Ob die Städte und Gemeinden im Landkreis Görlitz arm oder reich sind, wird nicht nur wegen der kommenden Kommunal- und Landtagswahlkampf heiß diskutiert. Es ist ein Dauerthema. So hatte der Sächsische Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) im vergangenen Jahr erklärt, einige Kommunen haben noch Überschüsse erwirtschaften können - und Kottmar in diesem Zusammenhang benannt. Da reagierte Michael Görke als Bürgermeister der Gemeinde verärgert und bewies das Gegenteil.
Für einen Außenstehenden, einen Wähler, ist kaum nachzuvollziehen, wer hier recht hat. Zumal die Gemeinden so unterschiedlich sind: Da gibt es Kommunen wie Ostritz oder Lawalde, die seit Jahren harte Sparkonzepte fahren und kaum noch Dinge finanzieren, die sie nicht unbedingt müssen. Ostritz' Anteil für diese "freiwilligen Aufgaben" im Haushalt bewegen sich für 2024 "im Bereich Null-Komma-und-Prozent", formulierte es Verwaltungsleiterin Manuela Aedtner jüngst beim Beschluss des Haushalts. Selbst das Mewa-Bad wird per Ehrenamt betrieben. Kann man die Ausgaben einer solchen Stadt aber mit Gemeinden vergleichen, die beispielsweise ein, zwei Freibäder betreiben oder stark auf Tourismus setzen? Oder gar mit größeren Städten?
Mit Zahlen kann man das - und das tut der Freistaat auch seit Jahren mit einem Frühwarnsystem, das in Teilen im Internet einsehbar ist. Dort kann man sich für jede Gemeinde Kenndaten anzeigen lassen - verbunden mit einem Buchstaben, der wie eine vierstufige Ampel funktioniert: A steht für stabile Haushaltslage, B für hinreichende Leistungsfähigkeit, C für kritische Haushaltslage und D für instabile Haushaltslage. Kreis-Kommunalamtsleiter Karl Ilg ist mit der Zuspitzung auf einen einzelnen Buchstaben nicht unbedingt glücklich, zumal man im Punktesystem recht schnell auf D hinunterfallen kann und es keine wirkliche Differenzierung mehr gibt. Aber, sagt Ilg: "Man kann einen schnellen Überblick bekommen und mit anderen Landkreisen vergleichen." Dabei sei auffällig, dass die Lage im Kreis Görlitz schon schlechter sei als anderswo.
Nur fünf Gemeinden mit Bestnote
Konkret sind von den 53 gelisteten Gemeinden im Kreis Görlitz 22 mit der schlechtesten Bewertung, dem Buchstaben D, versehen. Hinzu kommt der Landkreis selbst. Betroffen sind dabei Gemeinden im gesamten Kreis von Weißwasser bis Zittau. Neun weitere erhielten den Buchstaben C. 17 rangieren bei B und ganze fünf in der Kategorie A. Die beste Bewertung haben neben Gablenz, Trebendorf und Rietschen im Kreisnorden außerdem noch Leutersdorf und - mit Abstrichen - die Gemeinde Schleife, bei der aber die Zahlen schon sehr alt sind.
Die Aktualität der Daten ist ohnehin ein wunder Punkt: Dargestellt ist - so vorhanden - der Stand Mitte 2022. Und auch das sind nur die Planzahlen. Ein Punkt, den beispielsweise die Zittauer Kämmerin Patricia Hänel kritisch sieht: "Die Darstellung ist nie auf aktuelle, realistische Werte bezogen", bestätigt sie mit Blick auf die öffentlich einsehbaren Zahlen. Ein weiteres Manko aus ihrer Sicht und auch aus Sicht von Roland Höhne, Bürgermeister von Rosenbach (CDU) und SSG-Sprecher im Kreis: Die Gründe für die jeweilige Entwicklung sieht man nicht. "Dabei belasten und die schlechte Lage des Kreises und die hohe Kreisumlage uns sehr", sagt Höhne. Aber auch positive Einmaleffekte - wie die zusätzlichen Steuern aus dem Birkenstock-Verkauf wie vor allem bei Bernstadt und Görlitz - können laut Ilg die Lage verzerren. Generell kann man anhand der Zahlen nicht erkennen, wie viel sich die Gemeinde leisten kann. Bestes Beispiel ist Lawalde. Die Gemeinde hat kaum Spielraum für Investitionen, steht seit zwei Jahren aber unter den Gemeinden der Kategorie B.
Dennoch sei das Frühwarnsystem in Gänze nicht nutzlos, ja in mancher Hinsicht sogar entscheidend: "Beispielsweise bei Fördermitteln: Finanzschwache Kommunen erhalten meist einen besseren Fördersatz", sagt er. Allerdings kann die Bewertung vermutlich auch Nachteile haben - zum Beispiel, wenn eine Gemeinde einen Kredit aufnehmen will.