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Klima-Demonstranten kleben sich in Dresden an die Sixtinische Madonna

Zwei Klimademonstranten protestieren in Dresden gegen die Festnahme eines Mitglieds von "Letzte Generation". Der Ort ist ungewöhnlich: Die Galerie Alte Meister im Zwinger.

Von Fabian Deicke & Maximilian Helm & Leon Heyde
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In der Gemäldegalerie Alte Meister haben sich zwei Klima-Demonstranten mit Sekundenkleber vor Dresdens berühmtestes Gemälde geklebt.
In der Gemäldegalerie Alte Meister haben sich zwei Klima-Demonstranten mit Sekundenkleber vor Dresdens berühmtestes Gemälde geklebt. © Leon Heyde

Dresden. Plötzlich geht es schnell: Maike Grunst und Jakob Beyer werfen ihre Jacken auf den Boden der Gemäldegalerie „Alte Meister“ im Dresdner Zwinger. „Letzte Generation. Stoppt den fossilen Wahnsinn“, prangt auf den T-Shirts der beiden Demonstranten. Sie schmieren Sekundenkleber auf ihre Handflächen, treten über die Absperrungen vor der Sixtinischen Madonna und kleben sich an den Rahmen des weltberühmten Raffael-Gemäldes.

Das Sicherheitspersonal ist verdutzt, kann den beiden nur noch ein Banner aus den Händen reißen. Die 21 und 28 Jahre alten Demonstranten hatten sich am Einlass ein Ticket gekauft, spazierten anschließend zusammen mit einem weiteren Mitglied der Gruppe durch die Galerie. Das Gemälde ist durch ein Sicherheitsglas geschützt, allerdings hält nur ein niedriges Absperrseil die Besucher auf Abstand.

Mit der Aktion wollen sie eigenen Angaben zufolge gegen die Festnahme eines Dresdner Klimademonstranten protestieren. Am Dienstag wurde bekannt, dass ein Mitglied von "Letzte Generation" - Der Dresdner Umweltaktivist Christian Bläul - in Stockholm festgenommen wurde und im Gefängnis sitzt. Bläul soll an der Blockade einer Fernstraße beteiligt gewesen sein, sitzt aktuell mindestens bis Freitag in Untersuchungshaft.

Warum ausgerechnet die "Sixtinische Madonna"?

Erstmals haben Demonstranten von Letzte Generation gezielt ein Museum für ihren Protest gewählt. Die Aktion soll laut Sprecherin Lilly Schubert der Auftakt für weitere ähnliche Proteste sein.

Warum ausgerechnet die "Sixtinische Madonna" ausgewählt wurde, dazu sagen die Demonstrierenden: "Die Sixtinische Madonna ist ein starkes Symbol: Maria und Jesus blicken mit Furcht in die Zukunft. Sie sehen dem Kreuztod Christi mit Schrecken entgegen. Ein genauso vorhersehbarer Tod wird auch das Resultat des Klimakollaps sein. Und zwar auf der ganzen Welt!"

Nach der Aktion wird Jakob Beyer von Polizisten aus der Gemäldegalerie gebracht.
Nach der Aktion wird Jakob Beyer von Polizisten aus der Gemäldegalerie gebracht. © kairospress

Sicherheitskräfte des Museums räumten innerhalb weniger Minuten das gesamte Gebäude, die Galerie blieb für Besucher geschlossen. Vor dem Zwinger machte sich Unmut breit. Mitarbeiter erklärten den Besuchern, dass die Tickets ihre Gültigkeit behielten.

Die Polizei löste wenig später beide Demonstranten vom Rahmen und begleitete sie aufs Polizeirevier. Dort stellten die Beamten die Personalien beider Personen fest und setzte sie nach ersten Vernehmungen wieder auf freien Fuß. Gegen die Demonstranten wird nun wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung ermittelt.

"Das Kunstwerk selbst wurde nicht beschädigt, nur der nicht historische Rahmen", sagte Anja Priewe, Sprecherin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), auf Anfrage. Dabei handelt es sich nicht um den Originalrahmen, sondern um einen zehn Jahre alten Nachbau. Restauratoren würden nun die Schäden sichten und zeitnah beheben.

Auch Maike Grunst wurde von Polizisten abgeführt.
Auch Maike Grunst wurde von Polizisten abgeführt. © kairospress

Kulturstaatssekretär Sebastian Hecht äußerte wenig später sich auf der sächsischen Kabinettspressekonferenz zu der Aktion. Da auch der Rahmen des Bildes wertvoll sei, liegen die Taten Hechts Einschätzung nach "im strafbaren Bereich".

Die Aktion sei jedoch so schnell passiert, dass der Sicherheitsdienst keine Möglichkeit hatte, die Demonstranten vom Ankleben abzuhalten. "Es gibt keine eins-zu-eins-Betreuung", sagte Hecht.

Öffentlichkeit kritisiert Aktionen der "Letzten Generation" mehrheitlich

In diesem Jahr gab es bereits mehrere Aktionen von Klima-Demonstranten in Dresden, die richteten sich aber konkret gegen den Autoverkehr. Im Juli wurde der Dresdner Albertplatz blockiert, im Juni die St. Petersburger Straße und im Mai die Hansastraße. Die Aktionen wurden von den Initiativen "Letzte Generation" und "Extinction Rebellion" organisiert.

Die Aktionen der Klima-Demonstranten stoßen in der Öffentlichkeit überwiegend auf Widerspruch. Im Juli hatten Umfragen von Sächsische.de und Civey gezeigt, dass 85 Prozent der Menschen in Sachsen Straßenblockaden als kein angemessenes Mittel für Klimaproteste ansehen, obwohl die Mehrheit den Klimawandel ernst nimmt. Auf die Frage hin, ob die drastischen Aktionen daher eher das Gegenteil dessen bewirkten, was sie die Klimaschützer eigentlich wollten - nämlich auf die drängenden Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel hinweisen - sagte Christian Bläul: "Das Risiko dafür, dass sich Menschen abwenden, ist sicher auch da."

Erste Reaktionen auf Social Media deuten auf breite Ablehnung hin. Auf der Facebook-Seite von Sächsische.de kommentiert ein User: "Ich bin sehr für Klimapolitik, aber das hier, das ist respektlos der Kunst gegenüber. Was können die alten Kunstschätze dafür? Genau wie die Torte, auf die Mona Lisa?" Die meisten Repliken haben einen drastischeren Ton. "Ihr habt sie doch nicht mehr alle" ist noch einer der eher freundlicheren Kommentare.