrer sich nicht nur dem Homeschooling und den Videokonferenzen mit den Schülern widmen. Sie übernehmen auch organisatorische und unterrichtsvorbereitende Aufgaben für ihre Kollegen.

Die Schulen haben sicher weiterhin viel Unterstützung nötig.

Ja, das ist richtig. Ein stückweit haben wir LernSax, die Weiterbildungsangebote und Onlinekurse bereits im Lockdown und in der Sommerpause aufgerüstet. Das erweitern wir sukzessive. Auch unsere Mediendatenbank MeSax haben wir inhaltlich ausgebaut. Dort stellen wir Tutorials, Videos und vieles mehr zur Unterstützung zur Verfügung. Wenn die Schulen Probleme mit der Umsetzung des digitalen Unterrichts haben, können sie sich zusätzlich auch an die medienpädagogischen Zentren wenden. Sie bieten kompetente Beratung oder auch Fortbildungsangebote für die Lehrer.

Inwieweit lässt sich das Angebot im Alltag wahrnehmen, wenn Schulen nicht nur mit dem Lehrermangel klarkommen, sondern auch Kollegen aus der Risikogruppe vertreten werden müssen?

Von 33.097 Lehrkräften haben 668 ein Attest vorgelegt. Das sind zwei Prozent. Davon wollen jedoch 338 Lehrer trotz Attest und auf eigenen Wunsch Präsenzunterricht erteilen. Damit reduziert sich die Zahl der Lehrer, die für den Präsenzunterricht fehlen, auf lediglich 330. Das ist ein deutliches Bekenntnis der Lehrerinnen und Lehrer, selbst unter Pandemiebedingungen ihre Schüler an der Schule unterrichten zu wollen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wird der Lehrplan ausgedünnt?

Nein, dafür gibt es derzeit keinen Grund.

Die Fragen stellte Susanne Plecher.

Flussdiagramm zum Umgang mit Erkältungssymptomen bei Kindern (PDF)